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Hübner, Johann: Poetisches Handbuch. Leipzig, 1696.

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Jch wil und mag mich nicht verlieben/
Das ist und bleibt mein fester Schluß/
Jndem man sich so offt betrüben
Als frölich machen lassen muß.
Dahero sag ich ietzt und immer
Zu guter Nacht/ O Frauenzimmer.

LXVII. Und wenn in dem folgenden die
Reinligkeit und die Annehmlichkeit rich-
tig ist/ so möchte sich ein scharffer Moraliste
an der letzten Zeile ärgern:

Cupido bleib mir ja vom Leibe/
Du kömmst mit deinen Pfeilen blind/
Jch sehne mich nach keinem Weibe/
Jch wünsche mir auch noch kein Kind:
Jch mache mich noch nicht zum Sclaven/
Mein Schiff verlangt noch keinen Hafen.

LXVIII. Endlich soll mir dieser in allen
drey Censuren die Probe halten:

Was sind die allerschönsten Damen?
Ein Baum den GOtt verboten hat;
Jch dencke nur an diesen Nahmen/
So hab ich schon der Liebe satt:
Jch mag die Aepffel nicht geniessen/
Die mir das Paradies verschliessen.

LXIX. Jndem nun hieraus Sonnen-
klar ist/ daß ein ieder Vers drey Censuren
ausstehen muß; und daß man bey einer ied-
weden Censur auf drey Stücke zu sehen
hat: So kan man leicht die Rechnung ma-
chen/ daß die Reime nicht mehr und nicht
weniger/ als den neundten Theil der Poe-
tischen Schönheit in sich halten.

LXX. Aus diesem Principio kan ich nun,

den
Jch wil und mag mich nicht verlieben/
Das iſt und bleibt mein feſter Schluß/
Jndem man ſich ſo offt betruͤben
Als froͤlich machen laſſen muß.
Dahero ſag ich ietzt und immer
Zu guter Nacht/ O Frauenzimmer.

LXVII. Und wenn in dem folgenden die
Reinligkeit und die Annehmlichkeit rich-
tig iſt/ ſo moͤchte ſich ein ſcharffer Moraliſte
an der letzten Zeile aͤrgern:

Cupido bleib mir ja vom Leibe/
Du koͤmmſt mit deinen Pfeilen blind/
Jch ſehne mich nach keinem Weibe/
Jch wuͤnſche mir auch noch kein Kind:
Jch mache mich noch nicht zum Sclaven/
Mein Schiff verlangt noch keinen Hafen.

LXVIII. Endlich ſoll mir dieſer in allen
drey Cenſuren die Probe halten:

Was ſind die allerſchoͤnſten Damen?
Ein Baum den GOtt verboten hat;
Jch dencke nur an dieſen Nahmen/
So hab ich ſchon der Liebe ſatt:
Jch mag die Aepffel nicht genieſſen/
Die mir das Paradies verſchlieſſen.

LXIX. Jndem nun hieraus Sonnen-
klar iſt/ daß ein ieder Vers drey Cenſuren
ausſtehen muß; und daß man bey einer ied-
weden Cenſur auf drey Stuͤcke zu ſehen
hat: So kan man leicht die Rechnung ma-
chen/ daß die Reime nicht mehr und nicht
weniger/ als den neundten Theil der Poe-
tiſchen Schoͤnheit in ſich halten.

LXX. Aus dieſem Principio kan ich nun,

den
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[31/0035] Jch wil und mag mich nicht verlieben/ Das iſt und bleibt mein feſter Schluß/ Jndem man ſich ſo offt betruͤben Als froͤlich machen laſſen muß. Dahero ſag ich ietzt und immer Zu guter Nacht/ O Frauenzimmer. LXVII. Und wenn in dem folgenden die Reinligkeit und die Annehmlichkeit rich- tig iſt/ ſo moͤchte ſich ein ſcharffer Moraliſte an der letzten Zeile aͤrgern: Cupido bleib mir ja vom Leibe/ Du koͤmmſt mit deinen Pfeilen blind/ Jch ſehne mich nach keinem Weibe/ Jch wuͤnſche mir auch noch kein Kind: Jch mache mich noch nicht zum Sclaven/ Mein Schiff verlangt noch keinen Hafen. LXVIII. Endlich ſoll mir dieſer in allen drey Cenſuren die Probe halten: Was ſind die allerſchoͤnſten Damen? Ein Baum den GOtt verboten hat; Jch dencke nur an dieſen Nahmen/ So hab ich ſchon der Liebe ſatt: Jch mag die Aepffel nicht genieſſen/ Die mir das Paradies verſchlieſſen. LXIX. Jndem nun hieraus Sonnen- klar iſt/ daß ein ieder Vers drey Cenſuren ausſtehen muß; und daß man bey einer ied- weden Cenſur auf drey Stuͤcke zu ſehen hat: So kan man leicht die Rechnung ma- chen/ daß die Reime nicht mehr und nicht weniger/ als den neundten Theil der Poe- tiſchen Schoͤnheit in ſich halten. LXX. Aus dieſem Principio kan ich nun, den

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Zitationshilfe: Hübner, Johann: Poetisches Handbuch. Leipzig, 1696, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huebner_handbuch_1696/35>, abgerufen am 29.04.2024.