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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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der Umgebung und die hülflose Abgeschiedenheit der Seefahrer isoliren dann das Bild und wirken um so anregender auf die Einbildungskraft.

Wenn es nun nach den vorliegenden Betrachtungen unläugbar ist, daß in den neueren Reisebeschreibungen das Element der Handlung in den Hintergrund tritt, daß sie der größeren Zahl nach nur ein Mittel geworden sind Natur- und Sitten-Beobachtungen der Zeitfolge nach an einander zu ketten, so bieten sie dagegen für diese theilweise Entfärbung einen vollen Ersatz durch den Reichthum des Beobachteten, die Größe der Weltansicht und das rühmliche Bestreben die Eigenthümlichkeit jeder vaterländischen Sprache zu anschaulichen Darstellungen zu benutzen. Was die neuere Cultur uns gebracht, ist die unausgesetzt fortschreitende Erweiterung unseres Gesichtskreises, die wachsende Fülle von Ideen und Gefühlen, die thätige Wechselwirkung beider. Ohne den heimathlichen Boden zu verlassen, sollen wir nicht bloß erfahren können, wie die Erdrinde in den entferntesten Zonen gestaltet ist, welche Thier- und Pflanzenformen sie beleben; es soll uns auch ein Bild verschafft werden, das wenigstens einen Theil der Eindrücke lebendig wiedergiebt, welche der Mensch in jeglicher Zone von der Außenwelt empfängt. Dieser Anforderung zu genügen, diesem Bedürfniß einer Art geistiger Freuden, welche das Alterthum nicht kannte, arbeitet die neuere Zeit; die Arbeit gelingt, weil sie das gemeinsame Werk aller gebildeten Nationen ist, weil die Vervollkommnung der Bewegungsmittel auf Meer und Land die Welt zugänglicher, ihre einzelnen Theile in der weitesten Ferne vergleichbarer macht.

Ich habe hier die Richtung zu bezeichnen versucht, in

der Umgebung und die hülflose Abgeschiedenheit der Seefahrer isoliren dann das Bild und wirken um so anregender auf die Einbildungskraft.

Wenn es nun nach den vorliegenden Betrachtungen unläugbar ist, daß in den neueren Reisebeschreibungen das Element der Handlung in den Hintergrund tritt, daß sie der größeren Zahl nach nur ein Mittel geworden sind Natur- und Sitten-Beobachtungen der Zeitfolge nach an einander zu ketten, so bieten sie dagegen für diese theilweise Entfärbung einen vollen Ersatz durch den Reichthum des Beobachteten, die Größe der Weltansicht und das rühmliche Bestreben die Eigenthümlichkeit jeder vaterländischen Sprache zu anschaulichen Darstellungen zu benutzen. Was die neuere Cultur uns gebracht, ist die unausgesetzt fortschreitende Erweiterung unseres Gesichtskreises, die wachsende Fülle von Ideen und Gefühlen, die thätige Wechselwirkung beider. Ohne den heimathlichen Boden zu verlassen, sollen wir nicht bloß erfahren können, wie die Erdrinde in den entferntesten Zonen gestaltet ist, welche Thier- und Pflanzenformen sie beleben; es soll uns auch ein Bild verschafft werden, das wenigstens einen Theil der Eindrücke lebendig wiedergiebt, welche der Mensch in jeglicher Zone von der Außenwelt empfängt. Dieser Anforderung zu genügen, diesem Bedürfniß einer Art geistiger Freuden, welche das Alterthum nicht kannte, arbeitet die neuere Zeit; die Arbeit gelingt, weil sie das gemeinsame Werk aller gebildeten Nationen ist, weil die Vervollkommnung der Bewegungsmittel auf Meer und Land die Welt zugänglicher, ihre einzelnen Theile in der weitesten Ferne vergleichbarer macht.

Ich habe hier die Richtung zu bezeichnen versucht, in

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[71/0076] der Umgebung und die hülflose Abgeschiedenheit der Seefahrer isoliren dann das Bild und wirken um so anregender auf die Einbildungskraft. Wenn es nun nach den vorliegenden Betrachtungen unläugbar ist, daß in den neueren Reisebeschreibungen das Element der Handlung in den Hintergrund tritt, daß sie der größeren Zahl nach nur ein Mittel geworden sind Natur- und Sitten-Beobachtungen der Zeitfolge nach an einander zu ketten, so bieten sie dagegen für diese theilweise Entfärbung einen vollen Ersatz durch den Reichthum des Beobachteten, die Größe der Weltansicht und das rühmliche Bestreben die Eigenthümlichkeit jeder vaterländischen Sprache zu anschaulichen Darstellungen zu benutzen. Was die neuere Cultur uns gebracht, ist die unausgesetzt fortschreitende Erweiterung unseres Gesichtskreises, die wachsende Fülle von Ideen und Gefühlen, die thätige Wechselwirkung beider. Ohne den heimathlichen Boden zu verlassen, sollen wir nicht bloß erfahren können, wie die Erdrinde in den entferntesten Zonen gestaltet ist, welche Thier- und Pflanzenformen sie beleben; es soll uns auch ein Bild verschafft werden, das wenigstens einen Theil der Eindrücke lebendig wiedergiebt, welche der Mensch in jeglicher Zone von der Außenwelt empfängt. Dieser Anforderung zu genügen, diesem Bedürfniß einer Art geistiger Freuden, welche das Alterthum nicht kannte, arbeitet die neuere Zeit; die Arbeit gelingt, weil sie das gemeinsame Werk aller gebildeten Nationen ist, weil die Vervollkommnung der Bewegungsmittel auf Meer und Land die Welt zugänglicher, ihre einzelnen Theile in der weitesten Ferne vergleichbarer macht. Ich habe hier die Richtung zu bezeichnen versucht, in

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/76>, abgerufen am 29.04.2024.