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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.

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II, 13.), oder in dem unendlichen Weltraume viele einzelne Weltsysteme (Weltinseln) angenommen werden, deren jedes eine Sonne und einen Mond hat (Anaxag. Claz. fragm. p. 89, 93, 120. Brandis, Gesch. der Griechisch-Römischen Philosophie, Bd. 1. S. 252). Da jede Gruppe dann ein Kosmos wird, so ist das Weltall, to pan , ein höherer Begriff und von Kosmos verschieden (Plut. II, 1.). Für Erde wird das letzte Wort erst lange nach der Zeit der Ptolemäer gebraucht. Böckh hat Inschriften zum Lobe des Trajan und Hadrian bekannt gemacht (Corpus Inscr. Graec. T. I. nr. 334 und 1306), in denen kosmos an die Stelle von oikoumene tritt, ganz wie auch wir oft unter Welt die Erde allein verstehen. Die sonderbare, oben erwähnte Dreitheilung des Weltraumes in Olymp, Kosmos und Uranos (Stob. I. p. 488. Philolaos S. 94-102) bezieht sich auf die verschiedenen Regionen, welche den Heerd des Weltalls, die pythagoreische Estia tou pantos , umgeben. Die innerste Region zwischen Mond und Erde, das Gebiet des Veränderlichen, wird in dem Bruchstücke Uranos genannt. Das mittlere Gebiet, das der unveränderlich wohlgeordnet kreisenden Planeten, heißt nach einer sehr particulären Weltansicht ausschließlich Kosmos. Die äußerste Region, eine feurige, ist der Olymp. "Wenn man", bemerkt der tiefe Forscher der Sprachverwandtschaften, Bopp, "kosmos von der Sanskrit-Wurzel sud , purificari, ableitet, wie schon Pott gethan (Etymol. Forschungen Th. I. S. 39 und 252), so hat man in lautlicher Beziehung zu betrachten, 1) daß das griechische k (in kosmos) aus dem palatalen s, das Bopp durch s und Pott durch c ausdrücken, hervorgegangen ist, wie deka, decem, gothisch taihun, aus dem indischen dasan; 2) daß das indische d regelmäßig (Vergleichende Gramm. §. 99.) dem griechischen th entspricht, woraus das Verhältniß von kosmos (für kothmos) zur Skr. Wurzel sud , wovon auch katharos, klar wird. Ein anderer indischer Ausdruck für Welt ist gagat (spr. dschagat), was eigentlich das Gehende bedeutet, als Participium von gagami, ich gehe (aus der Wurzel ga)." In dem inneren Kreise des hellenischen Sprachzusammenhanges knüpft sich nach dem Etym. M. p. 532, 12 kosmos zunächst an kazo oder vielmehr kainumi (wovon kekasmenos oder kekadmenos) an. Hiermit verbindet Welcker (Eine kretische Col. in Theben S. 23) auch den
II, 13.), oder in dem unendlichen Weltraume viele einzelne Weltsysteme (Weltinseln) angenommen werden, deren jedes eine Sonne und einen Mond hat (Anaxag. Claz. fragm. p. 89, 93, 120. Brandis, Gesch. der Griechisch-Römischen Philosophie, Bd. 1. S. 252). Da jede Gruppe dann ein Kosmos wird, so ist das Weltall, τὸ πᾶν , ein höherer Begriff und von Kosmos verschieden (Plut. II, 1.). Für Erde wird das letzte Wort erst lange nach der Zeit der Ptolemäer gebraucht. Böckh hat Inschriften zum Lobe des Trajan und Hadrian bekannt gemacht (Corpus Inscr. Graec. T. I. nr. 334 und 1306), in denen κόσμος an die Stelle von οἰκουμένη tritt, ganz wie auch wir oft unter Welt die Erde allein verstehen. Die sonderbare, oben erwähnte Dreitheilung des Weltraumes in Olymp, Kosmos und Uranos (Stob. I. p. 488. Philolaos S. 94–102) bezieht sich auf die verschiedenen Regionen, welche den Heerd des Weltalls, die pythagoreische Ἑστία τοῦ παντός , umgeben. Die innerste Region zwischen Mond und Erde, das Gebiet des Veränderlichen, wird in dem Bruchstücke Uranos genannt. Das mittlere Gebiet, das der unveränderlich wohlgeordnet kreisenden Planeten, heißt nach einer