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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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in Rücksicht der Oekonomie wahre Kleinigkeiten,
der wesentliche Nachtheil fällt auf das Gefühl,
das leidet wenn man wahrnimmt, wie so ein
Mensch unsre Lage mißbraucht. Dieser sagte sehr
trocken: wenn sie nicht so viel geben, fahre ich
sie nicht. Wie ich den vorhergehenden Abend zu
ihm geschickt hatte, forderte er für die vierzehn
Stunden bis Utrecht vierzehn Gulden, wie wir
bei ihm ankamen verlangte er sechszehn, und wie
er den Koffer aufladen sollte, achtzehn. Und bei
jeder Erhöhung rief er seinem Knecht zu: spann
wieder ab -- wenn sie das nicht geben, fahr ich
nicht. Wir nahmen die Sache sehr philosophisch
als eine Lehrstunde in der Geduld und Vorsicht
bei dem Verkehr mit holländischen Wirthen und
Pferdeverleihern, also als einen reinen Gewinn,
und betrachteten die zierliche Wohnung unseres
unzierlichen Wirthes. Es war jetzt sechs Uhr,
die Magd wusch eben die nett mit Steinen belegte
Küche, deren Wände ganz mit Fliesen bekleidet
waren; der Heerd ganz niedrig wie in der Schweiz,
das messingene Küchengeschirr hellglänzend in ei-
nem Glasschrank aufgestellt, um den Heerdman-
tel ein Falbala von weißen Musselin, in der Mitte
der Küche einen gebohnten Nußbaumnen Tisch --

in Ruͤckſicht der Oekonomie wahre Kleinigkeiten,
der weſentliche Nachtheil faͤllt auf das Gefuͤhl,
das leidet wenn man wahrnimmt, wie ſo ein
Menſch unſre Lage mißbraucht. Dieſer ſagte ſehr
trocken: wenn ſie nicht ſo viel geben, fahre ich
ſie nicht. Wie ich den vorhergehenden Abend zu
ihm geſchickt hatte, forderte er fuͤr die vierzehn
Stunden bis Utrecht vierzehn Gulden, wie wir
bei ihm ankamen verlangte er ſechszehn, und wie
er den Koffer aufladen ſollte, achtzehn. Und bei
jeder Erhoͤhung rief er ſeinem Knecht zu: ſpann
wieder ab — wenn ſie das nicht geben, fahr ich
nicht. Wir nahmen die Sache ſehr philoſophiſch
als eine Lehrſtunde in der Geduld und Vorſicht
bei dem Verkehr mit hollaͤndiſchen Wirthen und
Pferdeverleihern, alſo als einen reinen Gewinn,
und betrachteten die zierliche Wohnung unſeres
unzierlichen Wirthes. Es war jetzt ſechs Uhr,
die Magd wuſch eben die nett mit Steinen belegte
Kuͤche, deren Waͤnde ganz mit Flieſen bekleidet
waren; der Heerd ganz niedrig wie in der Schweiz,
das meſſingene Kuͤchengeſchirr hellglaͤnzend in ei-
nem Glasſchrank aufgeſtellt, um den Heerdman-
tel ein Falbala von weißen Muſſelin, in der Mitte
der Kuͤche einen gebohnten Nußbaumnen Tiſch —

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[104/0118] in Ruͤckſicht der Oekonomie wahre Kleinigkeiten, der weſentliche Nachtheil faͤllt auf das Gefuͤhl, das leidet wenn man wahrnimmt, wie ſo ein Menſch unſre Lage mißbraucht. Dieſer ſagte ſehr trocken: wenn ſie nicht ſo viel geben, fahre ich ſie nicht. Wie ich den vorhergehenden Abend zu ihm geſchickt hatte, forderte er fuͤr die vierzehn Stunden bis Utrecht vierzehn Gulden, wie wir bei ihm ankamen verlangte er ſechszehn, und wie er den Koffer aufladen ſollte, achtzehn. Und bei jeder Erhoͤhung rief er ſeinem Knecht zu: ſpann wieder ab — wenn ſie das nicht geben, fahr ich nicht. Wir nahmen die Sache ſehr philoſophiſch als eine Lehrſtunde in der Geduld und Vorſicht bei dem Verkehr mit hollaͤndiſchen Wirthen und Pferdeverleihern, alſo als einen reinen Gewinn, und betrachteten die zierliche Wohnung unſeres unzierlichen Wirthes. Es war jetzt ſechs Uhr, die Magd wuſch eben die nett mit Steinen belegte Kuͤche, deren Waͤnde ganz mit Flieſen bekleidet waren; der Heerd ganz niedrig wie in der Schweiz, das meſſingene Kuͤchengeſchirr hellglaͤnzend in ei- nem Glasſchrank aufgeſtellt, um den Heerdman- tel ein Falbala von weißen Muſſelin, in der Mitte der Kuͤche einen gebohnten Nußbaumnen Tiſch —

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/118>, abgerufen am 29.04.2024.