Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

der unmittelbaren Sinnesanschauung Kepler vorzugsweise genannt habe, so war es, um daran zu erinnern, wie sich in diesem großen, herrlich begabten und wunderbaren Manne jener Hang zu phantasiereichen Combinationen mit einem ausgezeichneten Beobachtungstalente und einer ernsten, strengen Inductionsmethode, mit einer muthigen, fast beispiellosen Beharrlichkeit im Rechnen, mit einem mathematischen Tiefsinne vereinigt fand, der, in der Stereometria doliorum offenbart, auf Fermat und durch diesen auf die Erfindung der Rechnung des Unendlichen einen glücklichen Einfluß ausgeübt hat.55 Ein solcher Geist56 war recht vorzugsweise vor allen dazu geeignet, durch den Reichthum und die Beweglichkeit seiner Ideen, ja durch die Wagnisse cosmologischer Ahndungen Leben um sich her zu verbreiten, die Bewegung zu vermehren, welche das siebzehnte Jahrhundert unaufhaltsam seinem erhabenen Ziele erweiterter Weltanschauung zuführte.

Die vielen dem Auge sichtbaren Cometen von 1577 an bis zu der Erscheinung des Halley'schen Cometen 1607 (acht an der Zahl) und das bereits oben erwähnte Erscheinen von drei neuen Sternen fast in derselben Periode regten zu Speculationen über die Entstehung dieser Weltkörper aus einem die Himmelsräume füllenden kosmischen Nebel und Weltdunste an. Kepler glaubte, wie Tycho, daß die neuen Sterne sich aus diesem Weltdunste zusammengeballt und daß sie sich in ihn wieder auflösen.57 Auch die Cometen, denen er, vor der thatsächlichen Ergründung der elliptischen Bahn der Planeten, eine geradlinige, nicht in sich wiederkehrende und geschlossene Bahn zuschrieb, ließ er (1608) in seinem neuen und seltsamen Discurse

der unmittelbaren Sinnesanschauung Kepler vorzugsweise genannt habe, so war es, um daran zu erinnern, wie sich in diesem großen, herrlich begabten und wunderbaren Manne jener Hang zu phantasiereichen Combinationen mit einem ausgezeichneten Beobachtungstalente und einer ernsten, strengen Inductionsmethode, mit einer muthigen, fast beispiellosen Beharrlichkeit im Rechnen, mit einem mathematischen Tiefsinne vereinigt fand, der, in der Stereometria doliorum offenbart, auf Fermat und durch diesen auf die Erfindung der Rechnung des Unendlichen einen glücklichen Einfluß ausgeübt hat.55 Ein solcher Geist56 war recht vorzugsweise vor allen dazu geeignet, durch den Reichthum und die Beweglichkeit seiner Ideen, ja durch die Wagnisse cosmologischer Ahndungen Leben um sich her zu verbreiten, die Bewegung zu vermehren, welche das siebzehnte Jahrhundert unaufhaltsam seinem erhabenen Ziele erweiterter Weltanschauung zuführte.

Die vielen dem Auge sichtbaren Cometen von 1577 an bis zu der Erscheinung des Halley'schen Cometen 1607 (acht an der Zahl) und das bereits oben erwähnte Erscheinen von drei neuen Sternen fast in derselben Periode regten zu Speculationen über die Entstehung dieser Weltkörper aus einem die Himmelsräume füllenden kosmischen Nebel und Weltdunste an. Kepler glaubte, wie Tycho, daß die neuen Sterne sich aus diesem Weltdunste zusammengeballt und daß sie sich in ihn wieder auflösen.57 Auch die Cometen, denen er, vor der thatsächlichen Ergründung der elliptischen Bahn der Planeten, eine geradlinige, nicht in sich wiederkehrende und geschlossene Bahn zuschrieb, ließ er (1608) in seinem neuen und seltsamen Discurse