sehr particulären Weltansicht ausschließlich Kosmos. Die äußerste Region, eine feurige, ist der Olymp. „Wenn man“, bemerkt der tiefe Forscher der Sprachverwandtschaften, Bopp, „κόσμος von der Sanskrit-Wurzel s͗ud ͑, purificari, ableitet, wie schon Pott gethan (Etymol. Forschungen Th. I. S. 39 und 252), so hat man in lautlicher Beziehung zu betrachten, 1) daß das griechische κ (in κόσμος) aus dem palatalen s, das Bopp durch s͗ und Pott durch ç ausdrücken, hervorgegangen ist, wie δέκα, decem, gothisch taihun, aus dem indischen das͗an; 2) daß das indische d ͑ regelmäßig (Vergleichende Gramm. §. 99.) dem griechischen θ entspricht, woraus das Verhältniß von κόσμος (für κόθμος) zur Skr. Wurzel s͗ud ͑, wovon auch καθαρός, klar wird. Ein anderer indischer Ausdruck für Welt ist ǵagat (spr. dschagat), was eigentlich das Gehende bedeutet, als Participium von gagâmi, ich gehe (aus der Wurzel gâ).“ In dem inneren Kreise des hellenischen Sprachzusammenhanges knüpft sich nach dem Etym. M. p. 532, 12 κόσμος zunächst an κάζω oder vielmehr καίνυμι (wovon κεκασμένος oder κεκαδμένος) an. Hiermit verbindet Welcker (Eine kretische Col. in Theben S. 23) auch den
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[77/0096] ⁹ II, 13.), oder in dem unendlichen Weltraume viele einzelne Weltsysteme (Weltinseln) angenommen werden, deren jedes eine Sonne und einen Mond hat (Anaxag. Claz. fragm. p. 89, 93, 120. Brandis, Gesch. der Griechisch-Römischen Philosophie, Bd. 1. S. 252). Da jede Gruppe dann ein Kosmos wird, so ist das Weltall, τὸ πᾶν , ein höherer Begriff und von Kosmos verschieden (Plut. II, 1.). Für Erde wird das letzte Wort erst lange nach der Zeit der Ptolemäer gebraucht. Böckh hat Inschriften zum Lobe des Trajan und Hadrian bekannt gemacht (Corpus Inscr. Graec. T. I. nr. 334 und 1306), in denen κόσμος an die Stelle von οἰκουμένη tritt, ganz wie auch wir oft unter Welt die Erde allein verstehen. Die sonderbare, oben erwähnte Dreitheilung des Weltraumes in Olymp, Kosmos und Uranos (Stob. I. p. 488. Philolaos S. 94–102) bezieht sich auf die verschiedenen Regionen, welche den Heerd des Weltalls, die pythagoreische Ἑστία τοῦ παντός , umgeben. Die innerste Region zwischen Mond und Erde, das Gebiet des Veränderlichen, wird in dem Bruchstücke Uranos genannt. Das mittlere Gebiet, das der unveränderlich wohlgeordnet kreisenden Planeten, heißt nach einer sehr particulären Weltansicht ausschließlich Kosmos. Die äußerste Region, eine feurige, ist der Olymp. „Wenn man“, bemerkt der tiefe Forscher der Sprachverwandtschaften, Bopp, „κόσμος von der Sanskrit-Wurzel s͗ud ͑, purificari, ableitet, wie schon Pott gethan (Etymol. Forschungen Th. I. S. 39 und 252), so hat man in lautlicher Beziehung zu betrachten, 1) daß das griechische κ (in κόσμος) aus dem palatalen s, das Bopp durch s͗ und Pott durch ç ausdrücken, hervorgegangen ist, wie δέκα, decem, gothisch taihun, aus dem indischen das͗an; 2) daß das indische d ͑ regelmäßig (Vergleichende Gramm. §. 99.) dem griechischen θ entspricht, woraus das Verhältniß von κόσμος (für κόθμος) zur Skr. Wurzel s͗ud ͑, wovon auch καθαρός, klar wird. Ein anderer indischer Ausdruck für Welt ist ǵagat (spr. dschagat), was eigentlich das Gehende bedeutet, als Participium von gagâmi, ich gehe (aus der Wurzel gâ).“ In dem inneren Kreise des hellenischen Sprachzusammenhanges knüpft sich nach dem Etym. M. p. 532, 12 κόσμος zunächst an κάζω oder vielmehr καίνυμι (wovon κεκασμένος oder κεκαδμένος) an. Hiermit verbindet Welcker (Eine kretische Col. in Theben S. 23) auch den

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/96>, abgerufen am 28.04.2024.