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Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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der Commode auch fest sei, ich habe mehrere Hunderte darin zu verwahren.

Und dann?

Dann? -- Wer kann alle geringfügigen Umstände jahrelang behalten? -- Dann? Halt! ja! Ich habe ihm auch gesagt, er solle mir einen Esel bestellen, ich wolle nach der Bäderlei reiten.

So wußten also nebenan der Herr Arzt und die gnädige Gräfin, wohin der Mann mit dem vielen Gelde sich begeben hatte. Und nun denke ich, folgt das Andere ganz natürlich. Sie machten sich hinterher auf den Raubzug. Wie man dort durch eine seltsame Forderung deine Phantasie, deine Neigung zum Geheimnißvollen frappirt, wie der Arzt durch berechnete Zurückhaltung, durch die listige Art der Mittheilung dich gestimmt hat, auch das Unglaubliche zu glauben und eine handgreifliche Komödie für Wahrheit zu halten, das -- lieber Gustav -- hast du mir ja selbst vorgelesen. Jenes Glas Wasser auf der Bäderlei bezauberte dich, du warst blind für Alles, was sich dir aufdrängen mußte. Ich unglückliche Frau! daß ich weiß, was noch außerdem dir die Binde fester um die Augen zog!

Und der Diebstahl.... der Diebstahl!....

Wurde verübt, als du bei deiner sehenden Hellseherin hinter dem Schirme saßest. Du erinnerst dich, Metallreize wirkten auf die Kranke zu heftig, der gute Arzt ließ dich deßhalb alles Metall ablegen, worunter sich denn freilich zufällig auch die Schlüssel zu deinem

der Commode auch fest sei, ich habe mehrere Hunderte darin zu verwahren.

Und dann?

Dann? — Wer kann alle geringfügigen Umstände jahrelang behalten? — Dann? Halt! ja! Ich habe ihm auch gesagt, er solle mir einen Esel bestellen, ich wolle nach der Bäderlei reiten.

So wußten also nebenan der Herr Arzt und die gnädige Gräfin, wohin der Mann mit dem vielen Gelde sich begeben hatte. Und nun denke ich, folgt das Andere ganz natürlich. Sie machten sich hinterher auf den Raubzug. Wie man dort durch eine seltsame Forderung deine Phantasie, deine Neigung zum Geheimnißvollen frappirt, wie der Arzt durch berechnete Zurückhaltung, durch die listige Art der Mittheilung dich gestimmt hat, auch das Unglaubliche zu glauben und eine handgreifliche Komödie für Wahrheit zu halten, das — lieber Gustav — hast du mir ja selbst vorgelesen. Jenes Glas Wasser auf der Bäderlei bezauberte dich, du warst blind für Alles, was sich dir aufdrängen mußte. Ich unglückliche Frau! daß ich weiß, was noch außerdem dir die Binde fester um die Augen zog!

Und der Diebstahl.... der Diebstahl!....

Wurde verübt, als du bei deiner sehenden Hellseherin hinter dem Schirme saßest. Du erinnerst dich, Metallreize wirkten auf die Kranke zu heftig, der gute Arzt ließ dich deßhalb alles Metall ablegen, worunter sich denn freilich zufällig auch die Schlüssel zu deinem

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[0096] der Commode auch fest sei, ich habe mehrere Hunderte darin zu verwahren. Und dann? Dann? — Wer kann alle geringfügigen Umstände jahrelang behalten? — Dann? Halt! ja! Ich habe ihm auch gesagt, er solle mir einen Esel bestellen, ich wolle nach der Bäderlei reiten. So wußten also nebenan der Herr Arzt und die gnädige Gräfin, wohin der Mann mit dem vielen Gelde sich begeben hatte. Und nun denke ich, folgt das Andere ganz natürlich. Sie machten sich hinterher auf den Raubzug. Wie man dort durch eine seltsame Forderung deine Phantasie, deine Neigung zum Geheimnißvollen frappirt, wie der Arzt durch berechnete Zurückhaltung, durch die listige Art der Mittheilung dich gestimmt hat, auch das Unglaubliche zu glauben und eine handgreifliche Komödie für Wahrheit zu halten, das — lieber Gustav — hast du mir ja selbst vorgelesen. Jenes Glas Wasser auf der Bäderlei bezauberte dich, du warst blind für Alles, was sich dir aufdrängen mußte. Ich unglückliche Frau! daß ich weiß, was noch außerdem dir die Binde fester um die Augen zog! Und der Diebstahl.... der Diebstahl!.... Wurde verübt, als du bei deiner sehenden Hellseherin hinter dem Schirme saßest. Du erinnerst dich, Metallreize wirkten auf die Kranke zu heftig, der gute Arzt ließ dich deßhalb alles Metall ablegen, worunter sich denn freilich zufällig auch die Schlüssel zu deinem

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:19:09Z)

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/96>, abgerufen am 02.05.2024.