Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

doch ist die Thiergeschichte des Avicenna, welche die königliche Bibliothek zu Paris99 besitzt, von der des Aristoteles verschieden. Als Botaniker ist Ibn-Baithar aus Malaga100 zu nennen, den man wegen seiner Reisen in Griechenland, Persien, Indien und Aegypten auch als ein Beispiel von dem Streben ansehen kann durch eigene Beobachtungen die Erzeugnisse verschiedener Zonen des Morgen- und Abendlandes mit einander zu vergleichen. Der Ausgangspunkt aller dieser Bestrebungen war aber immer die Arzneimittelkunde, durch welche die Araber die christlichen Schulen lange beherrschten und zu deren Ausbildung Ibn-Sina (Avicenna), aus Afschena bei Bochara gebürtig, Ibn-Roschd (Averroes) aus Cordova, der jüngere Serapion aus Syrien und Mesue aus Maridin am Euphrat alles benutzten, was der arabische Caravanen- und Seehandel darbieten konnten. Ich nenne geflissentlich weit von einander entfernte Geburtsörter berühmter arabischer Gelehrten, weil diese Geburtsörter recht lebhaft daran erinnern, wie das Naturwissen sich durch die eigenthümliche Geistesrichtung des Stammes über einen großen Erdraum erstreckte, wie durch gleichzeitige Thätigkeit sich der Kreis der Ansichten erweitert hatte.

In diesen Kreis wurde auch das Wissen eines älteren Culturvolkes, das der Inder, gezogen, da unter dem Chalifate von Harun Al-Raschid mehrere wichtige Werke, wahrscheinlich die unter den halb fabelhaften Namen des Tscharaka und Susruta1 bekannten, aus dem Sanskrit in das Arabische übersetzt wurden. Avicenna, ein vielumfassender Geist, den man oft mit Albert dem Großen verglichen, giebt in seiner Materia medica selbst einen

doch ist die Thiergeschichte des Avicenna, welche die königliche Bibliothek zu Paris99 besitzt, von der des Aristoteles verschieden. Als Botaniker ist Ibn-Baithar aus Malaga100 zu nennen, den man wegen seiner Reisen in Griechenland, Persien, Indien und Aegypten auch als ein Beispiel von dem Streben ansehen kann durch eigene Beobachtungen die Erzeugnisse verschiedener Zonen des Morgen- und Abendlandes mit einander zu vergleichen. Der Ausgangspunkt aller dieser Bestrebungen war aber immer die Arzneimittelkunde, durch welche die Araber die christlichen Schulen lange beherrschten und zu deren Ausbildung Ibn-Sina (Avicenna), aus Afschena bei Bochara gebürtig, Ibn-Roschd (Averroes) aus Cordova, der jüngere Serapion aus Syrien und Mesue aus Maridin am Euphrat alles benutzten, was der arabische Caravanen- und Seehandel darbieten konnten. Ich nenne geflissentlich weit von einander entfernte Geburtsörter berühmter arabischer Gelehrten, weil diese Geburtsörter recht lebhaft daran erinnern, wie das Naturwissen sich durch die eigenthümliche Geistesrichtung des Stammes über einen großen Erdraum erstreckte, wie durch gleichzeitige Thätigkeit sich der Kreis der Ansichten erweitert hatte.

