Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

zerstreuten sich die Nestorianer nach Persien, wo sie bald eine politische Wichtigkeit erlangten und ein neues, vielbesuchtes medicinisches Institut zu Dschondisapur in Khusistan stifteten. Es gelang ihnen ihre Kenntnisse und ihren Glauben gegen die Mitte des siebenten Jahrhunderts bis nach China unter der Dynastie der Thang zu verbreiten, 572 Jahre nachdem der Buddhismus dort aus Indien eingedrungen war.

Der Saamen abendländischer Cultur, in Persien durch gelehrte Mönche und durch die von Justinian verfolgten Philosophen der letzten platonischen Schule von Athen ausgestreuet, hatte einen wohlthätigen Einfluß auf die Araber während ihrer ersten asiatischen Feldzüge ausgeübt. So schwach auch die Kenntnisse der nestorianischen Priester mögen gewesen sein, so konnten sie doch, ihrer eigenthümlichen medicinisch-pharmaceutischen Richtung nach, anregend auf einen Menschenstamm wirken, der lange im Genuß der freien Natur gelebt und einen frischeren Sinn für jede Art der Naturanschauung bewahrte als die griechischen und italischen Städtebewohner. Was der Epoche der Araber die kosmische Wichtigkeit giebt, die wir hier hervorheben müssen, hängt großentheils mit dem eben bezeichneten Zuge ihres Nationalcharakters zusammen. Die Araber sind, wir wiederholen es, als die eigentlichen Gründer der physischen Wissenschaften zu betrachten, in der Bedeutung des Worts, welche wir ihm jetzt zu geben gewohnt sind.

Allerdings ist in der Gedankenwelt, bei der inneren Verkettung alles Gedachten, ein absoluter Anfang schwer an einen bestimmten Zeitabschnitt zu knüpfen. Einzelne Lichtpunkte des Wissens, wie der Processe, durch die das

zerstreuten sich die Nestorianer nach Persien, wo sie bald eine politische Wichtigkeit erlangten und ein neues, vielbesuchtes medicinisches Institut zu Dschondisapur in Khusistan stifteten. Es gelang ihnen ihre Kenntnisse und ihren Glauben gegen die Mitte des siebenten Jahrhunderts bis nach China unter der Dynastie der Thang zu verbreiten, 572 Jahre nachdem der Buddhismus dort aus Indien eingedrungen war.

Der Saamen abendländischer Cultur, in Persien durch gelehrte Mönche und durch die von Justinian verfolgten Philosophen der letzten platonischen Schule von Athen ausgestreuet, hatte einen wohlthätigen Einfluß auf die Araber während ihrer ersten asiatischen Feldzüge ausgeübt. So schwach auch die Kenntnisse der nestorianischen Priester mögen gewesen sein, so konnten sie doch, ihrer eigenthümlichen medicinisch-pharmaceutischen Richtung nach, anregend auf einen Menschenstamm wirken, der lange im Genuß der freien Natur gelebt und einen frischeren Sinn für jede Art der Naturanschauung bewahrte als die griechischen und italischen Städtebewohner. Was der Epoche der Araber die kosmische Wichtigkeit giebt, die wir hier hervorheben müssen, hängt großentheils mit dem eben bezeichneten Zuge ihres Nationalcharakters zusammen. Die Araber sind, wir wiederholen es, als die eigentlichen Gründer der physischen Wissenschaften zu betrachten, in der Bedeutung des Worts, welche wir ihm jetzt zu geben gewohnt sind.

Allerdings ist in der Gedankenwelt, bei der inneren Verkettung alles Gedachten, ein absoluter Anfang schwer an einen bestimmten Zeitabschnitt zu knüpfen. Einzelne Lichtpunkte des Wissens, wie der Processe, durch die das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0253" n="248"/>
zerstreuten sich die Nestorianer nach Persien, wo sie bald eine politische Wichtigkeit erlangten und ein neues, vielbesuchtes medicinisches Institut zu Dschondisapur in Khusistan stifteten. Es gelang ihnen ihre Kenntnisse und ihren Glauben gegen die Mitte des siebenten Jahrhunderts bis nach China unter der Dynastie der Thang zu verbreiten, 572 Jahre nachdem der Buddhismus dort aus Indien eingedrungen war.</p>
              <p>Der Saamen abendländischer Cultur, in Persien durch gelehrte Mönche und durch die von Justinian verfolgten Philosophen der letzten platonischen Schule von Athen ausgestreuet, hatte einen wohlthätigen Einfluß auf die Araber während ihrer ersten asiatischen Feldzüge ausgeübt. So schwach auch die Kenntnisse der nestorianischen Priester mögen gewesen sein, so konnten sie doch, ihrer eigenthümlichen medicinisch-pharmaceutischen Richtung nach, anregend auf einen Menschenstamm wirken, der lange im Genuß der freien Natur gelebt und einen frischeren Sinn für jede Art der Naturanschauung bewahrte als die griechischen und italischen Städtebewohner. Was der Epoche der Araber die kosmische Wichtigkeit giebt, die wir hier hervorheben müssen, hängt großentheils mit dem eben bezeichneten Zuge ihres Nationalcharakters zusammen. Die Araber sind, wir wiederholen es, als die eigentlichen Gründer der <hi rendition="#g">physischen Wissenschaften</hi> zu betrachten, in der Bedeutung des Worts, welche wir ihm jetzt zu geben gewohnt sind.</p>
              <p>Allerdings ist in der Gedankenwelt, bei der inneren Verkettung alles Gedachten, ein absoluter Anfang schwer an einen bestimmten Zeitabschnitt zu knüpfen. Einzelne Lichtpunkte des Wissens, wie der Processe, durch die das
</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[248/0253] zerstreuten sich die Nestorianer nach Persien, wo sie bald eine politische Wichtigkeit erlangten und ein neues, vielbesuchtes medicinisches Institut zu Dschondisapur in Khusistan stifteten. Es gelang ihnen ihre Kenntnisse und ihren Glauben gegen die Mitte des siebenten Jahrhunderts bis nach China unter der Dynastie der Thang zu verbreiten, 572 Jahre nachdem der Buddhismus dort aus Indien eingedrungen war. Der Saamen abendländischer Cultur, in Persien durch gelehrte Mönche und durch die von Justinian verfolgten Philosophen der letzten platonischen Schule von Athen ausgestreuet, hatte einen wohlthätigen Einfluß auf die Araber während ihrer ersten asiatischen Feldzüge ausgeübt. So schwach auch die Kenntnisse der nestorianischen Priester mögen gewesen sein, so konnten sie doch, ihrer eigenthümlichen medicinisch-pharmaceutischen Richtung nach, anregend auf einen Menschenstamm wirken, der lange im Genuß der freien Natur gelebt und einen frischeren Sinn für jede Art der Naturanschauung bewahrte als die griechischen und italischen Städtebewohner. Was der Epoche der Araber die kosmische Wichtigkeit giebt, die wir hier hervorheben müssen, hängt großentheils mit dem eben bezeichneten Zuge ihres Nationalcharakters zusammen. Die Araber sind, wir wiederholen es, als die eigentlichen Gründer der physischen Wissenschaften zu betrachten, in der Bedeutung des Worts, welche wir ihm jetzt zu geben gewohnt sind. Allerdings ist in der Gedankenwelt, bei der inneren Verkettung alles Gedachten, ein absoluter Anfang schwer an einen bestimmten Zeitabschnitt zu knüpfen. Einzelne Lichtpunkte des Wissens, wie der Processe, durch die das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/253
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/253>, abgerufen am 01.05.2024.