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0369" n="364"/>
der unmittelbaren Sinnesanschauung Kepler vorzugsweise genannt habe, so war es, um daran zu erinnern, wie sich in diesem großen, herrlich begabten und wunderbaren Manne jener Hang zu phantasiereichen Combinationen mit einem ausgezeichneten Beobachtungstalente und einer ernsten, strengen Inductionsmethode, mit einer muthigen, fast beispiellosen Beharrlichkeit im Rechnen, mit einem mathematischen Tiefsinne vereinigt fand, der, in der <hi rendition="#g">Stereometria doliorum</hi> offenbart, auf Fermat und durch diesen auf die Erfindung der <hi rendition="#g">Rechnung des Unendlichen</hi> einen glücklichen Einfluß ausgeübt hat.<note xml:id="ftn494" next="ftn494-text" place="end" n="55"/> Ein solcher Geist<note xml:id="ftn495" next="ftn495-text" place="end" n="56"/> war recht vorzugsweise vor allen dazu geeignet, durch den Reichthum und die Beweglichkeit seiner Ideen, ja durch die Wagnisse cosmologischer Ahndungen Leben um sich her zu verbreiten, die Bewegung zu vermehren, welche das siebzehnte Jahrhundert unaufhaltsam seinem erhabenen Ziele erweiterter Weltanschauung zuführte.</p>
              <p>Die vielen dem Auge sichtbaren Cometen von 1577 an bis zu der Erscheinung des Halley'schen Cometen 1607 (acht an der Zahl) und das bereits oben erwähnte Erscheinen von drei neuen Sternen fast in derselben Periode regten zu Speculationen über die Entstehung dieser Weltkörper aus einem die Himmelsräume füllenden <hi rendition="#g">kosmischen Nebel</hi> und <hi rendition="#g">Weltdunste</hi> an. Kepler glaubte, wie Tycho, daß die neuen Sterne sich aus diesem Weltdunste zusammengeballt und daß sie sich in ihn wieder auflösen.<note xml:id="ftn496" next="ftn496-text" place="end" n="57"/> Auch die Cometen, denen er, vor der thatsächlichen Ergründung der elliptischen Bahn der Planeten, eine <hi rendition="#g">geradlinige,</hi> nicht in sich wiederkehrende und geschlossene Bahn zuschrieb, ließ er (1608) in seinem <hi rendition="#g">neuen und seltsamen Discurse
</hi></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[364/0369] der unmittelbaren Sinnesanschauung Kepler vorzugsweise genannt habe, so war es, um daran zu erinnern, wie sich in diesem großen, herrlich begabten und wunderbaren Manne jener Hang zu phantasiereichen Combinationen mit einem ausgezeichneten Beobachtungstalente und einer ernsten, strengen Inductionsmethode, mit einer muthigen, fast beispiellosen Beharrlichkeit im Rechnen, mit einem mathematischen Tiefsinne vereinigt fand, der, in der Stereometria doliorum offenbart, auf Fermat und durch diesen auf die Erfindung der Rechnung des Unendlichen einen glücklichen Einfluß ausgeübt hat. ⁵⁵ Ein solcher Geist ⁵⁶ war recht vorzugsweise vor allen dazu geeignet, durch den Reichthum und die Beweglichkeit seiner Ideen, ja durch die Wagnisse cosmologischer Ahndungen Leben um sich her zu verbreiten, die Bewegung zu vermehren, welche das siebzehnte Jahrhundert unaufhaltsam seinem erhabenen Ziele erweiterter Weltanschauung zuführte. Die vielen dem Auge sichtbaren Cometen von 1577 an bis zu der Erscheinung des Halley'schen Cometen 1607 (acht an der Zahl) und das bereits oben erwähnte Erscheinen von drei neuen Sternen fast in derselben Periode regten zu Speculationen über die Entstehung dieser Weltkörper aus einem die Himmelsräume füllenden kosmischen Nebel und Weltdunste an. Kepler glaubte, wie Tycho, daß die neuen Sterne sich aus diesem Weltdunste zusammengeballt und daß sie sich in ihn wieder auflösen. ⁵⁷ Auch die Cometen, denen er, vor der thatsächlichen Ergründung der elliptischen Bahn der Planeten, eine geradlinige, nicht in sich wiederkehrende und geschlossene Bahn zuschrieb, ließ er (1608) in seinem neuen und seltsamen Discurse

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/369
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/369>, abgerufen am 07.05.2024.