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Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206.

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Besteigung des Chimborazo.
ist viel zu schwach um ihr allein das Getöse zuzu-
schreiben. Letzteres entsteht gewiss durch einen
unterirdischen Bach, der in eine tiefere Höhle herab-
stürzt und durch seinen Fall die Luftbewegung er-
regt. Ein Mönch, Pfarrer in Calpi, hatte in derselben
Meinung den Stollen auf einer offenen Kluft vor lan-
ger Zeit angesetzt, um seinem Dorfe Wasser zu
verschaffen. Die Härte des schwarzen Augitgesteins
hat wahrscheinlich die Arbeit unterbrochen. Der
Chimborazo sendet trotz seiner ungeheuren Schnee-
masse so wasserarme Bäche in die Hochebene herab,
dass man wohl annehmen kann, der grössere Theil
seiner Wasser fliesse auf Klüften dem Inneren zu.
Auch in dem Dorfe Calpi selbst hörte man ehemals
ein grosses Getöse unter einem Hause, das keine
Keller hatte. Vor dem berühmten Erdbeben vom
4. Februar 1797 entsprang im Südwesten des Dorfes
ein Bach an einem tieferen Punkte. Viele Indianer
hielten denselben für einen Theil der Wassermasse die
unter dem Yana-Urcu fliesst. Seit dem grossen Erd-
beben ist aber dieser Bach wiederum verschwunden.

Nachdem wir die Nacht in Calpi, nach meiner
Barometermessung 9720 Fuss (1620 Toisen) hoch über
dem Meere zugebracht hatten, begannen wir am 23ten
Morgens unsere eigentliche Expedition nach dem Chim-
borazo. Wir versuchten den Berg von der südsüd-
östlichen Seite zu ersteigen und die Indianer, die uns
zu Führern dienen sollten, von denen aber nur we-
nige je bis zur Grenze des ewigen Schnees gelangt
waren, gaben dieser Richtung des Weges ebenfalls
den Vorzug. Wir fanden den Chimborazo mit gros-
sen Ebenen, die stufenweise über einander liegen,
umgeben. Zuerst durchschritten wir die Llanos de

Besteigung des Chimborazo.
ist viel zu schwach um ihr allein das Getöse zuzu-
schreiben. Letzteres entsteht gewiss durch einen
unterirdischen Bach, der in eine tiefere Höhle herab-
stürzt und durch seinen Fall die Luftbewegung er-
regt. Ein Mönch, Pfarrer in Calpi, hatte in derselben
Meinung den Stollen auf einer offenen Kluft vor lan-
ger Zeit angesetzt, um seinem Dorfe Wasser zu
verschaffen. Die Härte des schwarzen Augitgesteins
hat wahrscheinlich die Arbeit unterbrochen. Der
Chimborazo sendet trotz seiner ungeheuren Schnee-
masse so wasserarme Bäche in die Hochebene herab,
dass man wohl annehmen kann, der grössere Theil
seiner Wasser fliesse auf Klüften dem Inneren zu.
Auch in dem Dorfe Calpi selbst hörte man ehemals
ein grosses Getöse unter einem Hause, das keine
Keller hatte. Vor dem berühmten Erdbeben vom
4. Februar 1797 entsprang im Südwesten des Dorfes
ein Bach an einem tieferen Punkte. Viele Indianer
hielten denselben für einen Theil der Wassermasse die
unter dem Yana-Urcu fliesst. Seit dem grossen Erd-
beben ist aber dieser Bach wiederum verschwunden.

Nachdem wir die Nacht in Calpi, nach meiner
Barometermessung 9720 Fuss (1620 Toisen) hoch über
dem Meere zugebracht hatten, begannen wir am 23ten
Morgens unsere eigentliche Expedition nach dem Chim-
borazo. Wir versuchten den Berg von der südsüd-
östlichen Seite zu ersteigen und die Indianer, die uns
zu Führern dienen sollten, von denen aber nur we-
nige je bis zur Grenze des ewigen Schnees gelangt
waren, gaben dieser Richtung des Weges ebenfalls
den Vorzug. Wir fanden den Chimborazo mit gros-
sen Ebenen, die stufenweise über einander liegen,
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[184/0011] Besteigung des Chimborazo. ist viel zu schwach um ihr allein das Getöse zuzu- schreiben. Letzteres entsteht gewiss durch einen unterirdischen Bach, der in eine tiefere Höhle herab- stürzt und durch seinen Fall die Luftbewegung er- regt. Ein Mönch, Pfarrer in Calpi, hatte in derselben Meinung den Stollen auf einer offenen Kluft vor lan- ger Zeit angesetzt, um seinem Dorfe Wasser zu verschaffen. Die Härte des schwarzen Augitgesteins hat wahrscheinlich die Arbeit unterbrochen. Der Chimborazo sendet trotz seiner ungeheuren Schnee- masse so wasserarme Bäche in die Hochebene herab, dass man wohl annehmen kann, der grössere Theil seiner Wasser fliesse auf Klüften dem Inneren zu. Auch in dem Dorfe Calpi selbst hörte man ehemals ein grosses Getöse unter einem Hause, das keine Keller hatte. Vor dem berühmten Erdbeben vom 4. Februar 1797 entsprang im Südwesten des Dorfes ein Bach an einem tieferen Punkte. Viele Indianer hielten denselben für einen Theil der Wassermasse die unter dem Yana-Urcu fliesst. Seit dem grossen Erd- beben ist aber dieser Bach wiederum verschwunden. Nachdem wir die Nacht in Calpi, nach meiner Barometermessung 9720 Fuss (1620 Toisen) hoch über dem Meere zugebracht hatten, begannen wir am 23ten Morgens unsere eigentliche Expedition nach dem Chim- borazo. Wir versuchten den Berg von der südsüd- östlichen Seite zu ersteigen und die Indianer, die uns zu Führern dienen sollten, von denen aber nur we- nige je bis zur Grenze des ewigen Schnees gelangt waren, gaben dieser Richtung des Weges ebenfalls den Vorzug. Wir fanden den Chimborazo mit gros- sen Ebenen, die stufenweise über einander liegen, umgeben. Zuerst durchschritten wir die Llanos de

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206, hier S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_versuche_1837/11>, abgerufen am 30.04.2024.