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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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Aber ihre Lage war zum Aeußersten gediehen.
Die Besserer draußen, das begriffen die Opfer der
Sittlichkeit drinnen, konnten es bei guter Nahrung
mit ansehen, wenn sich das Geschäft auch noch so
sehr in die Länge zog. Hunger thut weh, Ver-
stellung that Noth, die draußen zu täuschen. Der
Käfer überwand sich und fraß unter Verwünschun-
gen und Zuckungen etwas Lilien und Rosen, wel-
ches er aber alsobald wieder von sich gab, so übel
bekam ihm der höhere und reinere Lebensgenuß!
Die Fliege bezwang ihr schauderndes Gemüth und
verrichtete über der Feige einigermaßen und gleich-
sam zur Probe das, was von ihr im Namen der
Tugend gefordert wurde. Plato und Solon hat-
ten gelauscht und an dem Geräusche, welches
drinnen entstanden, abgenommen, daß etwas Ent-
scheidendes vorgefallen seyn müsse. Oeffnend jetzt
die beiden Verließe, sahen sie Lilien und Rosen
angenagt, das Feigenstücklein beschmeißt, Roß und
Schwärmerin aber halbohnmächtig auf dem Rücken
liegen. Solon und Plato umarmten einander mit
den Vorderbeinen und riefen: Triumph! die Tugend
hat gesiegt! Das Laster ist aus dem Busen dieser
sittlich Verwahrloseten gewichen, sie werden nie

Aber ihre Lage war zum Aeußerſten gediehen.
Die Beſſerer draußen, das begriffen die Opfer der
Sittlichkeit drinnen, konnten es bei guter Nahrung
mit anſehen, wenn ſich das Geſchäft auch noch ſo
ſehr in die Länge zog. Hunger thut weh, Ver-
ſtellung that Noth, die draußen zu täuſchen. Der
Käfer überwand ſich und fraß unter Verwünſchun-
gen und Zuckungen etwas Lilien und Roſen, wel-
ches er aber alſobald wieder von ſich gab, ſo übel
bekam ihm der höhere und reinere Lebensgenuß!
Die Fliege bezwang ihr ſchauderndes Gemüth und
verrichtete über der Feige einigermaßen und gleich-
ſam zur Probe das, was von ihr im Namen der
Tugend gefordert wurde. Plato und Solon hat-
ten gelauſcht und an dem Geräuſche, welches
drinnen entſtanden, abgenommen, daß etwas Ent-
ſcheidendes vorgefallen ſeyn müſſe. Oeffnend jetzt
die beiden Verließe, ſahen ſie Lilien und Roſen
angenagt, das Feigenſtücklein beſchmeißt, Roß und
Schwärmerin aber halbohnmächtig auf dem Rücken
liegen. Solon und Plato umarmten einander mit
den Vorderbeinen und riefen: Triumph! die Tugend
hat geſiegt! Das Laſter iſt aus dem Buſen dieſer
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[167/0185] Aber ihre Lage war zum Aeußerſten gediehen. Die Beſſerer draußen, das begriffen die Opfer der Sittlichkeit drinnen, konnten es bei guter Nahrung mit anſehen, wenn ſich das Geſchäft auch noch ſo ſehr in die Länge zog. Hunger thut weh, Ver- ſtellung that Noth, die draußen zu täuſchen. Der Käfer überwand ſich und fraß unter Verwünſchun- gen und Zuckungen etwas Lilien und Roſen, wel- ches er aber alſobald wieder von ſich gab, ſo übel bekam ihm der höhere und reinere Lebensgenuß! Die Fliege bezwang ihr ſchauderndes Gemüth und verrichtete über der Feige einigermaßen und gleich- ſam zur Probe das, was von ihr im Namen der Tugend gefordert wurde. Plato und Solon hat- ten gelauſcht und an dem Geräuſche, welches drinnen entſtanden, abgenommen, daß etwas Ent- ſcheidendes vorgefallen ſeyn müſſe. Oeffnend jetzt die beiden Verließe, ſahen ſie Lilien und Roſen angenagt, das Feigenſtücklein beſchmeißt, Roß und Schwärmerin aber halbohnmächtig auf dem Rücken liegen. Solon und Plato umarmten einander mit den Vorderbeinen und riefen: Triumph! die Tugend hat geſiegt! Das Laſter iſt aus dem Buſen dieſer ſittlich Verwahrloſeten gewichen, ſie werden nie

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/185>, abgerufen am 28.04.2024.