Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

erkennen glauben, als das unbewaffnete Auge wirklich unterscheidet. Daher das populäre Erstaunen über die wenigen Tausende von Sternen, welche genaue Sterncataloge als den bloßen Augen sichtbar angeben! Daß das zitternde Licht die Fixsterne von den Planeten unterscheide, war von früher Zeit den griechischen Astronomen bekannt; aber Aristoteles, nach der Ausströmungs- und Tangential-Theorie des Sehens, der er anhängt, schreibt das Zittern und Funkeln der Fixsterne, sonderbar genug, einer bloßen Anstrengung des Auges zu. "Die eingehefteten Sterne" (die Fixsterne), sagt er42, "funkeln, die Planeten nicht: denn die Planeten sind nahe, so daß das Gesicht im Stande ist sie zu erreichen; bei den feststehenden aber (pros de tous menontas) geräth das Auge wegen der Entfernung und Anstrengung in eine zitternde Bewegung."

Zu Galilei's Zeiten, zwischen 1572 und 1604, in einer Epoche großer Himmelsbegebenheiten, da drei neue Sterne43 von mehr Glanz als Sterne erster Größe plötzlich erschienen und einer derselben im Schwan 21 Jahre leuchtend blieb, zog das Funkeln als das muthmaßliche Criterium eines nicht planetarischen Weltkörpers Kepler's Aufmerksamkeit besonders auf sich. Der damalige Zustand der Optik verhinderte freilich den um diese Wissenschaft so hoch verdienten Astronomen sich über die gewöhnlichen Ideen von bewegten Dünsten zu erheben.44 Auch unter den neu erschienenen Sternen, deren die chinesischen Annalen nach der großen Sammlung von Ma-tuan-lin erwähnen, wird bisweilen des sehr starken Funkelns gedacht.

Zwischen den Wendekreisen und ihnen nahe giebt bei gleichmäßigerer Mischung der Luftschichten die große Schwäche

erkennen glauben, als das unbewaffnete Auge wirklich unterscheidet. Daher das populäre Erstaunen über die wenigen Tausende von Sternen, welche genaue Sterncataloge als den bloßen Augen sichtbar angeben! Daß das zitternde Licht die Fixsterne von den Planeten unterscheide, war von früher Zeit den griechischen Astronomen bekannt; aber Aristoteles, nach der Ausströmungs- und Tangential-Theorie des Sehens, der er anhängt, schreibt das Zittern und Funkeln der Fixsterne, sonderbar genug, einer bloßen Anstrengung des Auges zu. „Die eingehefteten Sterne“ (die Fixsterne), sagt er42, „funkeln, die Planeten nicht: denn die Planeten sind nahe, so daß das Gesicht im Stande ist sie zu erreichen; bei den feststehenden aber (πρὸς δὲ τοὺς μένοντας) geräth das Auge wegen der Entfernung und Anstrengung in eine zitternde Bewegung.“

Zu Galilei's Zeiten, zwischen 1572 und 1604, in einer Epoche großer Himmelsbegebenheiten, da drei neue Sterne43 von mehr Glanz als Sterne erster Größe plötzlich erschienen und einer derselben im Schwan 21 Jahre leuchtend blieb, zog das Funkeln als das muthmaßliche Criterium eines nicht planetarischen Weltkörpers Kepler's Aufmerksamkeit besonders auf sich. Der damalige Zustand der Optik verhinderte freilich den um diese Wissenschaft so hoch verdienten Astronomen sich über die gewöhnlichen Ideen von bewegten Dünsten zu erheben.44 Auch unter den neu erschienenen Sternen, deren die chinesischen Annalen nach der großen Sammlung von Ma-tuan-lin erwähnen, wird bisweilen des sehr starken Funkelns gedacht.