In diesen Kreis wurde auch das Wissen eines älteren Culturvolkes, das der Inder, gezogen, da unter dem Chalifate von Harun Al-Raschid mehrere wichtige Werke, wahrscheinlich die unter den halb fabelhaften Namen des Tscharaka und Susruta1 bekannten, aus dem Sanskrit in das Arabische übersetzt wurden. Avicenna, ein vielumfassender Geist, den man oft mit Albert dem Großen verglichen, giebt in seiner Materia medica selbst einen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0260" n="255"/>
doch ist die Thiergeschichte des Avicenna, welche die königliche Bibliothek zu Paris<note xml:id="ftn338" next="ftn338-text" place="end" n="99"/> besitzt, von der des Aristoteles verschieden. Als Botaniker ist Ibn-Baithar aus Malaga<note xml:id="ftn339" next="ftn339-text" place="end" n="100"/> zu nennen, den man wegen seiner Reisen in Griechenland, Persien, Indien und Aegypten auch als ein Beispiel von dem Streben ansehen kann durch eigene Beobachtungen die Erzeugnisse verschiedener Zonen des Morgen- und Abendlandes mit einander zu vergleichen. Der Ausgangspunkt aller dieser Bestrebungen war aber immer die <hi rendition="#g">Arzneimittelkunde,</hi> durch welche die Araber die christlichen Schulen lange beherrschten und zu deren Ausbildung Ibn-Sina (Avicenna), aus Afschena bei Bochara gebürtig, Ibn-Roschd (Averroes) aus Cordova, der jüngere Serapion aus Syrien und Mesue aus Maridin am Euphrat alles benutzten, was der arabische Caravanen- und Seehandel darbieten konnten. Ich nenne geflissentlich weit von einander entfernte Geburtsörter berühmter arabischer Gelehrten, weil diese Geburtsörter recht lebhaft daran erinnern, wie das Naturwissen sich durch die eigenthümliche Geistesrichtung des Stammes über einen großen Erdraum erstreckte, wie durch gleichzeitige Thätigkeit sich der Kreis der Ansichten erweitert hatte.</p>
              <p>In diesen Kreis wurde auch das Wissen eines älteren Culturvolkes, das der Inder, gezogen, da unter dem Chalifate von Harun Al-Raschid mehrere wichtige Werke, wahrscheinlich die unter den halb fabelhaften Namen des <hi rendition="#g">Tscharaka</hi> und <hi rendition="#g">Susruta</hi><note xml:id="ftn340" next="ftn340-text" place="end" n="1"/> bekannten, aus dem Sanskrit in das Arabische übersetzt wurden. Avicenna, ein vielumfassender Geist, den man oft mit Albert dem Großen verglichen, giebt in seiner <hi rendition="#g">Materia medica</hi> selbst einen
</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0260] doch ist die Thiergeschichte des Avicenna, welche die königliche Bibliothek zu Paris ⁹⁹ besitzt, von der des Aristoteles verschieden. Als Botaniker ist Ibn-Baithar aus Malaga ¹⁰⁰ zu nennen, den man wegen seiner Reisen in Griechenland, Persien, Indien und Aegypten auch als ein Beispiel von dem Streben ansehen kann durch eigene Beobachtungen die Erzeugnisse verschiedener Zonen des Morgen- und Abendlandes mit einander zu vergleichen. Der Ausgangspunkt aller dieser Bestrebungen war aber immer die Arzneimittelkunde, durch welche die Araber die christlichen Schulen lange beherrschten und zu deren Ausbildung Ibn-Sina (Avicenna), aus Afschena bei Bochara gebürtig, Ibn-Roschd (Averroes) aus Cordova, der jüngere Serapion aus Syrien und Mesue aus Maridin am Euphrat alles benutzten, was der arabische Caravanen- und Seehandel darbieten konnten. Ich nenne geflissentlich weit von einander entfernte Geburtsörter berühmter arabischer Gelehrten, weil diese Geburtsörter recht lebhaft daran erinnern, wie das Naturwissen sich durch die eigenthümliche Geistesrichtung des Stammes über einen großen Erdraum erstreckte, wie durch gleichzeitige Thätigkeit sich der Kreis der Ansichten erweitert hatte. In diesen Kreis wurde auch das Wissen eines älteren Culturvolkes, das der Inder, gezogen, da unter dem Chalifate von Harun Al-Raschid mehrere wichtige Werke, wahrscheinlich die unter den halb fabelhaften Namen des Tscharaka und Susruta ¹ bekannten, aus dem Sanskrit in das Arabische übersetzt wurden. Avicenna, ein vielumfassender Geist, den man oft mit Albert dem Großen verglichen, giebt in seiner Materia medica selbst einen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/260
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/260>, abgerufen am 01.05.2024.