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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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Die Leute wissen ihre Rolle; sie berechnen in ihren
Gruppirungen das Publikum und die Einwirkung
derselben in das Spiel, ihr Anzug ist consequent,
wenn gleich nicht sehr geschmackvoll, denn der
rampzaligt Vader hatte einen himmelblauen Tuch-
rock, und weiße Strümpfe bei schwarzen Madame
Reofroys Unterkleidern, worin er, bei gepuder-
tem Haar, gar nicht aussah, als hätten ihm seine
rampzaale an einer recht koketten Toilette gehin-
dert. Dabei erinnerte ich mich aber Dem. Wit-
höft als Mariane in Göthes Geschwister im weißen
taftenen Unterkleide und feinen musselinen Ueber-
zug, ein künstliches Rosenbouquet an der Brust
aus der Küche kommen gesehn zu haben, wie sie
mit weißen Handschuhen an den Händen klagte,
daß ihre gebratnen Tauben verbrannten. Ich sa-
ge euch nur was ich wahrnahm, ohne im minde-
sten zu richten, und dem zu Folge gestehe ich euch,
daß ich Theater gegen Theater genommen, das
holländische Amsterdammer Schauspiel lieber wie
die meisten deutschen besuchen würde. -- Das
Haus ist sehr bequem zum Hören und Sehen,
wohlerleuchtet, und mit breiten Gängen versehen.
Für die Größe der Stadt scheint es mir klein, ob-
schon man mir eine große Zahl Zuschauer nannte,

Die Leute wiſſen ihre Rolle; ſie berechnen in ihren
Gruppirungen das Publikum und die Einwirkung
derſelben in das Spiel, ihr Anzug iſt conſequent,
wenn gleich nicht ſehr geſchmackvoll, denn der
rampzaligt Vader hatte einen himmelblauen Tuch-
rock, und weiße Struͤmpfe bei ſchwarzen Madame
Reofroys Unterkleidern, worin er, bei gepuder-
tem Haar, gar nicht ausſah, als haͤtten ihm ſeine
rampzaale an einer recht koketten Toilette gehin-
dert. Dabei erinnerte ich mich aber Dem. Wit-
hoͤft als Mariane in Goͤthes Geſchwiſter im weißen
taftenen Unterkleide und feinen muſſelinen Ueber-
zug, ein kuͤnſtliches Roſenbouquet an der Bruſt
aus der Kuͤche kommen geſehn zu haben, wie ſie
mit weißen Handſchuhen an den Haͤnden klagte,
daß ihre gebratnen Tauben verbrannten. Ich ſa-
ge euch nur was ich wahrnahm, ohne im minde-
ſten zu richten, und dem zu Folge geſtehe ich euch,
daß ich Theater gegen Theater genommen, das
hollaͤndiſche Amſterdammer Schauſpiel lieber wie
die meiſten deutſchen beſuchen wuͤrde. — Das
Haus iſt ſehr bequem zum Hoͤren und Sehen,
wohlerleuchtet, und mit breiten Gaͤngen verſehen.
Fuͤr die Groͤße der Stadt ſcheint es mir klein, ob-
ſchon man mir eine große Zahl Zuſchauer nannte,

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[215/0229] Die Leute wiſſen ihre Rolle; ſie berechnen in ihren Gruppirungen das Publikum und die Einwirkung derſelben in das Spiel, ihr Anzug iſt conſequent, wenn gleich nicht ſehr geſchmackvoll, denn der rampzaligt Vader hatte einen himmelblauen Tuch- rock, und weiße Struͤmpfe bei ſchwarzen Madame Reofroys Unterkleidern, worin er, bei gepuder- tem Haar, gar nicht ausſah, als haͤtten ihm ſeine rampzaale an einer recht koketten Toilette gehin- dert. Dabei erinnerte ich mich aber Dem. Wit- hoͤft als Mariane in Goͤthes Geſchwiſter im weißen taftenen Unterkleide und feinen muſſelinen Ueber- zug, ein kuͤnſtliches Roſenbouquet an der Bruſt aus der Kuͤche kommen geſehn zu haben, wie ſie mit weißen Handſchuhen an den Haͤnden klagte, daß ihre gebratnen Tauben verbrannten. Ich ſa- ge euch nur was ich wahrnahm, ohne im minde- ſten zu richten, und dem zu Folge geſtehe ich euch, daß ich Theater gegen Theater genommen, das hollaͤndiſche Amſterdammer Schauſpiel lieber wie die meiſten deutſchen beſuchen wuͤrde. — Das Haus iſt ſehr bequem zum Hoͤren und Sehen, wohlerleuchtet, und mit breiten Gaͤngen verſehen. Fuͤr die Groͤße der Stadt ſcheint es mir klein, ob- ſchon man mir eine große Zahl Zuſchauer nannte,

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/229>, abgerufen am 28.04.2024.