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Hübner, Johann: Poetisches Handbuch. Leipzig, 1696.

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wohl bey der artigen Welt auch gerne mit-
spielen wolten/ so musten sie wohl das ver-
achten/ was sie nicht gelernet hatten/ und
auf was neues bedacht seyn.

XXVIII. Endlich hat vielen Faullentzern
die Geduld ausreissen wollen/ wenn sie
mit ihren ungeschickten Versen viel Cen-
suren haben ausstehen müssen; und die
haben die Schuld nicht auff ihre eigne
Nachläßigkeit/ sondern lieber auf die un-
schuldigen Reime schieben wollen.

XXIX. Was nun die erste Gattung be-
trifft/ so unterstehe ich mich nicht ihr Thun
zu tadeln: sondern ich betaure selber/ daß
die deutschen Verse von so vielen Stüm-
pern/ und bey so viel lumpichten Gelegen-
heiten prostituiret werden.

XXX. Die andre Gattung kan ich auch
nicht verdencken/ welche durch Verachtung
der Poesie/ oder zum wenigsten der Reime/
einen Mangel zu bemänteln suchen. Sag-
te doch der Fuchs auch/ die Aepfel wären
sauer/ als er mit dem Schwantze keine her-
unter schütteln konte.

XXXI. Aber wer die Reime aus blosser
Faulheit verwirfft/ und die Welt überreden
wil/ als wenn seine ungereimte Verse besser
klingen; den setze ich in meinen Gedancken e-
ben in die Classe, wo die Stümper stehen/ wel-

che

wohl bey der artigen Welt auch gerne mit-
ſpielen wolten/ ſo muſten ſie wohl das ver-
achten/ was ſie nicht gelernet hatten/ und
auf was neues bedacht ſeyn.

XXVIII. Endlich hat vielen Faullentzern
die Geduld ausreiſſen wollen/ wenn ſie
mit ihren ungeſchickten Verſen viel Cen-
ſuren haben ausſtehen muͤſſen; und die
haben die Schuld nicht auff ihre eigne
Nachlaͤßigkeit/ ſondern lieber auf die un-
ſchuldigen Reime ſchieben wollen.

XXIX. Was nun die erſte Gattung be-
trifft/ ſo unterſtehe ich mich nicht ihr Thun
zu tadeln: ſondern ich betaure ſelber/ daß
die deutſchen Verſe von ſo vielen Stuͤm-
pern/ und bey ſo viel lumpichten Gelegen-
heiten proſtituiret werden.

XXX. Die andre Gattung kan ich auch
nicht verdencken/ welche durch Verachtung
der Poeſie/ oder zum wenigſten der Reime/
einen Mangel zu bemaͤnteln ſuchen. Sag-
te doch der Fuchs auch/ die Aepfel waͤren
ſauer/ als er mit dem Schwantze keine her-
unter ſchuͤtteln konte.

XXXI. Aber wer die Reime aus bloſſer
Faulheit verwirfft/ und die Welt uͤberreden
wil/ als wenn ſeine ungereimte Verſe beſſer
klingen; den ſetze ich in meinen Gedancken e-
ben in die Claſſe, wo die Stuͤmper ſtehẽ/ wel-

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[20/0024] wohl bey der artigen Welt auch gerne mit- ſpielen wolten/ ſo muſten ſie wohl das ver- achten/ was ſie nicht gelernet hatten/ und auf was neues bedacht ſeyn. XXVIII. Endlich hat vielen Faullentzern die Geduld ausreiſſen wollen/ wenn ſie mit ihren ungeſchickten Verſen viel Cen- ſuren haben ausſtehen muͤſſen; und die haben die Schuld nicht auff ihre eigne Nachlaͤßigkeit/ ſondern lieber auf die un- ſchuldigen Reime ſchieben wollen. XXIX. Was nun die erſte Gattung be- trifft/ ſo unterſtehe ich mich nicht ihr Thun zu tadeln: ſondern ich betaure ſelber/ daß die deutſchen Verſe von ſo vielen Stuͤm- pern/ und bey ſo viel lumpichten Gelegen- heiten proſtituiret werden. XXX. Die andre Gattung kan ich auch nicht verdencken/ welche durch Verachtung der Poeſie/ oder zum wenigſten der Reime/ einen Mangel zu bemaͤnteln ſuchen. Sag- te doch der Fuchs auch/ die Aepfel waͤren ſauer/ als er mit dem Schwantze keine her- unter ſchuͤtteln konte. XXXI. Aber wer die Reime aus bloſſer Faulheit verwirfft/ und die Welt uͤberreden wil/ als wenn ſeine ungereimte Verſe beſſer klingen; den ſetze ich in meinen Gedancken e- ben in die Claſſe, wo die Stuͤmper ſtehẽ/ wel- che

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Zitationshilfe: Hübner, Johann: Poetisches Handbuch. Leipzig, 1696, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huebner_handbuch_1696/24>, abgerufen am 28.04.2024.