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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Freiherrn in einen Zustand versetzt hatten, welcher
sich schwer beschreiben läßt.

... liegt Cassel, die Hauptstadt des Kurfür-
stenthums Hessen. Reinliche, breite Straßen durch-
schneiden die obere oder Neustadt, deren Gebäude
fast alle von regelmäßiger Bauart sind, während
die untere oder Altstadt mehr dem Schmutze und
der Krümme anheimgefallen ist. Mehrere schöne
öffentliche Plätze verschönern jenen schöneren Theil
der Stadt, unter allen jedoch ist der Friedrichs-
platz der schönste, an welchem sich das prachtvolle
Schloß mit seinen langen Fensterfluchten erhebt.

Es war um die Zeit, als nach der glücklichen
Herstellung der alten Verhältnisse Kurfürst Wilhelm
in die Hallen seiner Väter zurückgekehrt war,
und unter mehreren früheren bewährten Einrich-
tungen auch jene Verlängerung des Haarwuchses
wieder eingeführt hatte, welche man im Deutschen
mit dem Namen Zopf zu belegen pflegt. Auch
diese Zeit ist längst vorüber, die Kunde von ihr
klingt fast wie die Mähr von dem versunkenen
Eilande Atlantis; der historischen Dichtung aber
ziemt es, nichts in der Geschichte verloren geben zu
lassen, nicht einmal den ehemaligen Kurhessischen Zopf.


Freiherrn in einen Zuſtand verſetzt hatten, welcher
ſich ſchwer beſchreiben läßt.

… liegt Caſſel, die Hauptſtadt des Kurfür-
ſtenthums Heſſen. Reinliche, breite Straßen durch-
ſchneiden die obere oder Neuſtadt, deren Gebäude
faſt alle von regelmäßiger Bauart ſind, während
die untere oder Altſtadt mehr dem Schmutze und
der Krümme anheimgefallen iſt. Mehrere ſchöne
öffentliche Plätze verſchönern jenen ſchöneren Theil
der Stadt, unter allen jedoch iſt der Friedrichs-
platz der ſchönſte, an welchem ſich das prachtvolle
Schloß mit ſeinen langen Fenſterfluchten erhebt.

Es war um die Zeit, als nach der glücklichen
Herſtellung der alten Verhältniſſe Kurfürſt Wilhelm
in die Hallen ſeiner Väter zurückgekehrt war,
und unter mehreren früheren bewährten Einrich-
tungen auch jene Verlängerung des Haarwuchſes
wieder eingeführt hatte, welche man im Deutſchen
mit dem Namen Zopf zu belegen pflegt. Auch
dieſe Zeit iſt längſt vorüber, die Kunde von ihr
klingt faſt wie die Mähr von dem verſunkenen
Eilande Atlantis; der hiſtoriſchen Dichtung aber
ziemt es, nichts in der Geſchichte verloren geben zu
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[27/0035] Freiherrn in einen Zuſtand verſetzt hatten, welcher ſich ſchwer beſchreiben läßt. … liegt Caſſel, die Hauptſtadt des Kurfür- ſtenthums Heſſen. Reinliche, breite Straßen durch- ſchneiden die obere oder Neuſtadt, deren Gebäude faſt alle von regelmäßiger Bauart ſind, während die untere oder Altſtadt mehr dem Schmutze und der Krümme anheimgefallen iſt. Mehrere ſchöne öffentliche Plätze verſchönern jenen ſchöneren Theil der Stadt, unter allen jedoch iſt der Friedrichs- platz der ſchönſte, an welchem ſich das prachtvolle Schloß mit ſeinen langen Fenſterfluchten erhebt. Es war um die Zeit, als nach der glücklichen Herſtellung der alten Verhältniſſe Kurfürſt Wilhelm in die Hallen ſeiner Väter zurückgekehrt war, und unter mehreren früheren bewährten Einrich- tungen auch jene Verlängerung des Haarwuchſes wieder eingeführt hatte, welche man im Deutſchen mit dem Namen Zopf zu belegen pflegt. Auch dieſe Zeit iſt längſt vorüber, die Kunde von ihr klingt faſt wie die Mähr von dem verſunkenen Eilande Atlantis; der hiſtoriſchen Dichtung aber ziemt es, nichts in der Geſchichte verloren geben zu laſſen, nicht einmal den ehemaligen Kurheſſiſchen Zopf.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/35>, abgerufen am 27.04.2024.