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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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sich in einen kurzen Zeitraum zusammendrängen; so sehen wir diese Erscheinung auf die auffallendste Weise in dem ersten Decennium des 17ten Jahrhunderts wiederholt. Tycho, der Gründer der neueren messenden Astronomie, Kepler, Galilei und Bacon von Verulam sind Zeitgenossen. Alle, außer Tycho, haben in reifen Jahren noch die Arbeiten von Descartes und Fermat erlebt. Die Grundzüge von Bacon's Instauratio Magna erschienen in englischer Sprache schon 1605, funfzehn Jahre vor dem Novum Organon. Die Erfindung des Fernrohrs und die größten Entdeckungen der physischen Astronomie (Jupiterstrabanten, Sonnenflecken, Phasen der Venus, Wundergestalt des Saturn) fallen zwischen die Jahre 1609 und 1612. Kepler's Speculationen über die elliptische40 Marsbahn beginnen 1601 und geben Anlaß zu der acht Jahre darauf vollendeten Astronomia nova seu Physica coelestis. "Durch das Studium der Bahn des Planeten Mars", schreibt Kepler, "müssen wir zu den Geheimnissen der Astronomie gelangen oder wir bleiben in derselben auf immer unwissend. Es ist mir durch hartnäckig fortgesetzte Arbeit gelungen die Ungleichheiten der Bewegung des Mars Einem Naturgesetz zu unterwerfen." Die Verallgemeinerung desselben Gedankens hat Kepler zu den großen Wahrheiten und kosmischen Ahndungen geführt, die der phantasiereiche Mann zehn Jahre später in seiner Weltharmonie (Harmonices Mundi libri quinque) dargelegt. "Ich glaube", sagt Kepler schön in einem Briefe an den dänischen Astronomen Longomontanus, "daß Astronomie und Physik so genau mit einander verknüpft sind, daß keine ohne die andere vervollkommnet werden kann." Auch erschienen die Früchte seiner Arbeiten über die Structur

sich in einen kurzen Zeitraum zusammendrängen; so sehen wir diese Erscheinung auf die auffallendste Weise in dem ersten Decennium des 17ten Jahrhunderts wiederholt. Tycho, der Gründer der neueren messenden Astronomie, Kepler, Galilei und Bacon von Verulam sind Zeitgenossen. Alle, außer Tycho, haben in reifen Jahren noch die Arbeiten von Descartes und Fermat erlebt. Die Grundzüge von Bacon's Instauratio Magna erschienen in englischer Sprache schon 1605, funfzehn Jahre vor dem Novum Organon. Die Erfindung des Fernrohrs und die größten Entdeckungen der physischen Astronomie (Jupiterstrabanten, Sonnenflecken, Phasen der Venus, Wundergestalt des Saturn) fallen zwischen die Jahre 1609 und 1612. Kepler's Speculationen über die elliptische40 Marsbahn beginnen 1601 und geben Anlaß zu der acht Jahre darauf vollendeten Astronomia nova seu Physica coelestis. „Durch das Studium der Bahn des Planeten Mars", schreibt Kepler, „müssen wir zu den Geheimnissen der Astronomie gelangen oder wir bleiben in derselben auf immer unwissend. Es ist mir durch hartnäckig fortgesetzte Arbeit gelungen die Ungleichheiten der Bewegung des Mars Einem Naturgesetz zu unterwerfen." Die Verallgemeinerung desselben Gedankens hat Kepler zu den großen Wahrheiten und kosmischen Ahndungen geführt, die der phantasiereiche Mann zehn Jahre später in seiner Weltharmonie (Harmonices Mundi libri quinque) dargelegt. „Ich glaube", sagt Kepler schön in einem Briefe an den dänischen Astronomen Longomontanus, „daß Astronomie und Physik so genau mit einander verknüpft sind, daß keine ohne die andere vervollkommnet werden kann." Auch erschienen die Früchte seiner Arbeiten über die Structur

