Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

schreiben, oder mit Papagaien und Schooßhunden
quängeln, unerträglich für Andere. Meine Tochter
hält sich nun weder Schooßhund noch Papagai,
dagegen einen Gedanken- und Erinnerungsliebha-
ber, mit dem sie verkehrt, wie mit einer lebendigen
Mannsperson. Besonders im Mondschein, wie jetzo,
ist sie immer sehr aufgeregt, und deßhalb hütet
Euch, Freund, diesen Zustand zu steigern; bedenkt,
was für ein Elend für mich alten Mann es wäre,
wenn ihre Krankheit aus diesem stillen und sonst
unschädlichen Faseln in einen lauten Raptus über-
ginge!

Münchhausen fehlte die Zeit, dem Vater beru-
higende Versicherungen zu geben, denn in der Taxus-
laube hinter dem Genius des Schweigens entstand
ein Geräusch und hervor trat Fräulein Emerentia,
die in der Laube der ganzen Rede zugehört hatte.
Zum Henker, rief der alte Baron, das habe ich
sauber gemacht! Er entfernte sich eilig in das
Schloß.

Emerentia näherte sich Münchhausen und sprach
mit sanfter Stimme: Es ist eine zu alte Erfah-
rung, daß die höherstehende Natur von ihren Umge-
bungen für wahnwitzig gehalten wird, als daß mich

ſchreiben, oder mit Papagaien und Schooßhunden
quängeln, unerträglich für Andere. Meine Tochter
hält ſich nun weder Schooßhund noch Papagai,
dagegen einen Gedanken- und Erinnerungsliebha-
ber, mit dem ſie verkehrt, wie mit einer lebendigen
Mannsperſon. Beſonders im Mondſchein, wie jetzo,
iſt ſie immer ſehr aufgeregt, und deßhalb hütet
Euch, Freund, dieſen Zuſtand zu ſteigern; bedenkt,
was für ein Elend für mich alten Mann es wäre,
wenn ihre Krankheit aus dieſem ſtillen und ſonſt
unſchädlichen Faſeln in einen lauten Raptus über-
ginge!

Münchhauſen fehlte die Zeit, dem Vater beru-
higende Verſicherungen zu geben, denn in der Taxus-
laube hinter dem Genius des Schweigens entſtand
ein Geräuſch und hervor trat Fräulein Emerentia,
die in der Laube der ganzen Rede zugehört hatte.
Zum Henker, rief der alte Baron, das habe ich
ſauber gemacht! Er entfernte ſich eilig in das
Schloß.

Emerentia näherte ſich Münchhauſen und ſprach
mit ſanfter Stimme: Es iſt eine zu alte Erfah-
rung, daß die höherſtehende Natur von ihren Umge-
bungen für wahnwitzig gehalten wird, als daß mich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0252" n="244"/>
&#x017F;chreiben, oder mit Papagaien und Schooßhunden<lb/>
quängeln, unerträglich für Andere. Meine Tochter<lb/>
hält &#x017F;ich nun weder Schooßhund noch Papagai,<lb/>
dagegen einen Gedanken- und Erinnerungsliebha-<lb/>
ber, mit dem &#x017F;ie verkehrt, wie mit einer lebendigen<lb/>
Mannsper&#x017F;on. Be&#x017F;onders im Mond&#x017F;chein, wie jetzo,<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;ie immer &#x017F;ehr aufgeregt, und deßhalb hütet<lb/>
Euch, Freund, die&#x017F;en Zu&#x017F;tand zu &#x017F;teigern; bedenkt,<lb/>
was für ein Elend für mich alten Mann es wäre,<lb/>
wenn ihre Krankheit aus die&#x017F;em &#x017F;tillen und &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
un&#x017F;chädlichen Fa&#x017F;eln in einen lauten Raptus über-<lb/>
ginge!</p><lb/>
          <p>Münchhau&#x017F;en fehlte die Zeit, dem Vater beru-<lb/>
higende Ver&#x017F;icherungen zu geben, denn in der Taxus-<lb/>
laube hinter dem Genius des Schweigens ent&#x017F;tand<lb/>
ein Geräu&#x017F;ch und hervor trat Fräulein Emerentia,<lb/>
die in der Laube der ganzen Rede zugehört hatte.<lb/>
Zum Henker, rief der alte Baron, das habe ich<lb/>
&#x017F;auber gemacht! Er entfernte &#x017F;ich eilig in das<lb/>
Schloß.</p><lb/>
          <p>Emerentia näherte &#x017F;ich Münchhau&#x017F;en und &#x017F;prach<lb/>
mit &#x017F;anfter Stimme: Es i&#x017F;t eine zu alte Erfah-<lb/>
rung, daß die höher&#x017F;tehende Natur von ihren Umge-<lb/>
bungen für wahnwitzig gehalten wird, als daß mich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0252] ſchreiben, oder mit Papagaien und Schooßhunden quängeln, unerträglich für Andere. Meine Tochter hält ſich nun weder Schooßhund noch Papagai, dagegen einen Gedanken- und Erinnerungsliebha- ber, mit dem ſie verkehrt, wie mit einer lebendigen Mannsperſon. Beſonders im Mondſchein, wie jetzo, iſt ſie immer ſehr aufgeregt, und deßhalb hütet Euch, Freund, dieſen Zuſtand zu ſteigern; bedenkt, was für ein Elend für mich alten Mann es wäre, wenn ihre Krankheit aus dieſem ſtillen und ſonſt unſchädlichen Faſeln in einen lauten Raptus über- ginge! Münchhauſen fehlte die Zeit, dem Vater beru- higende Verſicherungen zu geben, denn in der Taxus- laube hinter dem Genius des Schweigens entſtand ein Geräuſch und hervor trat Fräulein Emerentia, die in der Laube der ganzen Rede zugehört hatte. Zum Henker, rief der alte Baron, das habe ich ſauber gemacht! Er entfernte ſich eilig in das Schloß. Emerentia näherte ſich Münchhauſen und ſprach mit ſanfter Stimme: Es iſt eine zu alte Erfah- rung, daß die höherſtehende Natur von ihren Umge- bungen für wahnwitzig gehalten wird, als daß mich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/252
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/252>, abgerufen am 21.05.2024.