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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

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der querbeinige Bruder sein Käsegesicht
zur Antwort heraus; am Pappelhof
schlug er statt der Hundshütte auf den
Tisch; und wenn er sein Amen gesagt
hatte, so schüttelte er sich eben so freu-
dig, als befände er sich am Ziel seiner
Wanderschaft. Auf dieser Zimmerreise
sah er in der Einbildung jeden Winkel,
der ihm auf der würklichen vorkam:
auf der Brücke umduftete ihn das frische
Heu; er hob seine Füsse höher, wenn
er im Geist an den Hügel gekommen
war; im Hintergrunde des Zimmers
wurden zween Stühle neben einander
gepflanzt, über die er hinüberkletterte,
wenn ihm ein Zaun vorkam. Er lüftete
sich, wenn er an seiner Herberge ange-
langt war; er öffnete seine Flasche; von
einem seiner Fenster aus mahlte sich sei-
ne Phantasie die ganze Aussicht des Hü-
gels: und wenn er dann eine Stunde
ausgeruht und sich erfrischt hatte, so
trat er eben so bedächtig den Rückzug
an; überstieg wieder jeden Zaun, und

der querbeinige Bruder ſein Käſegeſicht
zur Antwort heraus; am Pappelhof
ſchlug er ſtatt der Hundshütte auf den
Tiſch; und wenn er ſein Amen geſagt
hatte, ſo ſchüttelte er ſich eben ſo freu-
dig, als befände er ſich am Ziel ſeiner
Wanderſchaft. Auf dieſer Zimmerreiſe
ſah er in der Einbildung jeden Winkel,
der ihm auf der würklichen vorkam:
auf der Brücke umduftete ihn das friſche
Heu; er hob ſeine Füſse höher, wenn
er im Geiſt an den Hügel gekommen
war; im Hintergrunde des Zimmers
wurden zween Stühle neben einander
gepflanzt, über die er hinüberkletterte,
wenn ihm ein Zaun vorkam. Er lüftete
ſich, wenn er an ſeiner Herberge ange-
langt war; er öffnete ſeine Flaſche; von
einem ſeiner Fenſter aus mahlte ſich ſei-
ne Phantaſie die ganze Ausſicht des Hü-
gels: und wenn er dann eine Stunde
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[180/0208] der querbeinige Bruder ſein Käſegeſicht zur Antwort heraus; am Pappelhof ſchlug er ſtatt der Hundshütte auf den Tiſch; und wenn er ſein Amen geſagt hatte, ſo ſchüttelte er ſich eben ſo freu- dig, als befände er ſich am Ziel ſeiner Wanderſchaft. Auf dieſer Zimmerreiſe ſah er in der Einbildung jeden Winkel, der ihm auf der würklichen vorkam: auf der Brücke umduftete ihn das friſche Heu; er hob ſeine Füſse höher, wenn er im Geiſt an den Hügel gekommen war; im Hintergrunde des Zimmers wurden zween Stühle neben einander gepflanzt, über die er hinüberkletterte, wenn ihm ein Zaun vorkam. Er lüftete ſich, wenn er an ſeiner Herberge ange- langt war; er öffnete ſeine Flaſche; von einem ſeiner Fenſter aus mahlte ſich ſei- ne Phantaſie die ganze Ausſicht des Hü- gels: und wenn er dann eine Stunde ausgeruht und ſich erfriſcht hatte, ſo trat er eben ſo bedächtig den Rückzug an; überſtieg wieder jeden Zaun, und

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Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/208>, abgerufen am 06.05.2024.