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Humboldt, Alexander von: Über die Chinawälder in Südamerika. In: Magazin für die neusten Entdeckungen in der gesammten Naturkunde, 1. Jg. (1807), S. 57-68, 104-120.

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der Andaquie-Missionen angefangen, deren Überbleibsel wir noch gese-
hen haben. Im Jahr 1800 trug das spanische Gouvernement einem fran-
zösischen Arzte, Louis Derieux, auf, diese Pflanzungen fortzusetzen, die
einheimische Myristica zu kultiviren, und die allgemeine Aufsicht über
das Verpacken der Chinarinde in Neu-Grenada zu führen. Er erhielt
2000 Piaster Gehalt mit dem allgemeinen Titel eines Commissionado y
Encargado de investigaciones de historia Natural. en el Nuevo Reyno
de Grenada.
Er hatte so wenig botanische Kenntnisse als Lopez, war
aber ein Mann von vielem Geist und intellectueller Bildung. Er hatte
lange vorher in Santa Fe gelebt, von wo man ihn unter der falschen
Beschuldigung revolutionairer Gesinnungen in Ketten nach Carthagena,
von da in ein Gefängniss nach Cadiz schleppte. Nach Anerkennung sei-
ner Unschuld gab ihm der Staatsminister Don Mariano de Urquijo jene
Aufsicht über die Chinawälder. Ich habe mit ihm die Reise auf dem
Magdalenenstrome gemacht, während welcher sein liebenswürdiger Sohn
mehrere Pflanzen für mich gezeichnet hat. Der Vater trat zwischen
Mutis und Lopez auf. Wie die specifiken Charaktere der Cinchona-
Arten in Madrid zwischen Zea, Ruiz und Pavon die bittersten Streitig-
keiten erregt haben, so ist die Fieberrinde in Santa Fe auch seit ihrer
ersten Auffindung ein gehässiger Gegenstand der Verfolgung gewesen.
Ich habe mit grossem Missvergnügen erfahren, dass Herr Derieux bald
nachdem ich Südamerika verliess, sein Jahrgehalt verloren hat, ja sogar
aufs neue gezwungen worden ist, das Vicekönigreich zu räumen, so dass
die Chinabaume wiederum ohne eine Aufsicht wachsen, die freilich bis-
her ihre Vermehrung oder Erhaltung nicht befördert hat.

Wir haben in dieser einfachen Geschichtserzählung gezeigt, dass bis
1772 alle Fieberrinde in den Wäldern von Loxa, Ayavaca und Jaen
de Bracamorros
gesammelt wurde, also bloss zwischen dem 3ten und 5ten
Grade südlicher Breite, und dass erst 1772 auf dem südamerikanischen
Continent heilsame Cinchona-Arten in der nördlichen Halbkugel benutzt
wurden, Cinchona-Arten, welche man zwischen dem 4° und 5° der Breite
entdeckte. Bis dahin kannte man noch keine in dem eigentlichen Peru,
besonders nicht in den der Hauptstadt Lima näher gelegenen Gebirgen.
Das Thal von Rio Calvas und das Dorf Ayavaca, in dessen Nähe vor-
trefliche schon 1738 berufene Cinchona condaminea wächst, gehört zwar
in politischer Hinsicht zu Peru, aber beide liegen dicht an der Grenze
des Corregiments von Loxa und die China von Ayavaca wurde wie die
von Jaen sowohl unter dem Namen Cascarilla fina de Uritusinga ver-
k uft als auch in Payta eingeschifft.

Erst 1776 fing das eigentliche Verkehr mit peruanischer Fieberrinde
an. Don Francisco Renquifo entdeckte die C. nitida Ruiz eine der

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in Südamerika.
der Andaquie-Missionen angefangen, deren Überbleibsel wir noch gese-
hen haben. Im Jahr 1800 trug das spanische Gouvernement einem fran-
zösischen Arzte, Louis Derieux, auf, diese Pflanzungen fortzusetzen, die
einheimische Myristica zu kultiviren, und die allgemeine Aufsicht über
das Verpacken der Chinarinde in Neu-Grenada zu führen. Er erhielt
2000 Piaster Gehalt mit dem allgemeinen Titel eines Commissionado y
Encargado de investigaciones de historia Natural. en el Nuevo Reyno
de Grenada.
Er hatte so wenig botanische Kenntnisse als Lopez, war
aber ein Mann von vielem Geist und intellectueller Bildung. Er hatte
lange vorher in Santa Fe gelebt, von wo man ihn unter der falschen
Beschuldigung revolutionairer Gesinnungen in Ketten nach Carthagena,
von da in ein Gefängniſs nach Cadiz schleppte. Nach Anerkennung sei-
ner Unschuld gab ihm der Staatsminister Don Mariano de Urquijo jene
Aufsicht über die Chinawälder. Ich habe mit ihm die Reise auf dem
Magdalenenstrome gemacht, während welcher sein liebenswürdiger Sohn
mehrere Pflanzen für mich gezeichnet hat. Der Vater trat zwischen
Mutis und Lopez auf. Wie die specifiken Charaktere der Cinchona-
Arten in Madrid zwischen Zea, Ruiz und Pavon die bittersten Streitig-
keiten erregt haben, so ist die Fieberrinde in Santa Fe auch seit ihrer
ersten Auffindung ein gehässiger Gegenstand der Verfolgung gewesen.
Ich habe mit groſsem Miſsvergnügen erfahren, daſs Herr Derieux bald
nachdem ich Südamerika verlieſs, sein Jahrgehalt verloren hat, ja sogar
aufs neue gezwungen worden ist, das Vicekönigreich zu räumen, so daſs
die Chinabaume wiederum ohne eine Aufsicht wachsen, die freilich bis-
her ihre Vermehrung oder Erhaltung nicht befördert hat.

Wir haben in dieser einfachen Geschichtserzählung gezeigt, daſs bis
1772 alle Fieberrinde in den Wäldern von Loxa, Ayavaca und Jaen
de Bracamorros
gesammelt wurde, also bloſs zwischen dem 3ten und 5ten
Grade südlicher Breite, und daſs erst 1772 auf dem südamerikanischen
Continent heilsame Cinchona-Arten in der nördlichen Halbkugel benutzt
wurden, Cinchona-Arten, welche man zwischen dem 4° und 5° der Breite
entdeckte. Bis dahin kannte man noch keine in dem eigentlichen Peru,
besonders nicht in den der Hauptstadt Lima näher gelegenen Gebirgen.
Das Thal von Rio Calvas und das Dorf Ayavaca, in dessen Nähe vor-
trefliche schon 1738 berufene Cinchona condaminea wächst, gehört zwar
in politischer Hinsicht zu Peru, aber beide liegen dicht an der Grenze
des Corregiments von Loxa und die China von Ayavaca wurde wie die
von Jaen sowohl unter dem Namen Cascarilla fina de Uritusinga ver-
k uft als auch in Payta eingeschifft.

Erst 1776 fing das eigentliche Verkehr mit peruanischer Fieberrinde
an. Don Francisco Renquifo entdeckte die C. nitida Ruiz eine der

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die Chinawälder in Südamerika. In: Magazin für die neusten Entdeckungen in der gesammten Naturkunde, 1. Jg. (1807), S. 57-68, 104-120, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_chinawaelder_1807/10>, abgerufen am 26.04.2024.