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Humboldt, Alexander von: Ueber den Manati des Orinoko. In: Archiv für Naturgeschichte, 4 Jg., Bd. 1 (1838), S. 1-18, [397], [399].

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sehr rothen Blutes, die man überall antrifft, sehr vollkommen
zu sein. Auch vermag der Manati nicht lange Zeit unter dem
Wasser zu verweilen, jedoch tritt er über demselben nur mit
dem Rücken und dem Kopfe hervor. Sollten aber die Be-
wegungen der Lunge nicht durch die Verdauung behindert
werden? Die Eingeweide sind von ungeheuerer Länge, wie
bei den Wiederkäuern, und starke Blutgefässe verbreiten sich
auf ihnen. Es findet sich ein zweitheiliger Magen. Seine erste
Hälfte bildet einen oberhalb convexen Sack von 1' 4" im
Durchmesser, die zweite Hälfte hat nur 5" Weite. Kaum
kann man beide als einen durch Einschnürung getheilten
Magen betrachten, obwohl in beiden Hälften die innere Ober-
fläche von gleicher Art, nämlich etwas runzlig, aber ohne
Blätter oder netzförmige Maschen ist. Die dünnen Därme
haben 68' Länge bei einem Durchmesser von 2". Bei Oeff-
nung des Magens fanden wir das in seinen beiden Hälften ent-
haltene Gras noch wenig verändert. In den dünnen Därmen
wurde es mehr stinkend und braun, und zwar um so mehr,
als es sich dem Dickdarme näherte. Dieser ist 40' lang, 4"
weit und aufgetrieben. Die Excremente bilden Kugeln von 3"
Durchmesser. Sie sind stinkend und gleichen denen des Och-
sen. Man sieht sie öfter auf der Oberfläche des Wassers
schwimmen. Fast der ganze Speisekanal, der Magen und die
108' langen Därme waren ganz mit Camelote gefüllt, woraus
man sich von der ungeheueren Grasmenge, welche der
Manati auf einmal zu sich nimmt, einen ungefähren Begriff
machen kann. Der Magen hat sowohl an seiner linken Hälfte
als an seiner Einschnürung Anhänge; nur die beiden an letz-
terer befindlichen Anhänge sind einfache Blindsäcke, der An-
hang der linken Hälfte enthält dagegen eine harte Drüsen-
masse, die auf dem Durchschnitte der arbor vitae ähnelt.
Das Herz hat 61/2" Länge und 5" Breite. Es ist von vielen
Anhängen eines durchsichtigen Fettes umgeben, wodurch es
auf seiner Oberfläche höckerig, gleichsam mit Beeren besetzt
erscheint. Auch in seinem Innern zwischen den Muskelbal-
ken fanden wir wahres Fett. Die Flossen gleichen den Ru-
derfüssen der Seeschildkröten, sind ganzrandig und zeigen
äusserlich keine Spur von Fingern. Im Innern erscheinen sie als
vollkommene Hände.