Zwischen den Wendekreisen und ihnen nahe giebt bei gleichmäßigerer Mischung der Luftschichten die große Schwäche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0092" n="87"/>
erkennen glauben, als das unbewaffnete Auge wirklich unterscheidet. Daher das populäre Erstaunen über die wenigen Tausende von Sternen, welche genaue Sterncataloge als den bloßen Augen sichtbar angeben! Daß das <hi rendition="#g">zitternde Licht</hi> die Fixsterne von den Planeten unterscheide, war von früher Zeit den griechischen Astronomen bekannt; aber Aristoteles, nach der Ausströmungs- und Tangential-Theorie des Sehens, der er anhängt, schreibt das Zittern und Funkeln der Fixsterne, sonderbar genug, einer bloßen Anstrengung des Auges zu. &#x201E;Die <hi rendition="#g">eingehefteten</hi> Sterne&#x201C; (die Fixsterne), sagt er<note xml:id="ftn131" next="ftn131-text" place="end" n="42"/>, &#x201E;funkeln, die Planeten nicht: denn die Planeten sind nahe, so daß das Gesicht im Stande ist sie zu erreichen; bei den <hi rendition="#g">feststehenden</hi> aber (<hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C0;&#x03C1;&#x1F78;&#x03C2; &#x03B4;&#x1F72; &#x03C4;&#x03BF;&#x1F7A;&#x03C2; &#x03BC;&#x03AD;&#x03BD;&#x03BF;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C2;</foreign></hi>) geräth das Auge wegen der Entfernung und Anstrengung in eine <hi rendition="#g">zitternde</hi> Bewegung.&#x201C;</p>
              <p>Zu Galilei's Zeiten, zwischen 1572 und 1604, in einer Epoche großer Himmelsbegebenheiten, da drei neue Sterne<note xml:id="ftn132" next="ftn132-text" place="end" n="43"/> von mehr Glanz als Sterne erster Größe plötzlich erschienen und einer derselben im <hi rendition="#g">Schwan</hi> 21 Jahre leuchtend blieb, zog das Funkeln als das muthmaßliche Criterium eines nicht planetarischen Weltkörpers Kepler's Aufmerksamkeit besonders auf sich. Der damalige Zustand der Optik verhinderte freilich den um diese Wissenschaft so hoch verdienten Astronomen sich über die gewöhnlichen Ideen von bewegten Dünsten zu erheben.<note xml:id="ftn133" next="ftn133-text" place="end" n="44"/> Auch unter den neu erschienenen Sternen, deren die chinesischen Annalen nach der großen Sammlung von Ma-tuan-lin erwähnen, wird bisweilen des sehr starken Funkelns gedacht.</p>
              <p>Zwischen den Wendekreisen und ihnen nahe giebt bei gleichmäßigerer Mischung der Luftschichten die große Schwäche
</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0092] erkennen glauben, als das unbewaffnete Auge wirklich unterscheidet. Daher das populäre Erstaunen über die wenigen Tausende von Sternen, welche genaue Sterncataloge als den bloßen Augen sichtbar angeben! Daß das zitternde Licht die Fixsterne von den Planeten unterscheide, war von früher Zeit den griechischen Astronomen bekannt; aber Aristoteles, nach der Ausströmungs- und Tangential-Theorie des Sehens, der er anhängt, schreibt das Zittern und Funkeln der Fixsterne, sonderbar genug, einer bloßen Anstrengung des Auges zu. „Die eingehefteten Sterne“ (die Fixsterne), sagt er ⁴² , „funkeln, die Planeten nicht: denn die Planeten sind nahe, so daß das Gesicht im Stande ist sie zu erreichen; bei den feststehenden aber (πρὸς δὲ τοὺς μένοντας) geräth das Auge wegen der Entfernung und Anstrengung in eine zitternde Bewegung.“ Zu Galilei's Zeiten, zwischen 1572 und 1604, in einer Epoche großer Himmelsbegebenheiten, da drei neue Sterne ⁴³ von mehr Glanz als Sterne erster Größe plötzlich erschienen und einer derselben im Schwan 21 Jahre leuchtend blieb, zog das Funkeln als das muthmaßliche Criterium eines nicht planetarischen Weltkörpers Kepler's Aufmerksamkeit besonders auf sich. Der damalige Zustand der Optik verhinderte freilich den um diese Wissenschaft so hoch verdienten Astronomen sich über die gewöhnlichen Ideen von bewegten Dünsten zu erheben. ⁴⁴ Auch unter den neu erschienenen Sternen, deren die chinesischen Annalen nach der großen Sammlung von Ma-tuan-lin erwähnen, wird bisweilen des sehr starken Funkelns gedacht. Zwischen den Wendekreisen und ihnen nahe giebt bei gleichmäßigerer Mischung der Luftschichten die große Schwäche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/92
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/92>, abgerufen am 09.05.2024.