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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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fachheit des Ausdrucks beschrieb, die nur diejenigen ganz zu schätzen vermögen, welche mit der alten Kraft der Sprache jener Zeit vertraut sind.

Die physiognomische Gestaltung der Pflanzen, das undurchdringliche Dickicht der Wälder, "in denen man kaum unterscheiden kann, welche Blüthen und Blätter jedem Stamme zugehören", die wilde Ueppigkeit des krautbedeckten Bodens der feuchten Ufer, die rosenfarbigen Flamingos, welche fischend schon am frühen Morgen die Mündung der Flüsse beleben, beschäftigen den alten Seemann, als er längs den Küsten von Cuba, zwischen den kleinen lucayischen Inseln und den, auch von mir besuchten Jardinillos hinfuhr. Jedes neu entdeckte Land scheint ihm noch schöner als das früher beschriebene; er beklagt, nicht Worte zu finden, um die süßen Eindrücke wiederzugeben, die er empfangen. Mit der Kräuterkunde völlig unbekannt, wenn gleich durch Einfluß arabischer und jüdischer Aerzte sich damals schon einige oberflächliche Kenntniß der Gewächse in Spanien verbreitet hatte, treibt das einfache Naturgefühl den Entdecker an, alles fremdartige einzeln aufzufassen. Er unterscheidet in Cuba schon sieben oder acht verschiedene Palmenarten, die schöner und höher als die Dattelpalme sind (variedades de palmas superiores a las nuestras en su belleza y altura), er meldet seinem geistreichen Freunde Anghiera, daß er in derselben Ebene Tannen und Palmen zusammengruppirt, palmeta und pineta wundervoll gemengt gesehen; er betrachtet die Vegetation mit solchem Scharfblick, daß er zuerst bemerkt, es gebe im Cibao auf den Bergen Pinien, deren Früchte nicht Tannenzapfen sind, sondern Beeren wie die Oliven des Axarafe de Sevilla. Columbus

fachheit des Ausdrucks beschrieb, die nur diejenigen ganz zu schätzen vermögen, welche mit der alten Kraft der Sprache jener Zeit vertraut sind.

Die physiognomische Gestaltung der Pflanzen, das undurchdringliche Dickicht der Wälder, „in denen man kaum unterscheiden kann, welche Blüthen und Blätter jedem Stamme zugehören", die wilde Ueppigkeit des krautbedeckten Bodens der feuchten Ufer, die rosenfarbigen Flamingos, welche fischend schon am frühen Morgen die Mündung der Flüsse beleben, beschäftigen den alten Seemann, als er längs den Küsten von Cuba, zwischen den kleinen lucayischen Inseln und den, auch von mir besuchten Jardinillos hinfuhr. Jedes neu entdeckte Land scheint ihm noch schöner als das früher beschriebene; er beklagt, nicht Worte zu finden, um die süßen Eindrücke wiederzugeben, die er empfangen. Mit der Kräuterkunde völlig unbekannt, wenn gleich durch Einfluß arabischer und jüdischer Aerzte sich damals schon einige oberflächliche Kenntniß der Gewächse in Spanien verbreitet hatte, treibt das einfache Naturgefühl den Entdecker an, alles fremdartige einzeln aufzufassen. Er unterscheidet in Cuba schon sieben oder acht verschiedene Palmenarten, die schöner und höher als die Dattelpalme sind (variedades de palmas superiores a las nuestras en su belleza y altura), er meldet seinem geistreichen Freunde Anghiera, daß er in derselben Ebene Tannen und Palmen zusammengruppirt, palmeta und pineta wundervoll gemengt gesehen; er betrachtet die Vegetation mit solchem Scharfblick, daß er zuerst bemerkt, es gebe im Cibao auf den Bergen Pinien, deren Früchte nicht Tannenzapfen sind, sondern Beeren wie die Oliven des Axarafe de Sevilla. Columbus

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[56/0061] fachheit des Ausdrucks beschrieb, die nur diejenigen ganz zu schätzen vermögen, welche mit der alten Kraft der Sprache jener Zeit vertraut sind. Die physiognomische Gestaltung der Pflanzen, das undurchdringliche Dickicht der Wälder, „in denen man kaum unterscheiden kann, welche Blüthen und Blätter jedem Stamme zugehören", die wilde Ueppigkeit des krautbedeckten Bodens der feuchten Ufer, die rosenfarbigen Flamingos, welche fischend schon am frühen Morgen die Mündung der Flüsse beleben, beschäftigen den alten Seemann, als er längs den Küsten von Cuba, zwischen den kleinen lucayischen Inseln und den, auch von mir besuchten Jardinillos hinfuhr. Jedes neu entdeckte Land scheint ihm noch schöner als das früher beschriebene; er beklagt, nicht Worte zu finden, um die süßen Eindrücke wiederzugeben, die er empfangen. Mit der Kräuterkunde völlig unbekannt, wenn gleich durch Einfluß arabischer und jüdischer Aerzte sich damals schon einige oberflächliche Kenntniß der Gewächse in Spanien verbreitet hatte, treibt das einfache Naturgefühl den Entdecker an, alles fremdartige einzeln aufzufassen. Er unterscheidet in Cuba schon sieben oder acht verschiedene Palmenarten, die schöner und höher als die Dattelpalme sind (variedades de palmas superiores a las nuestras en su belleza y altura), er meldet seinem geistreichen Freunde Anghiera, daß er in derselben Ebene Tannen und Palmen zusammengruppirt, palmeta und pineta wundervoll gemengt gesehen; er betrachtet die Vegetation mit solchem Scharfblick, daß er zuerst bemerkt, es gebe im Cibao auf den Bergen Pinien, deren Früchte nicht Tannenzapfen sind, sondern Beeren wie die Oliven des Axarafe de Sevilla. Columbus

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/61>, abgerufen am 29.04.2024.