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Humboldt, Alexander von: Ueber einige wichtige Punkte der Geographie Guyanas. In: Annalen der Erd-, Völker- und Staatenkunde, 5 (1837/1838), S. 35-62.

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Annalen etc., Oktober 1837. -- Länder- und Völkerkunde.

Expeditionen auf dom unteren Orenoko. Er war gewiß selbst ge-
taüscht worden; aber als es darauf ankam, die Einbildungskraft der
Königin Elisabeth zu entflammen und die Entwürfe seiner ehrgeizi-
gen Politik auszuführen, da verschmähte er keinen Kunstgriff der
ausgesuchtesten Schmeichelei. Er schilderte der Königin "die Ent-
zückung jener barbarischen Völker bei dem Anblick ihres Portraits.
Er will, daß der Name der erhabenen Jungfrau, die Königreiche
zu erobern weiß, bis in das Land der kriegerischen Frauen (Amazo-
nen) von Guyana dringe; er versichert, daß man zu der Zeit, als
die Spanier den Thron von Cuzco umstürzten, eine alte Weissa-
gung aufgefunden habe, wonach die Dynastie der Jncas eines Ta-
ges Groß-Brittanien ihre Wiederherstellung verdanken werde:
er räth, unter dem Vorwande, das Land gegen aüßere
Feinde zu vertheidigen
, Garnisonen von 3000-4000 Mann
Englischer Truppen in die Städte des Jnca zu legen und diesen so
edelmüthig beschützten Fürsten zu verpflichten, der Königin Elisabeth
einen jährlichen Tribut von 300,000 Pfd. Sterl. zu zahlen; endlich
fügt er, wie Jemand, der die Zukunft vorher sieht, hinzu, daß alle
jene weiten Länder Süd-Amerika's eines Tages der Englischen Na-
tion gehören würden."*)

Die östlichen Theile von Guyana erlangten eine neüe Berühmt-
heit, als, verleitet durch Jndianer-Haüptlinge, die mit Hülfe der
Spanier sich an einige feindliche Stämme zu rächen hofften, der
Gouverneur Don Manuel Centurion im Jahre 1770 auf dem obe-
ren Cauca neüe Einfälle machte. Die Nation der Majenaos,
wurde damals durch falsche Aussprache in Manaos verwandelt und
dieser, durch die Expeditionen von Urre und Jorge de Espira (Georg
van Speier) berühmt gewordene Name wurde in dem Thale des
Rio Branco wiedergefunden.

Bis zur Hälfte des 18. Jahrhunderts war das weite Gebiet
zwischen den Bergen des Französischen Guyana und den aus wil-
den Kakaobaümen und der Juvia (Bertholletia excelsa) bestehenden
Wäldern des oberen Orenoko, zwischen den Quellen des Rio Caroni
und dem Amazonen-Strome (von Lat. 0°-41/2° N. und von
Long. 57°-68° W. Paris) so wenig bekannt, daß die Geogra-
phen dort nach Belieben Seen zeichnen und Fluß-Verbindungen
schaffen konnten. Heütiges Tages ist das Feld der Hypothesen be-
deütend eingeschränkt. Man hat die Longitudo von Esmeralda am
oberen Orenoko bestimmt, und östlich von diesem Punkte, mitten in
den Ebenen und Savannen der Parime, ist eine Zone von 20

*) Cayley's Life of Raleigh. T. I. pag. 7, 17, 51 et 100.
Annalen ꝛc., Oktober 1837. — Laͤnder- und Voͤlkerkunde.

Expeditionen auf dom unteren Orenoko. Er war gewiß ſelbſt ge-
tauͤſcht worden; aber als es darauf ankam, die Einbildungskraft der
Koͤnigin Eliſabeth zu entflammen und die Entwuͤrfe ſeiner ehrgeizi-
gen Politik auszufuͤhren, da verſchmaͤhte er keinen Kunſtgriff der
ausgeſuchteſten Schmeichelei. Er ſchilderte der Koͤnigin „die Ent-
zuͤckung jener barbariſchen Voͤlker bei dem Anblick ihres Portraits.
Er will, daß der Name der erhabenen Jungfrau, die Koͤnigreiche
zu erobern weiß, bis in das Land der kriegeriſchen Frauen (Amazo-
nen) von Guyana dringe; er verſichert, daß man zu der Zeit, als
die Spanier den Thron von Cuzco umſtuͤrzten, eine alte Weiſſa-
gung aufgefunden habe, wonach die Dynaſtie der Jncas eines Ta-
ges Groß-Brittanien ihre Wiederherſtellung verdanken werde:
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Feinde zu vertheidigen
, Garniſonen von 3000–4000 Mann
Engliſcher Truppen in die Staͤdte des Jnca zu legen und dieſen ſo
edelmuͤthig beſchuͤtzten Fuͤrſten zu verpflichten, der Koͤnigin Eliſabeth
einen jaͤhrlichen Tribut von 300,000 Pfd. Sterl. zu zahlen; endlich
fuͤgt er, wie Jemand, der die Zukunft vorher ſieht, hinzu, daß alle
jene weiten Laͤnder Suͤd-Amerika's eines Tages der Engliſchen Na-
tion gehoͤren wuͤrden.“*)

Die oͤſtlichen Theile von Guyana erlangten eine neuͤe Beruͤhmt-
heit, als, verleitet durch Jndianer-Hauͤptlinge, die mit Huͤlfe der
Spanier ſich an einige feindliche Staͤmme zu raͤchen hofften, der
Gouverneur Don Manuel Centurion im Jahre 1770 auf dem obe-
ren Cauca neuͤe Einfaͤlle machte. Die Nation der Majenaos,
wurde damals durch falſche Ausſprache in Manaos verwandelt und
dieſer, durch die Expeditionen von Urre und Jorge de Eſpira (Georg
van Speier) beruͤhmt gewordene Name wurde in dem Thale des
Rio Branco wiedergefunden.

