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Humboldt, Alexander von: Ueber einige wichtige Punkte der Geographie Guyanas. In: Annalen der Erd-, Völker- und Staatenkunde, 5 (1837/1838), S. 35-62.

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Annalen etc., Oktober 1837. -- Länder- und Völkerkunde.
ersten Conquistadores), so wie den östlichen Landstrich zwischen dem
Oyapok, Cuyuni und Guarapiche im Besitz. Sie machte sich zu
gleicher Zeit den Bewohnern von Haiti und denen an den Zuflüs-
sen des oberen Orinoko furchtbar. Seitdem die Eüropäischen Kolo-
nisten an den Gränzen dieses niedrigen Theiles der Parime, wel-
cher (zwischen den Parallelen von 2° und 7°) sich von Long. 61°
bis 65° erstreckt, feste Niederlassungen gegründet haben, sind die
Spanier, auf dem Caroni und dem Paragua, der ein Nebenfluß
des Caroni ist, gegen Süden, die Holländer auf dem Essequibo
und dem Cuyuni gegen Westen und Südwesten und die Por-
tugiesen auf dem Rio Branco, der in den Rio Negro mündet,
vorgedrungen. Dieser Umstand bot natürlich, bei den beschränken-
den Handelsgesetzen, die zum Theil noch heüte in den Kolonien gel-
ten, eine große Lockung für den Schleichhandel dar. Da die Ca-
raiben, durch ihre Beweglichkeit und ihre lange Erfahrung in den
Reisen auf den Flüssen, die einzigen Geographen des Landes wa-
ren, so bedienten sich ihrer die Weißen, um ihnen die Wege für
diesen heimlichen Handel zu öffnen. Aus den Traditionen, die ich
zu Ende des vorigen Jahrhunderts habe sammeln können, und aus
den Nachrichten, die ich in den Archiven von San Thomas de
nueva Guyana, gewöhnlich Angostura genannt, vorgefunden, er-
giebt sich, daß die Gouverneure bei ihren von Zeit zu Zeit wieder-
holten Versuchen, in die Terra incognita der Parime einzudringen,
sich auf drei Zwecke beschränkten. Sie wollten einmal den Raub
von Sklaven und die Angriffe der Missionen durch die unabhängi-
gen Caraiben verhindern, sie wollten ferner die Wege und die Fluß-
Verzweigungen auf denen die Kontrebande eingeführt wurde, genau
kennen lernen und endlich in das reiche Goldland des Dorado vor-
dringen, welches den Parime-See umgeben sollte und das durch
die Leichtglaübigkeit oder durch die arglistige Politik des Raleigh,
Keymis und Mashan so berühmt geworden ist. Jch habe in der
That an einem anderen Orte bewiesen, daß der Jsthmus zwischen
den Armen des Rio Essequibo (Raleigh's Dessequebe) und des Rio
Branco, d. h. zwischen dem Rupunuri einer Seits und dem Pi-
rara, Mahu oder Uraricuera anderer Seits, als der klassische Bo-
den des Dorado der Parime zu betrachten ist.

Es steht zu hoffen, daß der unerschrockene Reisende, welcher
durch ein Labyrinth von Kaskaden auf dem Massaruni neüerdings
bis in den gebirgigen Theil gelangt ist, wo die Arthur's-Tafel ihm

Oro einer der Hauptsitze der Caraibischen Völkerschaften (Cariba
oder Caniba) war.

Annalen ꝛc., Oktober 1837. — Laͤnder- und Voͤlkerkunde.
erſten Conquiſtadores), ſo wie den oͤſtlichen Landſtrich zwiſchen dem
Oyapok, Cuyuni und Guarapiche im Beſitz. Sie machte ſich zu
gleicher Zeit den Bewohnern von Haiti und denen an den Zufluͤſ-
ſen des oberen Orinoko furchtbar. Seitdem die Euͤropaͤiſchen Kolo-
niſten an den Graͤnzen dieſes niedrigen Theiles der Parime, wel-
cher (zwiſchen den Parallelen von 2° und 7°) ſich von Long. 61°
bis 65° erſtreckt, feſte Niederlaſſungen gegruͤndet haben, ſind die
Spanier, auf dem Caroni und dem Paragua, der ein Nebenfluß
des Caroni iſt, gegen Suͤden, die Hollaͤnder auf dem Eſſequibo
und dem Cuyuni gegen Weſten und Suͤdweſten und die Por-
tugieſen auf dem Rio Branco, der in den Rio Negro muͤndet,
vorgedrungen. Dieſer Umſtand bot natuͤrlich, bei den beſchraͤnken-
den Handelsgeſetzen, die zum Theil noch heuͤte in den Kolonien gel-
ten, eine große Lockung fuͤr den Schleichhandel dar. Da die Ca-
raiben, durch ihre Beweglichkeit und ihre lange Erfahrung in den
Reiſen auf den Fluͤſſen, die einzigen Geographen des Landes wa-
ren, ſo bedienten ſich ihrer die Weißen, um ihnen die Wege fuͤr
dieſen heimlichen Handel zu oͤffnen. Aus den Traditionen, die ich
zu Ende des vorigen Jahrhunderts habe ſammeln koͤnnen, und aus
den Nachrichten, die ich in den Archiven von San Thomas de
nueva Guyana, gewoͤhnlich Angoſtura genannt, vorgefunden, er-
giebt ſich, daß die Gouverneure bei ihren von Zeit zu Zeit wieder-
holten Verſuchen, in die Terra incognita der Parime einzudringen,
ſich auf drei Zwecke beſchraͤnkten. Sie wollten einmal den Raub
von Sklaven und die Angriffe der Miſſionen durch die unabhaͤngi-
gen Caraiben verhindern, ſie wollten ferner die Wege und die Fluß-
Verzweigungen auf denen die Kontrebande eingefuͤhrt wurde, genau
kennen lernen und endlich in das reiche Goldland des Dorado vor-
dringen, welches den Parime-See umgeben ſollte und das durch
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That an einem anderen Orte bewieſen, daß der Jſthmus zwiſchen
den Armen des Rio Eſſequibo (Raleigh's Deſſequebe) und des Rio
Branco, d. h. zwiſchen dem Rupunuri einer Seits und dem Pi-
rara, Mahu oder Uraricuera anderer Seits, als der klaſſiſche Bo-
den des Dorado der Parime zu betrachten iſt.

