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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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Schlammigt sind die Kanäle nirgends, und das
Pflaster überall rein, und sehr gut unterhalten.
An beiden Seiten des Kanals steht eine Reihe gros-
ser Bäume, an vielen Orten ist sie doppelt, und
zwischen dem Wasser und den Häusern eine breite
gepflasterte Straße. Die Häuser, selbst die schön-
sten, reichsten, größten, haben noch das Ansehen
von Privatwohnungen, weil sie keine Höfe vor den
Häusern haben, wie in Warschau, Paris u. s. f.
auch nur in wenig Häusern Einfahrten sind, son-
dern nur sehr mäßig große Hausthüren, zu denen
schmale mit Geländer versehne Treppen führen.
Unter der Treppe der Hausthür geht man einige
Stufen in das Erdgeschoß herab, dessen Fenster
tiefer wie die Straße liegen. Was diese Häuser
auf das angenehmste auszeichnet, ist die Vollen-
dung, die Ganzheit, das Ansehn von Neuheit,
die vielen hellen Fenster, das schöne Fensterglas,
die ungemein schön gemauerten Wände, das sau-
ber angestrichne Holzwerk -- nichts Geflicktes,
Verblichnes, Verwittertes. Der Anblick der Häu-
ser nimmt mit Achtung gegen das rechtliche Haus-
wesen der Bewohner ein. Sehr viele dieser Häu-
ser sind sehr schmal, und belehren den Vorüberge-
henden, daß ihre Bewohner noch immer in einer

Schlammigt ſind die Kanaͤle nirgends, und das
Pflaſter uͤberall rein, und ſehr gut unterhalten.
An beiden Seiten des Kanals ſteht eine Reihe groſ-
ſer Baͤume, an vielen Orten iſt ſie doppelt, und
zwiſchen dem Waſſer und den Haͤuſern eine breite
gepflaſterte Straße. Die Haͤuſer, ſelbſt die ſchoͤn-
ſten, reichſten, groͤßten, haben noch das Anſehen
von Privatwohnungen, weil ſie keine Hoͤfe vor den
Haͤuſern haben, wie in Warſchau, Paris u. ſ. f.
auch nur in wenig Haͤuſern Einfahrten ſind, ſon-
dern nur ſehr maͤßig große Hausthuͤren, zu denen
ſchmale mit Gelaͤnder verſehne Treppen fuͤhren.
Unter der Treppe der Hausthuͤr geht man einige
Stufen in das Erdgeſchoß herab, deſſen Fenſter
tiefer wie die Straße liegen. Was dieſe Haͤuſer
auf das angenehmſte auszeichnet, iſt die Vollen-
dung, die Ganzheit, das Anſehn von Neuheit,
die vielen hellen Fenſter, das ſchoͤne Fenſterglas,
die ungemein ſchoͤn gemauerten Waͤnde, das ſau-
ber angeſtrichne Holzwerk — nichts Geflicktes,
Verblichnes, Verwittertes. Der Anblick der Haͤu-
ſer nimmt mit Achtung gegen das rechtliche Haus-
weſen der Bewohner ein. Sehr viele dieſer Haͤu-
ſer ſind ſehr ſchmal, und belehren den Voruͤberge-
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[136/0150] Schlammigt ſind die Kanaͤle nirgends, und das Pflaſter uͤberall rein, und ſehr gut unterhalten. An beiden Seiten des Kanals ſteht eine Reihe groſ- ſer Baͤume, an vielen Orten iſt ſie doppelt, und zwiſchen dem Waſſer und den Haͤuſern eine breite gepflaſterte Straße. Die Haͤuſer, ſelbſt die ſchoͤn- ſten, reichſten, groͤßten, haben noch das Anſehen von Privatwohnungen, weil ſie keine Hoͤfe vor den Haͤuſern haben, wie in Warſchau, Paris u. ſ. f. auch nur in wenig Haͤuſern Einfahrten ſind, ſon- dern nur ſehr maͤßig große Hausthuͤren, zu denen ſchmale mit Gelaͤnder verſehne Treppen fuͤhren. Unter der Treppe der Hausthuͤr geht man einige Stufen in das Erdgeſchoß herab, deſſen Fenſter tiefer wie die Straße liegen. Was dieſe Haͤuſer auf das angenehmſte auszeichnet, iſt die Vollen- dung, die Ganzheit, das Anſehn von Neuheit, die vielen hellen Fenſter, das ſchoͤne Fenſterglas, die ungemein ſchoͤn gemauerten Waͤnde, das ſau- ber angeſtrichne Holzwerk — nichts Geflicktes, Verblichnes, Verwittertes. Der Anblick der Haͤu- ſer nimmt mit Achtung gegen das rechtliche Haus- weſen der Bewohner ein. Sehr viele dieſer Haͤu- ſer ſind ſehr ſchmal, und belehren den Voruͤberge- henden, daß ihre Bewohner noch immer in einer

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/150>, abgerufen am 29.04.2024.