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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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Sie ihn denn gesehen? fragte ich. -- Nein, rief
sie, aber der Dürr hat ihn gesehen. Der garstige
Balg that, so oft er dieser Tage hier vorbeikam,
nach mir ein gräulich Blicken, daß es mir durch
die Seele fuhr, und gestern brüllt' er mich an:
Dir steht's nah'! Wahr dich! -- Das, und meine
Angst zuvor -- es ist gewiß, er geht um und
wird sich auf mich setzen, und dann können die
Geheimnisse an den Tag kommen, die mich Zeit-
lebens unglücklich machen werden! O du arme
Anna Katharina Schnotterbaum, womit hast du das
verschuldet?

Da alle meine Versuche, Einlaß zu bekommen,
umsonst waren, wandte ich mich zu dem Nachbarn
zurück, und bat ihn um Aufklärung über diese dunklen
Reden. Er versetzte, er wisse nicht, was der Schnei-
der mit der Nätherin vorgenommen habe, übrigens
könne der magische Kerl, wie er ihn nannte, den
Menschen anschauen, daß ihm Hören und Sehen
vergehe. Es ist ein Unglück, fuhr dieser Mann
fort, daß der Polterkram sich hier etablirt hat.
Man ist gar nicht mehr sicher, daß man nicht auch
einen Geist in der Familie besitzt, der bei Gele-
genheit Sachen ausschwätzt, die nicht vor's Publicum

Sie ihn denn geſehen? fragte ich. — Nein, rief
ſie, aber der Dürr hat ihn geſehen. Der garſtige
Balg that, ſo oft er dieſer Tage hier vorbeikam,
nach mir ein gräulich Blicken, daß es mir durch
die Seele fuhr, und geſtern brüllt’ er mich an:
Dir ſteht’s nah’! Wahr dich! — Das, und meine
Angſt zuvor — es iſt gewiß, er geht um und
wird ſich auf mich ſetzen, und dann können die
Geheimniſſe an den Tag kommen, die mich Zeit-
lebens unglücklich machen werden! O du arme
Anna Katharina Schnotterbaum, womit haſt du das
verſchuldet?

Da alle meine Verſuche, Einlaß zu bekommen,
umſonſt waren, wandte ich mich zu dem Nachbarn
zurück, und bat ihn um Aufklärung über dieſe dunklen
Reden. Er verſetzte, er wiſſe nicht, was der Schnei-
der mit der Nätherin vorgenommen habe, übrigens
könne der magiſche Kerl, wie er ihn nannte, den
Menſchen anſchauen, daß ihm Hören und Sehen
vergehe. Es iſt ein Unglück, fuhr dieſer Mann
fort, daß der Polterkram ſich hier etablirt hat.
Man iſt gar nicht mehr ſicher, daß man nicht auch
einen Geiſt in der Familie beſitzt, der bei Gele-
genheit Sachen ausſchwätzt, die nicht vor’s Publicum

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[281/0299] Sie ihn denn geſehen? fragte ich. — Nein, rief ſie, aber der Dürr hat ihn geſehen. Der garſtige Balg that, ſo oft er dieſer Tage hier vorbeikam, nach mir ein gräulich Blicken, daß es mir durch die Seele fuhr, und geſtern brüllt’ er mich an: Dir ſteht’s nah’! Wahr dich! — Das, und meine Angſt zuvor — es iſt gewiß, er geht um und wird ſich auf mich ſetzen, und dann können die Geheimniſſe an den Tag kommen, die mich Zeit- lebens unglücklich machen werden! O du arme Anna Katharina Schnotterbaum, womit haſt du das verſchuldet? Da alle meine Verſuche, Einlaß zu bekommen, umſonſt waren, wandte ich mich zu dem Nachbarn zurück, und bat ihn um Aufklärung über dieſe dunklen Reden. Er verſetzte, er wiſſe nicht, was der Schnei- der mit der Nätherin vorgenommen habe, übrigens könne der magiſche Kerl, wie er ihn nannte, den Menſchen anſchauen, daß ihm Hören und Sehen vergehe. Es iſt ein Unglück, fuhr dieſer Mann fort, daß der Polterkram ſich hier etablirt hat. Man iſt gar nicht mehr ſicher, daß man nicht auch einen Geiſt in der Familie beſitzt, der bei Gele- genheit Sachen ausſchwätzt, die nicht vor’s Publicum

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/299>, abgerufen am 29.04.2024.