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sich in einen kurzen Zeitraum zusammendrängen; so sehen wir diese Erscheinung auf die auffallendste Weise in dem ersten Decennium des 17ten Jahrhunderts wiederholt. Tycho, der Gründer der neueren messenden Astronomie, Kepler, Galilei und Bacon von Verulam sind Zeitgenossen. Alle, außer Tycho, haben in reifen Jahren noch die Arbeiten von Descartes und Fermat erlebt. Die Grundzüge von Bacon's <hi rendition="#g">Instauratio Magna</hi> erschienen in englischer Sprache schon 1605, funfzehn Jahre vor dem <hi rendition="#g">Novum Organon.</hi> Die Erfindung des Fernrohrs und die größten Entdeckungen der physischen Astronomie (Jupiterstrabanten, Sonnenflecken, Phasen der Venus, Wundergestalt des Saturn) fallen zwischen die Jahre 1609 und 1612. Kepler's Speculationen über die elliptische<note xml:id="ftn479" next="ftn479-text" place="end" n="40"/> Marsbahn beginnen 1601 und geben Anlaß zu der acht Jahre darauf vollendeten <hi rendition="#g">Astronomia nova seu Physica coelestis.</hi> &#x201E;Durch das Studium der Bahn des Planeten Mars", schreibt Kepler, &#x201E;müssen wir zu den Geheimnissen der Astronomie gelangen oder wir bleiben in derselben auf immer unwissend. Es ist mir durch hartnäckig fortgesetzte Arbeit gelungen die Ungleichheiten der Bewegung des Mars Einem Naturgesetz zu unterwerfen." Die Verallgemeinerung desselben Gedankens hat Kepler zu den großen Wahrheiten und kosmischen Ahndungen geführt, die der phantasiereiche Mann zehn Jahre später in seiner <hi rendition="#g">Weltharmonie (Harmonices Mundi libri quinque)</hi> dargelegt. &#x201E;Ich glaube", sagt Kepler schön in einem Briefe an den dänischen Astronomen Longomontanus, &#x201E;daß Astronomie und Physik so genau mit einander verknüpft sind, daß keine ohne die andere vervollkommnet werden kann." Auch erschienen die Früchte seiner Arbeiten über die Structur
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[354/0359] sich in einen kurzen Zeitraum zusammendrängen; so sehen wir diese Erscheinung auf die auffallendste Weise in dem ersten Decennium des 17ten Jahrhunderts wiederholt. Tycho, der Gründer der neueren messenden Astronomie, Kepler, Galilei und Bacon von Verulam sind Zeitgenossen. Alle, außer Tycho, haben in reifen Jahren noch die Arbeiten von Descartes und Fermat erlebt. Die Grundzüge von Bacon's Instauratio Magna erschienen in englischer Sprache schon 1605, funfzehn Jahre vor dem Novum Organon. Die Erfindung des Fernrohrs und die größten Entdeckungen der physischen Astronomie (Jupiterstrabanten, Sonnenflecken, Phasen der Venus, Wundergestalt des Saturn) fallen zwischen die Jahre 1609 und 1612. Kepler's Speculationen über die elliptische ⁴⁰ Marsbahn beginnen 1601 und geben Anlaß zu der acht Jahre darauf vollendeten Astronomia nova seu Physica coelestis. „Durch das Studium der Bahn des Planeten Mars", schreibt Kepler, „müssen wir zu den Geheimnissen der Astronomie gelangen oder wir bleiben in derselben auf immer unwissend. Es ist mir durch hartnäckig fortgesetzte Arbeit gelungen die Ungleichheiten der Bewegung des Mars Einem Naturgesetz zu unterwerfen." Die Verallgemeinerung desselben Gedankens hat Kepler zu den großen Wahrheiten und kosmischen Ahndungen geführt, die der phantasiereiche Mann zehn Jahre später in seiner Weltharmonie (Harmonices Mundi libri quinque) dargelegt. „Ich glaube", sagt Kepler schön in einem Briefe an den dänischen Astronomen Longomontanus, „daß Astronomie und Physik so genau mit einander verknüpft sind, daß keine ohne die andere vervollkommnet werden kann." Auch erschienen die Früchte seiner Arbeiten über die Structur

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/359>, abgerufen am 08.05.2024.