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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

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furchtbaren Martertode29 ein enthusiastischer Bewunderer von Copernicus, Tycho und Kepler. Zeitgenosse des Galilei, erlebte er nicht die Erfindung des Fernrohrs von Hans Lippershey und Zacharias Jansen, und also auch nicht die Entdeckung der "kleinen Jupiterswelt", der Venus-Phasen und der Nebelflecke. Mit kühner Zuversicht auf das, was er nennt lume interno, ragione naturale, altezza dell' intelleto, überließ er sich glücklichen Ahndungen über die Bewegung der Fixsterne, die planetenartige Natur der Cometen und die von der Kugelform abweichende Gestalt der Erde.30 Auch das griechische Alterthum ist voll von solchen uranologischen Verheißungen, die später erfüllt wurden.

In der Gedankenentwickelung über kosmische Verhältnisse, deren Hauptformen und Hauptepochen hier aufgezählt werden, war Kepler, volle 78 Jahre vor dem Erscheinen von Newton's unsterblichem Werke der Principia philosophiae naturalis, einer mathematischen Anwendung der Gravitations-Lehre am nächsten. Wenn der Eklektiker Simplicius bloß im allgemeinen den Grundsatz aussprach, "das Nicht-Herabfallen der himmlischen Körper werde dadurch bewirkt, daß der Umschwung (die Centrifugalkraft) die Oberhand habe über die eigene Fallkraft, den Zug nach unten"; wenn Joannes Philoponus, ein Schüler des Ammonius Hermeä, die Bewegung der Weltkörper "einem primitiven Stoße und dem fortgesetzten Streben zum Falle" zuschrieb; wenn, wie wir schon früher bemerkt, Copernicus nur den allgemeinen Begriff der Gravitation, wie sie in der Sonne als dem Centrum der Planetenwelt, in der Erde und dem Monde wirke, mit den denkwürdigen Worten bezeichnet: gravitatem non aliud esse quam appetentiam

furchtbaren Martertode29 ein enthusiastischer Bewunderer von Copernicus, Tycho und Kepler. Zeitgenosse des Galilei, erlebte er nicht die Erfindung des Fernrohrs von Hans Lippershey und Zacharias Jansen, und also auch nicht die Entdeckung der „kleinen Jupiterswelt“, der Venus-Phasen und der Nebelflecke. Mit kühner Zuversicht auf das, was er nennt lume interno, ragione naturale, altezza dell' intelleto, überließ er sich glücklichen Ahndungen über die Bewegung der Fixsterne, die planetenartige Natur der Cometen und die von der Kugelform abweichende Gestalt der Erde.30 Auch das griechische Alterthum ist voll von solchen uranologischen Verheißungen, die später erfüllt wurden.

In der Gedankenentwickelung über kosmische Verhältnisse, deren Hauptformen und Hauptepochen hier aufgezählt werden, war Kepler, volle 78 Jahre vor dem Erscheinen von Newton's unsterblichem Werke der Principia philosophiae naturalis, einer mathematischen Anwendung der Gravitations-Lehre am nächsten. Wenn der Eklektiker Simplicius bloß im allgemeinen den Grundsatz aussprach, „das Nicht-Herabfallen der himmlischen Körper werde dadurch bewirkt, daß der Umschwung (die Centrifugalkraft) die Oberhand habe über die eigene Fallkraft, den Zug nach unten“; wenn Joannes Philoponus, ein Schüler des Ammonius Hermeä, die Bewegung der Weltkörper „einem primitiven Stoße und dem fortgesetzten Streben zum Falle“ zuschrieb; wenn, wie wir schon früher bemerkt, Copernicus nur den allgemeinen Begriff der Gravitation, wie sie in der Sonne als dem Centrum der Planetenwelt, in der Erde und dem Monde wirke, mit den denkwürdigen Worten bezeichnet: gravitatem non aliud esse quam appetentiam

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[18/0023] furchtbaren Martertode ²⁹ ein enthusiastischer Bewunderer von Copernicus, Tycho und Kepler. Zeitgenosse des Galilei, erlebte er nicht die Erfindung des Fernrohrs von Hans Lippershey und Zacharias Jansen, und also auch nicht die Entdeckung der „kleinen Jupiterswelt“, der Venus-Phasen und der Nebelflecke. Mit kühner Zuversicht auf das, was er nennt lume interno, ragione naturale, altezza dell' intelleto, überließ er sich glücklichen Ahndungen über die Bewegung der Fixsterne, die planetenartige Natur der Cometen und die von der Kugelform abweichende Gestalt der Erde. ³⁰ Auch das griechische Alterthum ist voll von solchen uranologischen Verheißungen, die später erfüllt wurden. In der Gedankenentwickelung über kosmische Verhältnisse, deren Hauptformen und Hauptepochen hier aufgezählt werden, war Kepler, volle 78 Jahre vor dem Erscheinen von Newton's unsterblichem Werke der Principia philosophiae naturalis, einer mathematischen Anwendung der Gravitations-Lehre am nächsten. Wenn der Eklektiker Simplicius bloß im allgemeinen den Grundsatz aussprach, „das Nicht-Herabfallen der himmlischen Körper werde dadurch bewirkt, daß der Umschwung (die Centrifugalkraft) die Oberhand habe über die eigene Fallkraft, den Zug nach unten“; wenn Joannes Philoponus, ein Schüler des Ammonius Hermeä, die Bewegung der Weltkörper „einem primitiven Stoße und dem fortgesetzten Streben zum Falle“ zuschrieb; wenn, wie wir schon früher bemerkt, Copernicus nur den allgemeinen Begriff der Gravitation, wie sie in der Sonne als dem Centrum der Planetenwelt, in der Erde und dem Monde wirke, mit den denkwürdigen Worten bezeichnet: gravitatem non aliud esse quam appetentiam

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/23>, abgerufen am 27.04.2024.