Es ſteht zu hoffen, daß der unerſchrockene Reiſende, welcher
durch ein Labyrinth von Kaskaden auf dem Maſſaruni neuͤerdings
bis in den gebirgigen Theil gelangt iſt, wo die Arthur's-Tafel ihm

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[40/0006] Annalen ꝛc., Oktober 1837. — Laͤnder- und Voͤlkerkunde. erſten Conquiſtadores), ſo wie den oͤſtlichen Landſtrich zwiſchen dem Oyapok, Cuyuni und Guarapiche im Beſitz. Sie machte ſich zu gleicher Zeit den Bewohnern von Haiti und denen an den Zufluͤſ- ſen des oberen Orinoko furchtbar. Seitdem die Euͤropaͤiſchen Kolo- niſten an den Graͤnzen dieſes niedrigen Theiles der Parime, wel- cher (zwiſchen den Parallelen von 2° und 7°) ſich von Long. 61° bis 65° erſtreckt, feſte Niederlaſſungen gegruͤndet haben, ſind die Spanier, auf dem Caroni und dem Paragua, der ein Nebenfluß des Caroni iſt, gegen Suͤden, die Hollaͤnder auf dem Eſſequibo und dem Cuyuni gegen Weſten und Suͤdweſten und die Por- tugieſen auf dem Rio Branco, der in den Rio Negro muͤndet, vorgedrungen. Dieſer Umſtand bot natuͤrlich, bei den beſchraͤnken- den Handelsgeſetzen, die zum Theil noch heuͤte in den Kolonien gel- ten, eine große Lockung fuͤr den Schleichhandel dar. Da die Ca- raiben, durch ihre Beweglichkeit und ihre lange Erfahrung in den Reiſen auf den Fluͤſſen, die einzigen Geographen des Landes wa- ren, ſo bedienten ſich ihrer die Weißen, um ihnen die Wege fuͤr dieſen heimlichen Handel zu oͤffnen. Aus den Traditionen, die ich zu Ende des vorigen Jahrhunderts habe ſammeln koͤnnen, und aus den Nachrichten, die ich in den Archiven von San Thomas de nueva Guyana, gewoͤhnlich Angoſtura genannt, vorgefunden, er- giebt ſich, daß die Gouverneure bei ihren von Zeit zu Zeit wieder- holten Verſuchen, in die Terra incognita der Parime einzudringen, ſich auf drei Zwecke beſchraͤnkten. Sie wollten einmal den Raub von Sklaven und die Angriffe der Miſſionen durch die unabhaͤngi- gen Caraiben verhindern, ſie wollten ferner die Wege und die Fluß- Verzweigungen auf denen die Kontrebande eingefuͤhrt wurde, genau kennen lernen und endlich in das reiche Goldland des Dorado vor- dringen, welches den Parime-See umgeben ſollte und das durch die Leichtglauͤbigkeit oder durch die argliſtige Politik des Raleigh, Keymis und Maſhan ſo beruͤhmt geworden iſt. Jch habe in der That an einem anderen Orte bewieſen, daß der Jſthmus zwiſchen den Armen des Rio Eſſequibo (Raleigh's Deſſequebe) und des Rio Branco, d. h. zwiſchen dem Rupunuri einer Seits und dem Pi- rara, Mahu oder Uraricuera anderer Seits, als der klaſſiſche Bo- den des Dorado der Parime zu betrachten iſt. Es ſteht zu hoffen, daß der unerſchrockene Reiſende, welcher durch ein Labyrinth von Kaskaden auf dem Maſſaruni neuͤerdings bis in den gebirgigen Theil gelangt iſt, wo die Arthur's-Tafel ihm *) *) Oro einer der Hauptſitze der Caraibiſchen Voͤlkerſchaften (Cariba oder Caniba) war.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber einige wichtige Punkte der Geographie Guyanas. In: Annalen der Erd-, Völker- und Staatenkunde, 5 (1837/1838), S. 35-62, hier S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_punkte_1837/6>, abgerufen am 29.04.2024.