sehr rothen Blutes, die man überall antrifft, sehr vollkommen
zu sein. Auch vermag der Manati nicht lange Zeit unter dem
Wasser zu verweilen, jedoch tritt er über demselben nur mit
dem Rücken und dem Kopfe hervor. Sollten aber die Be-
wegungen der Lunge nicht durch die Verdauung behindert
werden? Die Eingeweide sind von ungeheuerer Länge, wie
bei den Wiederkäuern, und starke Blutgefäſse verbreiten sich
auf ihnen. Es findet sich ein zweitheiliger Magen. Seine erste
Hälfte bildet einen oberhalb convexen Sack von 1′ 4″ im
Durchmesser, die zweite Hälfte hat nur 5″ Weite. Kaum
kann man beide als einen durch Einschnürung getheilten
Magen betrachten, obwohl in beiden Hälften die innere Ober-
fläche von gleicher Art, nämlich etwas runzlig, aber ohne
Blätter oder netzförmige Maschen ist. Die dünnen Därme
haben 68′ Länge bei einem Durchmesser von 2″. Bei Oeff-
nung des Magens fanden wir das in seinen beiden Hälften ent-
haltene Gras noch wenig verändert. In den dünnen Därmen
wurde es mehr stinkend und braun, und zwar um so mehr,
als es sich dem Dickdarme näherte. Dieser ist 40′ lang, 4″
weit und aufgetrieben. Die Excremente bilden Kugeln von 3″
Durchmesser. Sie sind stinkend und gleichen denen des Och-
sen. Man sieht sie öfter auf der Oberfläche des Wassers
schwimmen. Fast der ganze Speisekanal, der Magen und die
108′ langen Därme waren ganz mit Camelote gefüllt, woraus
man sich von der ungeheueren Grasmenge, welche der
Manati auf einmal zu sich nimmt, einen ungefähren Begriff
machen kann. Der Magen hat sowohl an seiner linken Hälfte
als an seiner Einschnürung Anhänge; nur die beiden an letz-
terer befindlichen Anhänge sind einfache Blindsäcke, der An-
hang der linken Hälfte enthält dagegen eine harte Drüsen-
masse, die auf dem Durchschnitte der arbor vitae ähnelt.
Das Herz hat 6½″ Länge und 5″ Breite. Es ist von vielen
Anhängen eines durchsichtigen Fettes umgeben, wodurch es
auf seiner Oberfläche höckerig, gleichsam mit Beeren besetzt
erscheint. Auch in seinem Innern zwischen den Muskelbal-
ken fanden wir wahres Fett. Die Flossen gleichen den Ru-
derfüſsen der Seeschildkröten, sind ganzrandig und zeigen
äuſserlich keine Spur von Fingern. Im Innern erscheinen sie als
vollkommene Hände.

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[7/0008] sehr rothen Blutes, die man überall antrifft, sehr vollkommen zu sein. Auch vermag der Manati nicht lange Zeit unter dem Wasser zu verweilen, jedoch tritt er über demselben nur mit dem Rücken und dem Kopfe hervor. Sollten aber die Be- wegungen der Lunge nicht durch die Verdauung behindert werden? Die Eingeweide sind von ungeheuerer Länge, wie bei den Wiederkäuern, und starke Blutgefäſse verbreiten sich auf ihnen. Es findet sich ein zweitheiliger Magen. Seine erste Hälfte bildet einen oberhalb convexen Sack von 1′ 4″ im Durchmesser, die zweite Hälfte hat nur 5″ Weite. Kaum kann man beide als einen durch Einschnürung getheilten Magen betrachten, obwohl in beiden Hälften die innere Ober- fläche von gleicher Art, nämlich etwas runzlig, aber ohne Blätter oder netzförmige Maschen ist. Die dünnen Därme haben 68′ Länge bei einem Durchmesser von 2″. Bei Oeff- nung des Magens fanden wir das in seinen beiden Hälften ent- haltene Gras noch wenig verändert. In den dünnen Därmen wurde es mehr stinkend und braun, und zwar um so mehr, als es sich dem Dickdarme näherte. Dieser ist 40′ lang, 4″ weit und aufgetrieben. Die Excremente bilden Kugeln von 3″ Durchmesser. Sie sind stinkend und gleichen denen des Och- sen. Man sieht sie öfter auf der Oberfläche des Wassers schwimmen. Fast der ganze Speisekanal, der Magen und die 108′ langen Därme waren ganz mit Camelote gefüllt, woraus man sich von der ungeheueren Grasmenge, welche der Manati auf einmal zu sich nimmt, einen ungefähren Begriff machen kann. Der Magen hat sowohl an seiner linken Hälfte als an seiner Einschnürung Anhänge; nur die beiden an letz- terer befindlichen Anhänge sind einfache Blindsäcke, der An- hang der linken Hälfte enthält dagegen eine harte Drüsen- masse, die auf dem Durchschnitte der arbor vitae ähnelt. Das Herz hat 6½″ Länge und 5″ Breite. Es ist von vielen Anhängen eines durchsichtigen Fettes umgeben, wodurch es auf seiner Oberfläche höckerig, gleichsam mit Beeren besetzt erscheint. Auch in seinem Innern zwischen den Muskelbal- ken fanden wir wahres Fett. Die Flossen gleichen den Ru- derfüſsen der Seeschildkröten, sind ganzrandig und zeigen äuſserlich keine Spur von Fingern. Im Innern erscheinen sie als vollkommene Hände.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber den Manati des Orinoko. In: Archiv für Naturgeschichte, 4 Jg., Bd. 1 (1838), S. 1-18, [397], [399], S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_manati_1838/8>, abgerufen am 26.04.2024.