vorbehalten, in den Frauen die Freude und Lust an der neuen Arbeit, die von den veränderten Pro- duktionsverhältnissen ihnen aufgezwungen war, zu wecken, sie nach verbesserten Bedingungen, nach geeigneten Gebieten, nach Freiwerdung ihrer Kräfte streben zu lassen, um eine gesunde Entwick- lung dieser Arbeit zu erlangen.
Trotzdem diese Umstände so klar auf der Hand liegen, daß man ihr Verkennen oder Mißverstehen für ausgeschlossen halten sollte, war das letztere noch bis vor kurzem an der Tagesordnung, hört man sogar gegenwärtig immer noch, wenn auch vereinzelter als ehedem, den Ruf: "Die Frau ge- hört ins Haus!"
Wo sollen aber die vielen Häuser, in die alle weiblichen Wesen hineingehören, herkommen? Die Männer können und wollen sie weder bauen noch ihren Unterhalt bestreiten. Das beweist die zu- nehmende Ehelosigkeit der oberen Zehntausend. Jn der Altersklasse von 16 bis 30 Jahren beträgt im Deutschen Reich der Prozentsatz der verhei- rateten weiblichen Personen nur ein Viertel des Gesamtbestandes, in den Altersklassen von 30 bis 50 Jahren drei Viertel und in der letzten die Hälfte. Drei Viertel der weiblichen Bevölkerung gelangen mithin zur Eheschließung, aber nur für zwei Jahrzehnte ihres Lebens, vom 30. bis 50. Jahre. Vorher sind drei Viertel ehelos, und vom
vorbehalten, in den Frauen die Freude und Lust an der neuen Arbeit, die von den veränderten Pro- duktionsverhältnissen ihnen aufgezwungen war, zu wecken, sie nach verbesserten Bedingungen, nach geeigneten Gebieten, nach Freiwerdung ihrer Kräfte streben zu lassen, um eine gesunde Entwick- lung dieser Arbeit zu erlangen.
Trotzdem diese Umstände so klar auf der Hand liegen, daß man ihr Verkennen oder Mißverstehen für ausgeschlossen halten sollte, war das letztere noch bis vor kurzem an der Tagesordnung, hört man sogar gegenwärtig immer noch, wenn auch vereinzelter als ehedem, den Ruf: „Die Frau ge- hört ins Haus!“
Wo sollen aber die vielen Häuser, in die alle weiblichen Wesen hineingehören, herkommen? Die Männer können und wollen sie weder bauen noch ihren Unterhalt bestreiten. Das beweist die zu- nehmende Ehelosigkeit der oberen Zehntausend. Jn der Altersklasse von 16 bis 30 Jahren beträgt im Deutschen Reich der Prozentsatz der verhei- rateten weiblichen Personen nur ein Viertel des Gesamtbestandes, in den Altersklassen von 30 bis 50 Jahren drei Viertel und in der letzten die Hälfte. Drei Viertel der weiblichen Bevölkerung gelangen mithin zur Eheschließung, aber nur für zwei Jahrzehnte ihres Lebens, vom 30. bis 50. Jahre. Vorher sind drei Viertel ehelos, und vom
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vorbehalten, in den Frauen die Freude und Lust
an der neuen Arbeit, die von den veränderten Pro-
duktionsverhältnissen ihnen aufgezwungen war,
zu wecken, sie nach verbesserten Bedingungen, nach
geeigneten Gebieten, nach Freiwerdung ihrer
Kräfte streben zu lassen, um eine gesunde Entwick-
lung dieser Arbeit zu erlangen.
Trotzdem diese Umstände so klar auf der Hand
liegen, daß man ihr Verkennen oder Mißverstehen
für ausgeschlossen halten sollte, war das letztere
noch bis vor kurzem an der Tagesordnung, hört
man sogar gegenwärtig immer noch, wenn auch
vereinzelter als ehedem, den Ruf: „Die Frau ge-
hört ins Haus!“
Wo sollen aber die vielen Häuser, in die alle
weiblichen Wesen hineingehören, herkommen? Die
Männer können und wollen sie weder bauen noch
ihren Unterhalt bestreiten. Das beweist die zu-
nehmende Ehelosigkeit der oberen Zehntausend.
Jn der Altersklasse von 16 bis 30 Jahren beträgt
im Deutschen Reich der Prozentsatz der verhei-
rateten weiblichen Personen nur ein Viertel des
Gesamtbestandes, in den Altersklassen von 30 bis
50 Jahren drei Viertel und in der letzten die
Hälfte. Drei Viertel der weiblichen Bevölkerung
gelangen mithin zur Eheschließung, aber nur für
zwei Jahrzehnte ihres Lebens, vom 30. bis 50.
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(2020-12-07T10:34:09Z)
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Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/30>, abgerufen am 07.12.2023.
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