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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.

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Die neueren Fortschritte der Geognosie, d. i. die erweiterte Kenntniß von den geognostischen Epochen, welche durch die mineralogische Verschiedenheit der Gebirgsformationen, durch die Eigenthümlichkeit und Reihefolge der Organismen, die sie enthalten, durch die Lagerung (Aufrichtung oder ungestörte Horizontalität der Schichten) charakterisirt werden; leiten uns, dem inneren Causalzusammenhang der Erscheinungen folgend, auf die räumliche Vertheilung der Feste und des Flüssigen, der Continente und der Meere, welche die Oberfläche unsers Planeten bilden. Wir deuten hier auf einen Verbindungspunkt zwischen der erdgeschichtlichen und der geographischen Geognosie, auf die Totalbetrachtung der Gestalt und Gliederung der Continente. Die Umgrenzung des Starren durch das Flüssige, das Areal-Verhältniß des einen zum anderen ist sehr verschieden gewesen in der langen Reihefolge der geognostischen Epochen: je nachdem Steinkohlenschichten sich horizontal an die aufgerichteten Schichten von Bergkalk und alten rothen Sandstein; Lias und Jura sich an das Gestade von Keuper und Muschelkalk; Kreide sich an die Abhänge von Grünsand und Jurakalk sedimentarisch angelehnt haben. Nennt man nun mit Elie de Beaumont Jura- und Kreide-Meere die Wasser, unter denen sich Jurakalk und Kreide schlammartig niederschlagen, so bezeichnen die Umrisse der eben genannten Formationen für zwei Epochen die Grenze zwischen dem noch steinbildenden Oceane und der schon trockengelegten Feste. Man hat den sinnreichen Gedanken gehabt, Carten für diesen physischen Theil der alten Geographie zu entwerfen: Carten, die vielleicht sicherer sind als die der

Die neueren Fortschritte der Geognosie, d. i. die erweiterte Kenntniß von den geognostischen Epochen, welche durch die mineralogische Verschiedenheit der Gebirgsformationen, durch die Eigenthümlichkeit und Reihefolge der Organismen, die sie enthalten, durch die Lagerung (Aufrichtung oder ungestörte Horizontalität der Schichten) charakterisirt werden; leiten uns, dem inneren Causalzusammenhang der Erscheinungen folgend, auf die räumliche Vertheilung der Feste und des Flüssigen, der Continente und der Meere, welche die Oberfläche unsers Planeten bilden. Wir deuten hier auf einen Verbindungspunkt zwischen der erdgeschichtlichen und der geographischen Geognosie, auf die Totalbetrachtung der Gestalt und Gliederung der Continente. Die Umgrenzung des Starren durch das Flüssige, das Areal-Verhältniß des einen zum anderen ist sehr verschieden gewesen in der langen Reihefolge der geognostischen Epochen: je nachdem Steinkohlenschichten sich horizontal an die aufgerichteten Schichten von Bergkalk und alten rothen Sandstein; Lias und Jura sich an das Gestade von Keuper und Muschelkalk; Kreide sich an die Abhänge von Grünsand und Jurakalk sedimentarisch angelehnt haben. Nennt man nun mit Elie de Beaumont Jura- und Kreide-Meere die Wasser, unter denen sich Jurakalk und Kreide schlammartig niederschlagen, so bezeichnen die Umrisse der eben genannten Formationen für zwei Epochen die Grenze zwischen dem noch steinbildenden Oceane und der schon trockengelegten Feste. Man hat den sinnreichen Gedanken gehabt, Carten für diesen physischen Theil der alten Geographie zu entwerfen: Carten, die vielleicht sicherer sind als die der

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[301/0320] Die neueren Fortschritte der Geognosie, d. i. die erweiterte Kenntniß von den geognostischen Epochen, welche durch die mineralogische Verschiedenheit der Gebirgsformationen, durch die Eigenthümlichkeit und Reihefolge der Organismen, die sie enthalten, durch die Lagerung (Aufrichtung oder ungestörte Horizontalität der Schichten) charakterisirt werden; leiten uns, dem inneren Causalzusammenhang der Erscheinungen folgend, auf die räumliche Vertheilung der Feste und des Flüssigen, der Continente und der Meere, welche die Oberfläche unsers Planeten bilden. Wir deuten hier auf einen Verbindungspunkt zwischen der erdgeschichtlichen und der geographischen Geognosie, auf die Totalbetrachtung der Gestalt und Gliederung der Continente. Die Umgrenzung des Starren durch das Flüssige, das Areal-Verhältniß des einen zum anderen ist sehr verschieden gewesen in der langen Reihefolge der geognostischen Epochen: je nachdem Steinkohlenschichten sich horizontal an die aufgerichteten Schichten von Bergkalk und alten rothen Sandstein; Lias und Jura sich an das Gestade von Keuper und Muschelkalk; Kreide sich an die Abhänge von Grünsand und Jurakalk sedimentarisch angelehnt haben. Nennt man nun mit Elie de Beaumont Jura- und Kreide-Meere die Wasser, unter denen sich Jurakalk und Kreide schlammartig niederschlagen, so bezeichnen die Umrisse der eben genannten Formationen für zwei Epochen die Grenze zwischen dem noch steinbildenden Oceane und der schon trockengelegten Feste. Man hat den sinnreichen Gedanken gehabt, Carten für diesen physischen Theil der alten Geographie zu entwerfen: Carten, die vielleicht sicherer sind als die der

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/320>, abgerufen am 13.05.2024.