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Hübner, Johann: Poetisches Handbuch. Leipzig, 1696.

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licher wäre/ so wil zu Vermehrung der
Kunst lieber diesen Vorschlag thun/ daß
man hinten und forne zugleich reimen
soll. z. e.

1. Sachsen hat viel schöne Mädgen:
Wachsen sie gleich nicht auf Bätgen/
Doch genung daß jederman
Noch sein Weibgen finden kan.
2. Alt und jung steht nicht beysammen/
Kalt und warm[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]. macht keine Flammen/
Rothe Lippen lieben nicht
Todte Farb im Angesicht.

XIX. Endlich ist man auch auf die Ge-
dancken gerathen/ ob man nicht die deut-
schen Reime/ oder wohl gar die gesammten
deutschen Verse abschaffen könte.

XX. Denn etliche schrieben an statt der
bißhero gebräuchlichen Trauer- oder Eh-
ren-Getichte/ eine sinnreiche Epistel: Ge-
stalt sich noch vor wenig Jahren der ge-
lehrte Pufendorf dergleichen Schreibart
an einer vornehmen Hochzeit bedienete.

XXI. Andre hingegen legten sich auf la-
teinische und deutsche Inscriptiones: welches
auch den weltberühmten Weisen bewogen/
daß er auch sein gelehrtes Buch von den In-
scriptionibus
mit dem Titel de Poesi hodi-
ernorum Politicorum
bezeichnet hat.

XXII. Endlich hat man auch angefan-
gen deutsche Verse ohne Reime zu schrei-

ben:

licher waͤre/ ſo wil zu Vermehrung der
Kunſt lieber dieſen Vorſchlag thun/ daß
man hinten und forne zugleich reimen
ſoll. z. e.

1. Sachſen hat viel ſchoͤne Maͤdgen:
Wachſen ſie gleich nicht auf Baͤtgen/
Doch genung daß jederman
Noch ſein Weibgen finden kan.
2. Alt und jung ſteht nicht beyſammen/
Kalt und warm[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]. macht keine Flammen/
Rothe Lippen lieben nicht
Todte Farb im Angeſicht.

XIX. Endlich iſt man auch auf die Ge-
dancken gerathen/ ob man nicht die deut-
ſchen Reime/ oder wohl gar die geſammten
deutſchen Verſe abſchaffen koͤnte.

XX. Denn etliche ſchrieben an ſtatt der
bißhero gebraͤuchlichen Trauer- oder Eh-
ren-Getichte/ eine ſinnreiche Epiſtel: Ge-
ſtalt ſich noch vor wenig Jahren der ge-
lehrte Pufendorf dergleichen Schreibart
an einer vornehmen Hochzeit bedienete.

XXI. Andre hingegen legten ſich auf la-
teiniſche und deutſche Inſcriptiones: welches
auch den weltberuͤhmten Weiſen bewogen/
daß er auch ſein gelehrtes Buch von den In-
ſcriptionibus
mit dem Titel de Poeſi hodi-
ernorum Politicorum
bezeichnet hat.

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gen deutſche Verſe ohne Reime zu ſchrei-

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[18/0022] licher waͤre/ ſo wil zu Vermehrung der Kunſt lieber dieſen Vorſchlag thun/ daß man hinten und forne zugleich reimen ſoll. z. e. 1. Sachſen hat viel ſchoͤne Maͤdgen: Wachſen ſie gleich nicht auf Baͤtgen/ Doch genung daß jederman Noch ſein Weibgen finden kan. 2. Alt und jung ſteht nicht beyſammen/ Kalt und warm_. macht keine Flammen/ Rothe Lippen lieben nicht Todte Farb im Angeſicht. XIX. Endlich iſt man auch auf die Ge- dancken gerathen/ ob man nicht die deut- ſchen Reime/ oder wohl gar die geſammten deutſchen Verſe abſchaffen koͤnte. XX. Denn etliche ſchrieben an ſtatt der bißhero gebraͤuchlichen Trauer- oder Eh- ren-Getichte/ eine ſinnreiche Epiſtel: Ge- ſtalt ſich noch vor wenig Jahren der ge- lehrte Pufendorf dergleichen Schreibart an einer vornehmen Hochzeit bedienete. XXI. Andre hingegen legten ſich auf la- teiniſche und deutſche Inſcriptiones: welches auch den weltberuͤhmten Weiſen bewogen/ daß er auch ſein gelehrtes Buch von den In- ſcriptionibus mit dem Titel de Poeſi hodi- ernorum Politicorum bezeichnet hat. XXII. Endlich hat man auch angefan- gen deutſche Verſe ohne Reime zu ſchrei- ben:

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Zitationshilfe: Hübner, Johann: Poetisches Handbuch. Leipzig, 1696, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huebner_handbuch_1696/22>, abgerufen am 28.04.2024.