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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896.

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einander vielleicht oft überdrüssig werdet, nicht wahr, ihr
Alle wisset aus eigener Erfahrung, wie nothwendig ihr die
Gnade habet, um in der vertragsgemäßen Liebe auszu-
harren. Und diese Gnade wirkt heute noch ihre Wunder.

Alban Stolz (Wand und Sand S. 244) erzählt aus
der Neuzeit ein rührendes Beispiel. In einem Städtchen
Bayerns lebte ein kinderloses Ehebar. Beide konnten bei
schönem Vermögen glücklich sein; allein der Mann, ein
Trunkenbold, beschimpfte und mißhandelte im Rausche sein
braves Weib. Anfänglich machte die Frau bescheidene
Vorstellungen. Alles umsonst. Nachher schwieg sie als
fromme Dulderin. Eines Sonntags kam der Mann voll-
getrunken heim, fing an sein Weib zu schlagen, an den
Haaren zu zerren, auf sie einzuschlagen, bis das Blut in
Strömen floß. Das Opfer schwieg; aber desto lauter
schrie die Blutlache. Erschüttert fällt der Mann vor der
totschwachen Frau in die Knie mit den Worten: "Verzeihe
mir, ich will alles thun, was du nur verlangst."
Die
Frau, sobald sie wieder reden konnte, antwortete: "Lieber
Mann, Alles sei dir verziehen; nur um das eine bitt' ich
dich; gehe mir nicht mehr in das Wirthshaus; ich will dir,
soviel dir beliebt Getränke bringen; wir wollen uns gewiß
gut miteinander unterhalten."
Von jenem Augenblicke an
lebte der Mann, wie er vor dem allmächtigen Gott am
Altare versprochen hatte.

Wer nun konnte dieses Weib in jener Liebe erhalten
welche nicht bloß keine Gegenliebe empfängt, sondern nur
Schmähung und Schläge, und welche dabei nicht klagt,
und murrt, sondern betet, leidet, schweigt? Die Gnade
des hl. Sakramentes hielt diese Liebesflamme hoch über
vielen Wassern. Wenn auch solche Wunderbeispiele viel-
leicht etwas selten, wie viel tausend und abertausend
gewöhnliche!

Sehet nur! Die Schönheit verbleicht, das Alter

einander vielleicht oft überdrüssig werdet, nicht wahr, ihr
Alle wisset aus eigener Erfahrung, wie nothwendig ihr die
Gnade habet, um in der vertragsgemäßen Liebe auszu-
harren. Und diese Gnade wirkt heute noch ihre Wunder.

Alban Stolz (Wand und Sand S. 244) erzählt aus
der Neuzeit ein rührendes Beispiel. In einem Städtchen
Bayerns lebte ein kinderloses Ehebar. Beide konnten bei
schönem Vermögen glücklich sein; allein der Mann, ein
Trunkenbold, beschimpfte und mißhandelte im Rausche sein
braves Weib. Anfänglich machte die Frau bescheidene
Vorstellungen. Alles umsonst. Nachher schwieg sie als
fromme Dulderin. Eines Sonntags kam der Mann voll-
getrunken heim, fing an sein Weib zu schlagen, an den
Haaren zu zerren, auf sie einzuschlagen, bis das Blut in
Strömen floß. Das Opfer schwieg; aber desto lauter
schrie die Blutlache. Erschüttert fällt der Mann vor der
totschwachen Frau in die Knie mit den Worten: „Verzeihe
mir, ich will alles thun, was du nur verlangst.“
Die
Frau, sobald sie wieder reden konnte, antwortete: „Lieber
Mann, Alles sei dir verziehen; nur um das eine bitt' ich
dich; gehe mir nicht mehr in das Wirthshaus; ich will dir,
soviel dir beliebt Getränke bringen; wir wollen uns gewiß
gut miteinander unterhalten.“
Von jenem Augenblicke an
lebte der Mann, wie er vor dem allmächtigen Gott am
Altare versprochen hatte.

Wer nun konnte dieses Weib in jener Liebe erhalten
welche nicht bloß keine Gegenliebe empfängt, sondern nur
Schmähung und Schläge, und welche dabei nicht klagt,
und murrt, sondern betet, leidet, schweigt? Die Gnade
des hl. Sakramentes hielt diese Liebesflamme hoch über
vielen Wassern. Wenn auch solche Wunderbeispiele viel-
leicht etwas selten, wie viel tausend und abertausend
gewöhnliche!

Sehet nur! Die Schönheit verbleicht, das Alter

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[110/0122] einander vielleicht oft überdrüssig werdet, nicht wahr, ihr Alle wisset aus eigener Erfahrung, wie nothwendig ihr die Gnade habet, um in der vertragsgemäßen Liebe auszu- harren. Und diese Gnade wirkt heute noch ihre Wunder. Alban Stolz (Wand und Sand S. 244) erzählt aus der Neuzeit ein rührendes Beispiel. In einem Städtchen Bayerns lebte ein kinderloses Ehebar. Beide konnten bei schönem Vermögen glücklich sein; allein der Mann, ein Trunkenbold, beschimpfte und mißhandelte im Rausche sein braves Weib. Anfänglich machte die Frau bescheidene Vorstellungen. Alles umsonst. Nachher schwieg sie als fromme Dulderin. Eines Sonntags kam der Mann voll- getrunken heim, fing an sein Weib zu schlagen, an den Haaren zu zerren, auf sie einzuschlagen, bis das Blut in Strömen floß. Das Opfer schwieg; aber desto lauter schrie die Blutlache. Erschüttert fällt der Mann vor der totschwachen Frau in die Knie mit den Worten: „Verzeihe mir, ich will alles thun, was du nur verlangst.“ Die Frau, sobald sie wieder reden konnte, antwortete: „Lieber Mann, Alles sei dir verziehen; nur um das eine bitt' ich dich; gehe mir nicht mehr in das Wirthshaus; ich will dir, soviel dir beliebt Getränke bringen; wir wollen uns gewiß gut miteinander unterhalten.“ Von jenem Augenblicke an lebte der Mann, wie er vor dem allmächtigen Gott am Altare versprochen hatte. Wer nun konnte dieses Weib in jener Liebe erhalten welche nicht bloß keine Gegenliebe empfängt, sondern nur Schmähung und Schläge, und welche dabei nicht klagt, und murrt, sondern betet, leidet, schweigt? Die Gnade des hl. Sakramentes hielt diese Liebesflamme hoch über vielen Wassern. Wenn auch solche Wunderbeispiele viel- leicht etwas selten, wie viel tausend und abertausend gewöhnliche! Sehet nur! Die Schönheit verbleicht, das Alter

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Zitationshilfe: Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/122>, abgerufen am 15.05.2024.