Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite

dieser Beweis ist ihr so vollkommen geglückt, daß
dadurch die Frage aufgeworfen wurde, ob die un-
verheiratet bleibenden Frauen nicht unter Um-
ständen größere Kulturwerte produzieren als die
Ehefrauen. Es erscheint sehr naheliegend, daß un-
verheiratete Frauen sich einer Mission, einem Be-
rufe, einer Jdee mit mehr Hingabe widmen können,
weil keine anderen Pflichten sie ablenken oder eine
Teilung ihrer Tätigkeit begehren. Tatsächlich
wird auch ein großer Teil der sozialen und philan-
thropischen Gegenwartsarbeit speziell von unver-
heirateten Frauen in aufopfernder Weise geleistet.

Man begann diese Erscheinungen zu verfolgen
und konstatierte mit Unruhe, daß es sich tatsächlich
um eine zunehmende Ehescheu der Frau handelte,
die in der Neuen Welt ihren Ausgangspunkt ge-
nommen und sich zu uns herübergepflanzt hat.
Selbstverständlich handelt es sich bei dieser Er-
scheinung vorerst nur um eine geistige Elite von
Frauen. Das Gros heiratet ruhig weiter. Nach
einem Vergleich des Kaiserlichen Statistischen
Amtes ist der Prozentsatz der Eheschließungen im
Deutschen Reiche in 50 Jahren, von 1859 bis 1909,
der gleiche geblieben. Das hindert aber doch nicht,
daß gerade in den oberen Zehntausend eine
wachsende Eheunlust bereits seit geraumer Zeit
fühlbar ist.

So lange sie nur vom Manne ausging, erregte

17*

dieser Beweis ist ihr so vollkommen geglückt, daß
dadurch die Frage aufgeworfen wurde, ob die un-
verheiratet bleibenden Frauen nicht unter Um-
ständen größere Kulturwerte produzieren als die
Ehefrauen. Es erscheint sehr naheliegend, daß un-
verheiratete Frauen sich einer Mission, einem Be-
rufe, einer Jdee mit mehr Hingabe widmen können,
weil keine anderen Pflichten sie ablenken oder eine
Teilung ihrer Tätigkeit begehren. Tatsächlich
wird auch ein großer Teil der sozialen und philan-
thropischen Gegenwartsarbeit speziell von unver-
heirateten Frauen in aufopfernder Weise geleistet.

Man begann diese Erscheinungen zu verfolgen
und konstatierte mit Unruhe, daß es sich tatsächlich
um eine zunehmende Ehescheu der Frau handelte,
die in der Neuen Welt ihren Ausgangspunkt ge-
nommen und sich zu uns herübergepflanzt hat.
Selbstverständlich handelt es sich bei dieser Er-
scheinung vorerst nur um eine geistige Elite von
Frauen. Das Gros heiratet ruhig weiter. Nach
einem Vergleich des Kaiserlichen Statistischen
Amtes ist der Prozentsatz der Eheschließungen im
Deutschen Reiche in 50 Jahren, von 1859 bis 1909,
der gleiche geblieben. Das hindert aber doch nicht,
daß gerade in den oberen Zehntausend eine
wachsende Eheunlust bereits seit geraumer Zeit
fühlbar ist.

So lange sie nur vom Manne ausging, erregte

17*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0263" n="259"/>
dieser Beweis ist ihr so vollkommen geglückt, daß<lb/>
dadurch die Frage aufgeworfen wurde, ob die un-<lb/>
verheiratet bleibenden Frauen nicht unter Um-<lb/>
ständen größere Kulturwerte produzieren als die<lb/>
Ehefrauen. Es erscheint sehr naheliegend, daß un-<lb/>
verheiratete Frauen sich einer Mission, einem Be-<lb/>
rufe, einer Jdee mit mehr Hingabe widmen können,<lb/>
weil keine anderen Pflichten sie ablenken oder eine<lb/>
Teilung ihrer Tätigkeit begehren. Tatsächlich<lb/>
wird auch ein großer Teil der sozialen und philan-<lb/>
thropischen Gegenwartsarbeit speziell von unver-<lb/>
heirateten Frauen in aufopfernder Weise geleistet.</p><lb/>
          <p>Man begann diese Erscheinungen zu verfolgen<lb/>
und konstatierte mit Unruhe, daß es sich tatsächlich<lb/>
um eine zunehmende Ehescheu der Frau handelte,<lb/>
die in der Neuen Welt ihren Ausgangspunkt ge-<lb/>
nommen und sich zu uns herübergepflanzt hat.<lb/>
Selbstverständlich handelt es sich bei dieser Er-<lb/>
scheinung vorerst nur um eine geistige Elite von<lb/>
Frauen. Das Gros heiratet ruhig weiter. Nach<lb/>
einem Vergleich des Kaiserlichen Statistischen<lb/>
Amtes ist der Prozentsatz der Eheschließungen im<lb/>
Deutschen Reiche in 50 Jahren, von 1859 bis 1909,<lb/>
der gleiche geblieben. Das hindert aber doch nicht,<lb/>
daß gerade in den oberen Zehntausend eine<lb/>
wachsende Eheunlust bereits seit geraumer Zeit<lb/>
fühlbar ist.</p><lb/>
          <p>So lange sie nur vom Manne ausging, erregte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">17*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[259/0263] dieser Beweis ist ihr so vollkommen geglückt, daß dadurch die Frage aufgeworfen wurde, ob die un- verheiratet bleibenden Frauen nicht unter Um- ständen größere Kulturwerte produzieren als die Ehefrauen. Es erscheint sehr naheliegend, daß un- verheiratete Frauen sich einer Mission, einem Be- rufe, einer Jdee mit mehr Hingabe widmen können, weil keine anderen Pflichten sie ablenken oder eine Teilung ihrer Tätigkeit begehren. Tatsächlich wird auch ein großer Teil der sozialen und philan- thropischen Gegenwartsarbeit speziell von unver- heirateten Frauen in aufopfernder Weise geleistet. Man begann diese Erscheinungen zu verfolgen und konstatierte mit Unruhe, daß es sich tatsächlich um eine zunehmende Ehescheu der Frau handelte, die in der Neuen Welt ihren Ausgangspunkt ge- nommen und sich zu uns herübergepflanzt hat. Selbstverständlich handelt es sich bei dieser Er- scheinung vorerst nur um eine geistige Elite von Frauen. Das Gros heiratet ruhig weiter. Nach einem Vergleich des Kaiserlichen Statistischen Amtes ist der Prozentsatz der Eheschließungen im Deutschen Reiche in 50 Jahren, von 1859 bis 1909, der gleiche geblieben. Das hindert aber doch nicht, daß gerade in den oberen Zehntausend eine wachsende Eheunlust bereits seit geraumer Zeit fühlbar ist. So lange sie nur vom Manne ausging, erregte 17*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-12-07T10:34:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-12-07T10:34:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/263
Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/263>, abgerufen am 26.04.2024.