Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

an Größe zu glauben, der Menschen unsers Zeit-
alters, und der göttliche Funken ist wieder in uns
erweckt. -- Doch zurück zu meinen Menschen-
wohnungen.

Auf breiten Landwegen, über Sandstrecken,
auf denen bei trocknem Wetter die Räder knarren,
fahr ich zwischen Heidekornfeldern hin -- große
moosige Flächen unterbrechen ihre röthliche Blüthe,
die wenig Wochen nach der Aussaat aus dem kah-
len Boden einen sanften Teppich gebildet hat.
Von beiden Seiten beschränken endlose Wälder den
Gesichtskreis. Jetzt sehe ich Reste von hölzernen
Umzäunungen, einige magere Kühe kriechen matt
auf der dürren Weide, einige eben so kleine Pfer-
de mit dicken Köpfen und starken Beinen kommen
bei dem Pfeifen des Postillions lebhaft aus dem
Walde gesprungen und laufen vor dem Wagen
her, um an dem Posthause sich einspannen zu las-
sen. Nun komme ich an ein Strohdach, das ge-
rade hoch genug vom Boden erhöht ist, um mei-
nen Arm darauf stützen zu können. Es ist aus
Balken zusammen gelegt, die Ritzen mit Moos
verstopft, und ein Paar Löcher, die hinein gesägt
sind, dienen zu Fenstern. Aus einem größern,
das bis zum Boden geht, qualmet mir ein dicker

R

an Groͤße zu glauben, der Menſchen unſers Zeit-
alters, und der goͤttliche Funken iſt wieder in uns
erweckt. — Doch zuruͤck zu meinen Menſchen-
wohnungen.

Auf breiten Landwegen, uͤber Sandſtrecken,
auf denen bei trocknem Wetter die Raͤder knarren,
fahr ich zwiſchen Heidekornfeldern hin — große
mooſige Flaͤchen unterbrechen ihre roͤthliche Bluͤthe,
die wenig Wochen nach der Ausſaat aus dem kah-
len Boden einen ſanften Teppich gebildet hat.
Von beiden Seiten beſchraͤnken endloſe Waͤlder den
Geſichtskreis. Jetzt ſehe ich Reſte von hoͤlzernen
Umzaͤunungen, einige magere Kuͤhe kriechen matt
auf der duͤrren Weide, einige eben ſo kleine Pfer-
de mit dicken Koͤpfen und ſtarken Beinen kommen
bei dem Pfeifen des Poſtillions lebhaft aus dem
Walde geſprungen und laufen vor dem Wagen
her, um an dem Poſthauſe ſich einſpannen zu laſ-
ſen. Nun komme ich an ein Strohdach, das ge-
rade hoch genug vom Boden erhoͤht iſt, um mei-
nen Arm darauf ſtuͤtzen zu koͤnnen. Es iſt aus
Balken zuſammen gelegt, die Ritzen mit Moos
verſtopft, und ein Paar Loͤcher, die hinein geſaͤgt
ſind, dienen zu Fenſtern. Aus einem groͤßern,
das bis zum Boden geht, qualmet mir ein dicker

R
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0271" n="257"/>
an Gro&#x0364;ße zu glauben, der Men&#x017F;chen un&#x017F;ers Zeit-<lb/>
alters, und der go&#x0364;ttliche Funken i&#x017F;t wieder in uns<lb/>
erweckt. &#x2014; Doch zuru&#x0364;ck zu meinen Men&#x017F;chen-<lb/>
wohnungen.</p><lb/>
        <p>Auf breiten Landwegen, u&#x0364;ber Sand&#x017F;trecken,<lb/>
auf denen bei trocknem Wetter die Ra&#x0364;der knarren,<lb/>
fahr ich zwi&#x017F;chen Heidekornfeldern hin &#x2014; große<lb/>
moo&#x017F;ige Fla&#x0364;chen unterbrechen ihre ro&#x0364;thliche Blu&#x0364;the,<lb/>
die wenig Wochen nach der Aus&#x017F;aat aus dem kah-<lb/>
len Boden einen &#x017F;anften Teppich gebildet hat.<lb/>
Von beiden Seiten be&#x017F;chra&#x0364;nken endlo&#x017F;e Wa&#x0364;lder den<lb/>
Ge&#x017F;ichtskreis. Jetzt &#x017F;ehe ich Re&#x017F;te von ho&#x0364;lzernen<lb/>
Umza&#x0364;unungen, einige magere Ku&#x0364;he kriechen matt<lb/>
auf der du&#x0364;rren Weide, einige eben &#x017F;o kleine Pfer-<lb/>
de mit dicken Ko&#x0364;pfen und &#x017F;tarken Beinen kommen<lb/>
bei dem Pfeifen des Po&#x017F;tillions lebhaft aus dem<lb/>
Walde ge&#x017F;prungen und laufen vor dem Wagen<lb/>
her, um an dem Po&#x017F;thau&#x017F;e &#x017F;ich ein&#x017F;pannen zu la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Nun komme ich an ein Strohdach, das ge-<lb/>
rade hoch genug vom Boden erho&#x0364;ht i&#x017F;t, um mei-<lb/>
nen Arm darauf &#x017F;tu&#x0364;tzen zu ko&#x0364;nnen. Es i&#x017F;t aus<lb/>
Balken zu&#x017F;ammen gelegt, die Ritzen mit Moos<lb/>
ver&#x017F;topft, und ein Paar Lo&#x0364;cher, die hinein ge&#x017F;a&#x0364;gt<lb/>
&#x017F;ind, dienen zu Fen&#x017F;tern. Aus einem gro&#x0364;ßern,<lb/>
das bis zum Boden geht, qualmet mir ein dicker<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0271] an Groͤße zu glauben, der Menſchen unſers Zeit- alters, und der goͤttliche Funken iſt wieder in uns erweckt. — Doch zuruͤck zu meinen Menſchen- wohnungen. Auf breiten Landwegen, uͤber Sandſtrecken, auf denen bei trocknem Wetter die Raͤder knarren, fahr ich zwiſchen Heidekornfeldern hin — große mooſige Flaͤchen unterbrechen ihre roͤthliche Bluͤthe, die wenig Wochen nach der Ausſaat aus dem kah- len Boden einen ſanften Teppich gebildet hat. Von beiden Seiten beſchraͤnken endloſe Waͤlder den Geſichtskreis. Jetzt ſehe ich Reſte von hoͤlzernen Umzaͤunungen, einige magere Kuͤhe kriechen matt auf der duͤrren Weide, einige eben ſo kleine Pfer- de mit dicken Koͤpfen und ſtarken Beinen kommen bei dem Pfeifen des Poſtillions lebhaft aus dem Walde geſprungen und laufen vor dem Wagen her, um an dem Poſthauſe ſich einſpannen zu laſ- ſen. Nun komme ich an ein Strohdach, das ge- rade hoch genug vom Boden erhoͤht iſt, um mei- nen Arm darauf ſtuͤtzen zu koͤnnen. Es iſt aus Balken zuſammen gelegt, die Ritzen mit Moos verſtopft, und ein Paar Loͤcher, die hinein geſaͤgt ſind, dienen zu Fenſtern. Aus einem groͤßern, das bis zum Boden geht, qualmet mir ein dicker R

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/271
Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/271>, abgerufen am 14.05.2024.