Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

und anschaulich wiederzugeben ist die Aufgabe der Landschaftmalerei. Dem Künstler ist es verliehen die Gruppen zu zergliedern, und unter seiner Hand löst sich (wenn ich den figürlichen Ausdruck wagen darf) das große Zauberbild der Natur, gleich den geschriebenen Werken der Menschen, in wenige einfache Züge auf.

Aber auch in dem jetzigen unvollkommenen Zustande bildlicher Darstellungen der Landschaft, die unsere Reiseberichte als Kupfer begleiten, ja nur zu oft verunstalten, haben sie doch nicht wenig zur physiognomischen Kenntniß ferner Zonen, zu dem Hange nach Reisen in die Tropenwelt und zu thätigerem Naturstudium beigetragen. Die Vervollkommnung der Landschaftmalerei in großen Dimensionen (als Decorationsmalerei, als Panorama, Diorama und Neorama) hat in neueren Zeiten zugleich die Allgemeinheit und die Stärke des Eindrucks vermehrt. Was Vitruvius und der Aegyptier Julius Pollux als "ländliche (satyrische) Verzierungen der Bühne" schildern, was in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, durch Serlio's Coulissen-Einrichtungen, die Sinnestäuschung vermehrte, kann jetzt, seit Prevost's und Daguerre's Meisterwerken, in Parker'schen Rundgemälden, die Wanderung durch verschiedenartige Klimate fast ersetzen. Die Rundgemälde leisten mehr als die Bühnentechnik, weil der Beschauer, wie in einen magischen Kreis gebannt und aller störenden Realität entzogen, sich von der fremden Natur selbst umgeben wähnt. Sie lassen Erinnerungen zurück, die nach Jahren sich vor der Seele mit den wirklich gesehenen Naturscenen wundersam täuschend vermengen. Bisher sind Panoramen, welche nur wirken, wenn sie einen großen

und anschaulich wiederzugeben ist die Aufgabe der Landschaftmalerei. Dem Künstler ist es verliehen die Gruppen zu zergliedern, und unter seiner Hand löst sich (wenn ich den figürlichen Ausdruck wagen darf) das große Zauberbild der Natur, gleich den geschriebenen Werken der Menschen, in wenige einfache Züge auf.

Aber auch in dem jetzigen unvollkommenen Zustande bildlicher Darstellungen der Landschaft, die unsere Reiseberichte als Kupfer begleiten, ja nur zu oft verunstalten, haben sie doch nicht wenig zur physiognomischen Kenntniß ferner Zonen, zu dem Hange nach Reisen in die Tropenwelt und zu thätigerem Naturstudium beigetragen. Die Vervollkommnung der Landschaftmalerei in großen Dimensionen (als Decorationsmalerei, als Panorama, Diorama und Neorama) hat in neueren Zeiten zugleich die Allgemeinheit und die Stärke des Eindrucks vermehrt. Was Vitruvius und der Aegyptier Julius Pollux als „ländliche (satyrische) Verzierungen der Bühne" schildern, was in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, durch Serlio's Coulissen-Einrichtungen, die Sinnestäuschung vermehrte, kann jetzt, seit Prevost's und Daguerre's Meisterwerken, in Parker'schen Rundgemälden, die Wanderung durch verschiedenartige Klimate fast ersetzen. Die Rundgemälde leisten mehr als die Bühnentechnik, weil der Beschauer, wie in einen magischen Kreis gebannt und aller störenden Realität entzogen, sich von der fremden Natur selbst umgeben wähnt. Sie lassen Erinnerungen zurück, die nach Jahren sich vor der Seele mit den wirklich gesehenen Naturscenen wundersam täuschend vermengen. Bisher sind Panoramen, welche nur wirken, wenn sie einen großen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0098" n="93"/>
und anschaulich wiederzugeben ist die Aufgabe der Landschaftmalerei. Dem Künstler ist es verliehen die Gruppen zu zergliedern, und unter seiner Hand löst sich (wenn ich den figürlichen Ausdruck wagen darf) das große Zauberbild der Natur, gleich den geschriebenen Werken der Menschen, in wenige einfache Züge auf.</p>
            <p>Aber auch in dem jetzigen unvollkommenen Zustande bildlicher Darstellungen der Landschaft, die unsere Reiseberichte als Kupfer begleiten, ja nur zu oft verunstalten, haben sie doch nicht wenig zur physiognomischen Kenntniß ferner Zonen, zu dem Hange nach Reisen in die Tropenwelt und zu thätigerem Naturstudium beigetragen. Die Vervollkommnung der Landschaftmalerei in großen Dimensionen (als Decorationsmalerei, als Panorama, Diorama und Neorama) hat in neueren Zeiten zugleich die Allgemeinheit und die Stärke des Eindrucks vermehrt. Was Vitruvius und der Aegyptier Julius Pollux als &#x201E;ländliche <hi rendition="#g">(satyrische)</hi> Verzierungen der Bühne" schildern, was in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, durch Serlio's Coulissen-Einrichtungen, die Sinnestäuschung vermehrte, kann jetzt, seit Prevost's und Daguerre's Meisterwerken, in Parker'schen <hi rendition="#g">Rundgemälden,</hi> die Wanderung durch verschiedenartige Klimate fast ersetzen. Die Rundgemälde leisten mehr als die Bühnentechnik, weil der Beschauer, wie in einen magischen Kreis gebannt und aller störenden Realität entzogen, sich von der fremden Natur selbst umgeben wähnt. Sie lassen Erinnerungen zurück, die nach Jahren sich vor der Seele mit den wirklich gesehenen Naturscenen wundersam täuschend vermengen. Bisher sind Panoramen, welche nur wirken, wenn sie einen großen
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0098] und anschaulich wiederzugeben ist die Aufgabe der Landschaftmalerei. Dem Künstler ist es verliehen die Gruppen zu zergliedern, und unter seiner Hand löst sich (wenn ich den figürlichen Ausdruck wagen darf) das große Zauberbild der Natur, gleich den geschriebenen Werken der Menschen, in wenige einfache Züge auf. Aber auch in dem jetzigen unvollkommenen Zustande bildlicher Darstellungen der Landschaft, die unsere Reiseberichte als Kupfer begleiten, ja nur zu oft verunstalten, haben sie doch nicht wenig zur physiognomischen Kenntniß ferner Zonen, zu dem Hange nach Reisen in die Tropenwelt und zu thätigerem Naturstudium beigetragen. Die Vervollkommnung der Landschaftmalerei in großen Dimensionen (als Decorationsmalerei, als Panorama, Diorama und Neorama) hat in neueren Zeiten zugleich die Allgemeinheit und die Stärke des Eindrucks vermehrt. Was Vitruvius und der Aegyptier Julius Pollux als „ländliche (satyrische) Verzierungen der Bühne" schildern, was in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, durch Serlio's Coulissen-Einrichtungen, die Sinnestäuschung vermehrte, kann jetzt, seit Prevost's und Daguerre's Meisterwerken, in Parker'schen Rundgemälden, die Wanderung durch verschiedenartige Klimate fast ersetzen. Die Rundgemälde leisten mehr als die Bühnentechnik, weil der Beschauer, wie in einen magischen Kreis gebannt und aller störenden Realität entzogen, sich von der fremden Natur selbst umgeben wähnt. Sie lassen Erinnerungen zurück, die nach Jahren sich vor der Seele mit den wirklich gesehenen Naturscenen wundersam täuschend vermengen. Bisher sind Panoramen, welche nur wirken, wenn sie einen großen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/98
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/98>, abgerufen am 28.04.2024.