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Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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lustige Wesen, welches mit ihrer früheren Schwermuth so auffallend contrastirte, durchaus nicht finden. Indem ich sie halb gedankenlos führte, oder mich vielmehr von ihr führen ließ, merkte ich, daß sie in einem fort für sich kicherte. Sie sind ja so heiter, sagte ich, um nur etwas zu sagen. -- Es ist auch eine Situation zum Todtlachen, versetzte sie. -- Ich hätte so gern etwas Sentimentalität gehabt. Ich bat sie, die Larve hinwegzuthun, mich in ihre Augen blicken zu lassen. Nein, sagte sie, die Liebe ist ein Geheimniß, trachten Sie nicht nach verborgenen Dingen, lassen Sie mich Fledermaus sein und bleiben; wie befindet sich Ihre werthe Frau Gemahlin? -- Ein solches Wort aus ihrem Munde! Mir war, als würde mir ein Eimer eiskalten Wassers über dem Haupte ausgeleert. Lassen wir die Gute ruhn, die wohl bereits jetzt schläft, versetzte ich. War ich in der Gewalt eines Dämons, eines Kobolds? Sie wollte durchaus die Figur meiner Frau, ihre guten und schlechten Eigenschaften von mir beschrieben wissen. Ich sagte ihr verlegen und gepeinigt, meine Frau sei eine Frau, wie es manche gebe, und ihre Figur gehe so eben mit hin.

Wir standen vor einem ansehnlichen Hause. Hier ist eine Restauration, sagte meine Schöne, erwarten Sie mich dort, ich hole uns Gesellschaft. -- Wozu Gesellschaft? Gönne mir einige reizende Minuten mit dir allein! rief ich leidenschaftlich. Aber schon war sie mir entschlüpft und um die nächste Ecke verschwunden.

lustige Wesen, welches mit ihrer früheren Schwermuth so auffallend contrastirte, durchaus nicht finden. Indem ich sie halb gedankenlos führte, oder mich vielmehr von ihr führen ließ, merkte ich, daß sie in einem fort für sich kicherte. Sie sind ja so heiter, sagte ich, um nur etwas zu sagen. — Es ist auch eine Situation zum Todtlachen, versetzte sie. — Ich hätte so gern etwas Sentimentalität gehabt. Ich bat sie, die Larve hinwegzuthun, mich in ihre Augen blicken zu lassen. Nein, sagte sie, die Liebe ist ein Geheimniß, trachten Sie nicht nach verborgenen Dingen, lassen Sie mich Fledermaus sein und bleiben; wie befindet sich Ihre werthe Frau Gemahlin? — Ein solches Wort aus ihrem Munde! Mir war, als würde mir ein Eimer eiskalten Wassers über dem Haupte ausgeleert. Lassen wir die Gute ruhn, die wohl bereits jetzt schläft, versetzte ich. War ich in der Gewalt eines Dämons, eines Kobolds? Sie wollte durchaus die Figur meiner Frau, ihre guten und schlechten Eigenschaften von mir beschrieben wissen. Ich sagte ihr verlegen und gepeinigt, meine Frau sei eine Frau, wie es manche gebe, und ihre Figur gehe so eben mit hin.

Wir standen vor einem ansehnlichen Hause. Hier ist eine Restauration, sagte meine Schöne, erwarten Sie mich dort, ich hole uns Gesellschaft. — Wozu Gesellschaft? Gönne mir einige reizende Minuten mit dir allein! rief ich leidenschaftlich. Aber schon war sie mir entschlüpft und um die nächste Ecke verschwunden.

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[0070] lustige Wesen, welches mit ihrer früheren Schwermuth so auffallend contrastirte, durchaus nicht finden. Indem ich sie halb gedankenlos führte, oder mich vielmehr von ihr führen ließ, merkte ich, daß sie in einem fort für sich kicherte. Sie sind ja so heiter, sagte ich, um nur etwas zu sagen. — Es ist auch eine Situation zum Todtlachen, versetzte sie. — Ich hätte so gern etwas Sentimentalität gehabt. Ich bat sie, die Larve hinwegzuthun, mich in ihre Augen blicken zu lassen. Nein, sagte sie, die Liebe ist ein Geheimniß, trachten Sie nicht nach verborgenen Dingen, lassen Sie mich Fledermaus sein und bleiben; wie befindet sich Ihre werthe Frau Gemahlin? — Ein solches Wort aus ihrem Munde! Mir war, als würde mir ein Eimer eiskalten Wassers über dem Haupte ausgeleert. Lassen wir die Gute ruhn, die wohl bereits jetzt schläft, versetzte ich. War ich in der Gewalt eines Dämons, eines Kobolds? Sie wollte durchaus die Figur meiner Frau, ihre guten und schlechten Eigenschaften von mir beschrieben wissen. Ich sagte ihr verlegen und gepeinigt, meine Frau sei eine Frau, wie es manche gebe, und ihre Figur gehe so eben mit hin. Wir standen vor einem ansehnlichen Hause. Hier ist eine Restauration, sagte meine Schöne, erwarten Sie mich dort, ich hole uns Gesellschaft. — Wozu Gesellschaft? Gönne mir einige reizende Minuten mit dir allein! rief ich leidenschaftlich. Aber schon war sie mir entschlüpft und um die nächste Ecke verschwunden.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:19:09Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/70>, abgerufen am 01.05.2024.