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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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tete sie eine schwere Krankheit und wollte den Arzt
herbeigeholt wissen, um Alles hätte sie ihn nicht
in der Nacht reisen lassen, und wo er ging oder
stand, mußte er sich vor Zugluft in Acht nehmen.
Während sie für ihre eigene Person hart, unbeküm-
mert und muthig blieb, sah sie in Jeglichem, was
meinen Vater umgab, Schreck und Gefährde.

Ja, Ja, murmelte der Hofschulze vor sich hin,
die vornehmen Leute haben zu dergleichen Zeit.
Bei uns Bauern kommt es auf einen Puff nicht an.

Am inständigsten flehte ihn meine Mutter an,
sich der Jagd zu enthalten. Sie hatte in den
ersten Jahren ihrer Ehe einen verworrenen Traum,
von dem sie sich beim Erwachen nur einer schönen
grünen Uniform, worin sie meinen Vater gesehen'
und daß ihn in derselben ein Unglück betroffen,
zu erinnern wußte. Nun fielen ihr alle die Ge-
schicke, die sich auf Jagden ereignen können; scheu-
gewordene Pferde, unvermuthet losgegangene Schüsse,
Eber, die den Schützen anrennen, und was der-
gleichen mehr war, ein, und sie ließ sich daher von
meinem Vater das Wort geben, nie diesem ver-
hängnißvollen Genusse wieder fröhnen zu wollen.
Er willfahrte ihr gern, denn er sah ihre Liebe zu

Immermann's Münchhausen. 1. Th. 23

tete ſie eine ſchwere Krankheit und wollte den Arzt
herbeigeholt wiſſen, um Alles hätte ſie ihn nicht
in der Nacht reiſen laſſen, und wo er ging oder
ſtand, mußte er ſich vor Zugluft in Acht nehmen.
Während ſie für ihre eigene Perſon hart, unbeküm-
mert und muthig blieb, ſah ſie in Jeglichem, was
meinen Vater umgab, Schreck und Gefährde.

Ja, Ja, murmelte der Hofſchulze vor ſich hin,
die vornehmen Leute haben zu dergleichen Zeit.
Bei uns Bauern kommt es auf einen Puff nicht an.

Am inſtändigſten flehte ihn meine Mutter an,
ſich der Jagd zu enthalten. Sie hatte in den
erſten Jahren ihrer Ehe einen verworrenen Traum,
von dem ſie ſich beim Erwachen nur einer ſchönen
grünen Uniform, worin ſie meinen Vater geſehen'
und daß ihn in derſelben ein Unglück betroffen,
zu erinnern wußte. Nun fielen ihr alle die Ge-
ſchicke, die ſich auf Jagden ereignen können; ſcheu-
gewordene Pferde, unvermuthet losgegangene Schüſſe,
Eber, die den Schützen anrennen, und was der-
gleichen mehr war, ein, und ſie ließ ſich daher von
meinem Vater das Wort geben, nie dieſem ver-
hängnißvollen Genuſſe wieder fröhnen zu wollen.
Er willfahrte ihr gern, denn er ſah ihre Liebe zu

Immermann’s Münchhauſen. 1. Th. 23
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[353/0361] tete ſie eine ſchwere Krankheit und wollte den Arzt herbeigeholt wiſſen, um Alles hätte ſie ihn nicht in der Nacht reiſen laſſen, und wo er ging oder ſtand, mußte er ſich vor Zugluft in Acht nehmen. Während ſie für ihre eigene Perſon hart, unbeküm- mert und muthig blieb, ſah ſie in Jeglichem, was meinen Vater umgab, Schreck und Gefährde. Ja, Ja, murmelte der Hofſchulze vor ſich hin, die vornehmen Leute haben zu dergleichen Zeit. Bei uns Bauern kommt es auf einen Puff nicht an. Am inſtändigſten flehte ihn meine Mutter an, ſich der Jagd zu enthalten. Sie hatte in den erſten Jahren ihrer Ehe einen verworrenen Traum, von dem ſie ſich beim Erwachen nur einer ſchönen grünen Uniform, worin ſie meinen Vater geſehen' und daß ihn in derſelben ein Unglück betroffen, zu erinnern wußte. Nun fielen ihr alle die Ge- ſchicke, die ſich auf Jagden ereignen können; ſcheu- gewordene Pferde, unvermuthet losgegangene Schüſſe, Eber, die den Schützen anrennen, und was der- gleichen mehr war, ein, und ſie ließ ſich daher von meinem Vater das Wort geben, nie dieſem ver- hängnißvollen Genuſſe wieder fröhnen zu wollen. Er willfahrte ihr gern, denn er ſah ihre Liebe zu Immermann’s Münchhauſen. 1. Th. 23

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/361>, abgerufen am 02.05.2024.