Bis zur Haͤlfte des 18. Jahrhunderts war das weite Gebiet
zwiſchen den Bergen des Franzoͤſiſchen Guyana und den aus wil-
den Kakaobauͤmen und der Juvia (Bertholletia excelsa) beſtehenden
Waͤldern des oberen Orenoko, zwiſchen den Quellen des Rio Caroni
und dem Amazonen-Strome (von Lat. 0°–4½° N. und von
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phen dort nach Belieben Seen zeichnen und Fluß-Verbindungen
ſchaffen konnten. Heuͤtiges Tages iſt das Feld der Hypotheſen be-
deuͤtend eingeſchraͤnkt. Man hat die Longitudo von Esmeralda am
oberen Orenoko beſtimmt, und oͤſtlich von dieſem Punkte, mitten in
den Ebenen und Savannen der Parime, iſt eine Zone von 20

*) Cayley's Life of Raleigh. T. I. pag. 7, 17, 51 et 100.
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[48/0014] Annalen ꝛc., Oktober 1837. — Laͤnder- und Voͤlkerkunde. Expeditionen auf dom unteren Orenoko. Er war gewiß ſelbſt ge- tauͤſcht worden; aber als es darauf ankam, die Einbildungskraft der Koͤnigin Eliſabeth zu entflammen und die Entwuͤrfe ſeiner ehrgeizi- gen Politik auszufuͤhren, da verſchmaͤhte er keinen Kunſtgriff der ausgeſuchteſten Schmeichelei. Er ſchilderte der Koͤnigin „die Ent- zuͤckung jener barbariſchen Voͤlker bei dem Anblick ihres Portraits. Er will, daß der Name der erhabenen Jungfrau, die Koͤnigreiche zu erobern weiß, bis in das Land der kriegeriſchen Frauen (Amazo- nen) von Guyana dringe; er verſichert, daß man zu der Zeit, als die Spanier den Thron von Cuzco umſtuͤrzten, eine alte Weiſſa- gung aufgefunden habe, wonach die Dynaſtie der Jncas eines Ta- ges Groß-Brittanien ihre Wiederherſtellung verdanken werde: er raͤth, unter dem Vorwande, das Land gegen auͤßere Feinde zu vertheidigen, Garniſonen von 3000–4000 Mann Engliſcher Truppen in die Staͤdte des Jnca zu legen und dieſen ſo edelmuͤthig beſchuͤtzten Fuͤrſten zu verpflichten, der Koͤnigin Eliſabeth einen jaͤhrlichen Tribut von 300,000 Pfd. Sterl. zu zahlen; endlich fuͤgt er, wie Jemand, der die Zukunft vorher ſieht, hinzu, daß alle jene weiten Laͤnder Suͤd-Amerika's eines Tages der Engliſchen Na- tion gehoͤren wuͤrden.“ *) Die oͤſtlichen Theile von Guyana erlangten eine neuͤe Beruͤhmt- heit, als, verleitet durch Jndianer-Hauͤptlinge, die mit Huͤlfe der Spanier ſich an einige feindliche Staͤmme zu raͤchen hofften, der Gouverneur Don Manuel Centurion im Jahre 1770 auf dem obe- ren Cauca neuͤe Einfaͤlle machte. Die Nation der Majenaos, wurde damals durch falſche Ausſprache in Manaos verwandelt und dieſer, durch die Expeditionen von Urre und Jorge de Eſpira (Georg van Speier) beruͤhmt gewordene Name wurde in dem Thale des Rio Branco wiedergefunden. Bis zur Haͤlfte des 18. Jahrhunderts war das weite Gebiet zwiſchen den Bergen des Franzoͤſiſchen Guyana und den aus wil- den Kakaobauͤmen und der Juvia (Bertholletia excelsa) beſtehenden Waͤldern des oberen Orenoko, zwiſchen den Quellen des Rio Caroni und dem Amazonen-Strome (von Lat. 0°–4½° N. und von Long. 57°–68° W. Pariſ) ſo wenig bekannt, daß die Geogra- phen dort nach Belieben Seen zeichnen und Fluß-Verbindungen ſchaffen konnten. Heuͤtiges Tages iſt das Feld der Hypotheſen be- deuͤtend eingeſchraͤnkt. Man hat die Longitudo von Esmeralda am oberen Orenoko beſtimmt, und oͤſtlich von dieſem Punkte, mitten in den Ebenen und Savannen der Parime, iſt eine Zone von 20 *) Cayley's Life of Raleigh. T. I. pag. 7, 17, 51 et 100.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber einige wichtige Punkte der Geographie Guyanas. In: Annalen der Erd-, Völker- und Staatenkunde, 5 (1837/1838), S. 35-62, hier S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_punkte_1837/14>, abgerufen am 29.04.2024.