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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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(Journal of the Asiatic Soc. of Bengal Vol. IV. 1835 p. 657-664). Wann werden endlich einmal von dem so leicht erreichbaren Gouldja am Ili aus die Vulkane von Peschan und Turfan, Barkul und Hami durch einen wissenschaftlich gebildeten Reisenden besucht werden?

Die jetzt mehr aufgeklärte Lage der vulkanischen Gebirgskette des Thian-schan hat sehr natürlich auf die Frage geleitet, ob das Fabelland Gog und Magog, wo auf dem Grunde des Flusses el Macher "ewige Feuer brennen" sollen, nicht mit den Ausbrüchen des Peschan oder Vulkans von Turfan zusammenhange. Diese orientalische Mythe, welche ursprünglich dem Westen des caspischen Meeres, den Pylis Albaniae bei Derbend, angehörte, ist, wie fast alle Mythen, gewandert, und zwar weit nach Osten. Edrisi läßt den Salam el-Terdjeman, Dolmetscher eines Abbassiden-Chalifen in der ersten Hälfte des 9ten Jahrhunderts, nach dem Lande der Finsterniß von Bagdad aus abreisen. Er gelangt durch die Steppe der Baschkiren nach dem Schneegebirge Cocaia, welches die große Mauer von Magog (Madjoudj) umgiebt. Amedee Jaubert, dem wir wichtige Ergänzungen des nubischen Geographen verdanken, hat erwiesen, daß die Feuer, welche am Abhange des Cocaia brennen, nichts vulkanisches haben (Asie centr. T. II. p. 99). Weiter in Süden setzt Edrisi den See Tehama. Ich glaube wahrscheinlich gemacht zu haben, daß Tehama der große See Balkasch ist, in welchen der Ili mündet, der nur 45 Meilen südlicher liegt. Anderthalb Jahrhunderte nach Edrisi versetzte Marco Polo die Mauer Magog gar in das Gebirge In-schan, östlich von der Hochebene Gobi, gegen den Fluß Hoang-ho und die chinesische Mauer hin: von der (sonderbar genug) der berühmte venetianische Reisende eben so wenig spricht als vom

(Journal of the Asiatic Soc. of Bengal Vol. IV. 1835 p. 657–664). Wann werden endlich einmal von dem so leicht erreichbaren Gouldja am Ili aus die Vulkane von Peschan und Turfan, Barkul und Hami durch einen wissenschaftlich gebildeten Reisenden besucht werden?

Die jetzt mehr aufgeklärte Lage der vulkanischen Gebirgskette des Thian-schan hat sehr natürlich auf die Frage geleitet, ob das Fabelland Gog und Magog, wo auf dem Grunde des Flusses el Macher „ewige Feuer brennen" sollen, nicht mit den Ausbrüchen des Peschan oder Vulkans von Turfan zusammenhange. Diese orientalische Mythe, welche ursprünglich dem Westen des caspischen Meeres, den Pylis Albaniae bei Derbend, angehörte, ist, wie fast alle Mythen, gewandert, und zwar weit nach Osten. Edrisi läßt den Salam el-Terdjeman, Dolmetscher eines Abbassiden-Chalifen in der ersten Hälfte des 9ten Jahrhunderts, nach dem Lande der Finsterniß von Bagdad aus abreisen. Er gelangt durch die Steppe der Baschkiren nach dem Schneegebirge Cocaïa, welches die große Mauer von Magog (Madjoudj) umgiebt. Amédée Jaubert, dem wir wichtige Ergänzungen des nubischen Geographen verdanken, hat erwiesen, daß die Feuer, welche am Abhange des Cocaïa brennen, nichts vulkanisches haben (Asie centr. T. II. p. 99). Weiter in Süden setzt Edrisi den See Tehama. Ich glaube wahrscheinlich gemacht zu haben, daß Tehama der große See Balkasch ist, in welchen der Ili mündet, der nur 45 Meilen südlicher liegt. Anderthalb Jahrhunderte nach Edrisi versetzte Marco Polo die Mauer Magog gar in das Gebirge In-schan, östlich von der Hochebene Gobi, gegen den Fluß Hoang-ho und die chinesische Mauer hin: von der (sonderbar genug) der berühmte venetianische Reisende eben so wenig spricht als vom

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[383/0388] (Journal of the Asiatic Soc. of Bengal Vol. IV. 1835 p. 657–664). Wann werden endlich einmal von dem so leicht erreichbaren Gouldja am Ili aus die Vulkane von Peschan und Turfan, Barkul und Hami durch einen wissenschaftlich gebildeten Reisenden besucht werden? Die jetzt mehr aufgeklärte Lage der vulkanischen Gebirgskette des Thian-schan hat sehr natürlich auf die Frage geleitet, ob das Fabelland Gog und Magog, wo auf dem Grunde des Flusses el Macher „ewige Feuer brennen" sollen, nicht mit den Ausbrüchen des Peschan oder Vulkans von Turfan zusammenhange. Diese orientalische Mythe, welche ursprünglich dem Westen des caspischen Meeres, den Pylis Albaniae bei Derbend, angehörte, ist, wie fast alle Mythen, gewandert, und zwar weit nach Osten. Edrisi läßt den Salam el-Terdjeman, Dolmetscher eines Abbassiden-Chalifen in der ersten Hälfte des 9ten Jahrhunderts, nach dem Lande der Finsterniß von Bagdad aus abreisen. Er gelangt durch die Steppe der Baschkiren nach dem Schneegebirge Cocaïa, welches die große Mauer von Magog (Madjoudj) umgiebt. Amédée Jaubert, dem wir wichtige Ergänzungen des nubischen Geographen verdanken, hat erwiesen, daß die Feuer, welche am Abhange des Cocaïa brennen, nichts vulkanisches haben (Asie centr. T. II. p. 99). Weiter in Süden setzt Edrisi den See Tehama. Ich glaube wahrscheinlich gemacht zu haben, daß Tehama der große See Balkasch ist, in welchen der Ili mündet, der nur 45 Meilen südlicher liegt. Anderthalb Jahrhunderte nach Edrisi versetzte Marco Polo die Mauer Magog gar in das Gebirge In-schan, östlich von der Hochebene Gobi, gegen den Fluß Hoang-ho und die chinesische Mauer hin: von der (sonderbar genug) der berühmte venetianische Reisende eben so wenig spricht als vom

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/388>, abgerufen am 28.04.2024.