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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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ein Kaninchen, die Nasenflügel zitternd bewegte,
und mit den doppelfarbigen Augen zwinkerte.
Nichts natürlicher, als das. Hört nur zu. Der
besagte Ahnherr war leider Gottes, wie Ihr wißt,
ein ungemeiner und erschrecklicher Lügensack. Wer
erinnert sich nicht der zwölf Enten, die er mit
einem Stücke Schinkenspeck fing, nicht seines
halbirten Rosses, welches in diesem Zustande der
Halbheit dennoch eine Nachkommenschaft zu erzielen
vermögend war, nicht des tollgewordnen Jagdpel-
zes, nicht der im Posthorn eingefrornen Töne, und
-- und -- o! o! o! -- --

Das blaue Auge des Enkels weinte, sein
braunes blitzte von tugendhaftem Zorne, er konnte
nicht weiter reden. Dem alten Baron und seiner
Tochter gelang es endlich, ihn zu beruhigen.
Der edle Redner schluchzte noch ein Weniges,
dann fuhr er so fort: Es ist meiner Treu recht
schlecht von mir, daß ich von meinem in Gott
ruhenden Ahnherrn Uebles rede, aber Ehrlich
währt am längsten. Dieser Mensch und Lügner
hat die historische Wahrheit auf Jahrhunderte hin
vergiftet, und die nachgebornen Geschlechter gewis-
sermaßen unter die Botmäßigkeit jedes Irrwahn's

ein Kaninchen, die Naſenflügel zitternd bewegte,
und mit den doppelfarbigen Augen zwinkerte.
Nichts natürlicher, als das. Hört nur zu. Der
beſagte Ahnherr war leider Gottes, wie Ihr wißt,
ein ungemeiner und erſchrecklicher Lügenſack. Wer
erinnert ſich nicht der zwölf Enten, die er mit
einem Stücke Schinkenſpeck fing, nicht ſeines
halbirten Roſſes, welches in dieſem Zuſtande der
Halbheit dennoch eine Nachkommenſchaft zu erzielen
vermögend war, nicht des tollgewordnen Jagdpel-
zes, nicht der im Poſthorn eingefrornen Töne, und
— und — o! o! o! — —

Das blaue Auge des Enkels weinte, ſein
braunes blitzte von tugendhaftem Zorne, er konnte
nicht weiter reden. Dem alten Baron und ſeiner
Tochter gelang es endlich, ihn zu beruhigen.
Der edle Redner ſchluchzte noch ein Weniges,
dann fuhr er ſo fort: Es iſt meiner Treu recht
ſchlecht von mir, daß ich von meinem in Gott
ruhenden Ahnherrn Uebles rede, aber Ehrlich
währt am längſten. Dieſer Menſch und Lügner
hat die hiſtoriſche Wahrheit auf Jahrhunderte hin
vergiftet, und die nachgebornen Geſchlechter gewiſ-
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[4/0012] ein Kaninchen, die Naſenflügel zitternd bewegte, und mit den doppelfarbigen Augen zwinkerte. Nichts natürlicher, als das. Hört nur zu. Der beſagte Ahnherr war leider Gottes, wie Ihr wißt, ein ungemeiner und erſchrecklicher Lügenſack. Wer erinnert ſich nicht der zwölf Enten, die er mit einem Stücke Schinkenſpeck fing, nicht ſeines halbirten Roſſes, welches in dieſem Zuſtande der Halbheit dennoch eine Nachkommenſchaft zu erzielen vermögend war, nicht des tollgewordnen Jagdpel- zes, nicht der im Poſthorn eingefrornen Töne, und — und — o! o! o! — — Das blaue Auge des Enkels weinte, ſein braunes blitzte von tugendhaftem Zorne, er konnte nicht weiter reden. Dem alten Baron und ſeiner Tochter gelang es endlich, ihn zu beruhigen. Der edle Redner ſchluchzte noch ein Weniges, dann fuhr er ſo fort: Es iſt meiner Treu recht ſchlecht von mir, daß ich von meinem in Gott ruhenden Ahnherrn Uebles rede, aber Ehrlich währt am längſten. Dieſer Menſch und Lügner hat die hiſtoriſche Wahrheit auf Jahrhunderte hin vergiftet, und die nachgebornen Geſchlechter gewiſ- ſermaßen unter die Botmäßigkeit jedes Irrwahn’s

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/12>, abgerufen am 27.04.2024.