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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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zen Nationen, warum diese Löwennatur eine so
auffallende Ausnahme macht, bleibt mir ein Räth-
sel. Vielleicht macht sich der Uebergang von Frei-
heit in Fesseln so sanft, wenn nicht Verderbniß
mitten inne steht. -- Dann war ein schöner Leo-
parde da -- denn so heißt doch das grinsende
Thier mit geflecktem Felle? er ließ sich die Sonne
auf seinen schönen Pelz scheinen, und blinzelte,
und leckte seinen Bart, und schwenkte seinen
Schweif, und sah so avantageus aus, daß man
wohl merkte, er habe sich eigne Grundsätze über
das Morden gemacht, so, daß es seine Behag-
lichkeit gar nicht mehr störte. Das Tiegergeschlecht
kommt mir vor wie die Menschen, die ohne hefti-
ge Leidenschaft schlecht sind. Da lob ich mir so
einen redlichen Löwen, der in den Wald hinein
brüllt, daß die Echo zittert, wenn er Blut zu ver-
gießen umher irrt. -- Ich glaube das fatale grin-
sende Tiegergesicht hat gar keinen Ton in seiner
dicken Kehle. Ich war mit meinen Gedanken bald
weit in Afrika, wozu der Anblick der ausländi-
schen Pflanzen im botanischen Garten hinter mei-
nem Rücken noch viel beitrug. Eine Gesellschaft
Affen machte mich verdrießlich, weil sie schläfriger
und träumiger dasaß, wie ich je Affen gesehen

zen Nationen, warum dieſe Loͤwennatur eine ſo
auffallende Ausnahme macht, bleibt mir ein Raͤth-
ſel. Vielleicht macht ſich der Uebergang von Frei-
heit in Feſſeln ſo ſanft, wenn nicht Verderbniß
mitten inne ſteht. — Dann war ein ſchoͤner Leo-
parde da — denn ſo heißt doch das grinſende
Thier mit geflecktem Felle? er ließ ſich die Sonne
auf ſeinen ſchoͤnen Pelz ſcheinen, und blinzelte,
und leckte ſeinen Bart, und ſchwenkte ſeinen
Schweif, und ſah ſo avantageus aus, daß man
wohl merkte, er habe ſich eigne Grundſaͤtze uͤber
das Morden gemacht, ſo, daß es ſeine Behag-
lichkeit gar nicht mehr ſtoͤrte. Das Tiegergeſchlecht
kommt mir vor wie die Menſchen, die ohne hefti-
ge Leidenſchaft ſchlecht ſind. Da lob ich mir ſo
einen redlichen Loͤwen, der in den Wald hinein
bruͤllt, daß die Echo zittert, wenn er Blut zu ver-
gießen umher irrt. — Ich glaube das fatale grin-
ſende Tiegergeſicht hat gar keinen Ton in ſeiner
dicken Kehle. Ich war mit meinen Gedanken bald
weit in Afrika, wozu der Anblick der auslaͤndi-
ſchen Pflanzen im botaniſchen Garten hinter mei-
nem Ruͤcken noch viel beitrug. Eine Geſellſchaft
Affen machte mich verdrießlich, weil ſie ſchlaͤfriger
und traͤumiger daſaß, wie ich je Affen geſehen

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[192/0206] zen Nationen, warum dieſe Loͤwennatur eine ſo auffallende Ausnahme macht, bleibt mir ein Raͤth- ſel. Vielleicht macht ſich der Uebergang von Frei- heit in Feſſeln ſo ſanft, wenn nicht Verderbniß mitten inne ſteht. — Dann war ein ſchoͤner Leo- parde da — denn ſo heißt doch das grinſende Thier mit geflecktem Felle? er ließ ſich die Sonne auf ſeinen ſchoͤnen Pelz ſcheinen, und blinzelte, und leckte ſeinen Bart, und ſchwenkte ſeinen Schweif, und ſah ſo avantageus aus, daß man wohl merkte, er habe ſich eigne Grundſaͤtze uͤber das Morden gemacht, ſo, daß es ſeine Behag- lichkeit gar nicht mehr ſtoͤrte. Das Tiegergeſchlecht kommt mir vor wie die Menſchen, die ohne hefti- ge Leidenſchaft ſchlecht ſind. Da lob ich mir ſo einen redlichen Loͤwen, der in den Wald hinein bruͤllt, daß die Echo zittert, wenn er Blut zu ver- gießen umher irrt. — Ich glaube das fatale grin- ſende Tiegergeſicht hat gar keinen Ton in ſeiner dicken Kehle. Ich war mit meinen Gedanken bald weit in Afrika, wozu der Anblick der auslaͤndi- ſchen Pflanzen im botaniſchen Garten hinter mei- nem Ruͤcken noch viel beitrug. Eine Geſellſchaft Affen machte mich verdrießlich, weil ſie ſchlaͤfriger und traͤumiger daſaß, wie ich je Affen geſehen

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/206>, abgerufen am 29.04.2024.