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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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zunächst der Thüre stand. Da ich etwas neugierig
bin, benutzte ich einen Augenblick, in welchem ich
mich für unbeachtet halten durfte, um mich auch
hinter der spanischen Wand umzusehen. Zu meinem
allergrößten Erstaunen aber fand ich hinter der-
selben einen Bekannten, den ich auf der Stelle mir
erinnerlich zu machen wußte, nämlich -- den Ge-
hülfen aus dem Würzburger Juliusspital, mit dem
ich mich über die Seherin von Prevorst und die
beiden entlaufenen alten Weiber unterhalten hatte.
Ich wollte meiner Verwunderung durch einen Aus-
ruf Luft machen, der Gehülfe hielt mir aber den
Mund zu und sagte: Erregen Sie kein Aufsehen,
die vorseiende heilige Handlung darf nicht gestört
werden, ein Zufall führt mich auf dieser meiner
Reise durch Weinsperg, und es war wohl natür-
lich, daß ich ein Zeuge des merkwürdigen Ereig-
nisses zu werden wünschte, von welchem ich, sobald
ich im Wirthshause abgetreten war, zu hören be-
kam. Was den Umstand betrifft, daß ich hier
hinter der spanischen Wand zuzusehen, oder vielmehr
zuzuhören wünsche, so ist dieses Letztere eine Lieb-
haberei von mir, die sonder Zweifel zu den völlig
unschuldigen gehört.


zunächſt der Thüre ſtand. Da ich etwas neugierig
bin, benutzte ich einen Augenblick, in welchem ich
mich für unbeachtet halten durfte, um mich auch
hinter der ſpaniſchen Wand umzuſehen. Zu meinem
allergrößten Erſtaunen aber fand ich hinter der-
ſelben einen Bekannten, den ich auf der Stelle mir
erinnerlich zu machen wußte, nämlich — den Ge-
hülfen aus dem Würzburger Juliusſpital, mit dem
ich mich über die Seherin von Prevorſt und die
beiden entlaufenen alten Weiber unterhalten hatte.
Ich wollte meiner Verwunderung durch einen Aus-
ruf Luft machen, der Gehülfe hielt mir aber den
Mund zu und ſagte: Erregen Sie kein Aufſehen,
die vorſeiende heilige Handlung darf nicht geſtört
werden, ein Zufall führt mich auf dieſer meiner
Reiſe durch Weinſperg, und es war wohl natür-
lich, daß ich ein Zeuge des merkwürdigen Ereig-
niſſes zu werden wünſchte, von welchem ich, ſobald
ich im Wirthshauſe abgetreten war, zu hören be-
kam. Was den Umſtand betrifft, daß ich hier
hinter der ſpaniſchen Wand zuzuſehen, oder vielmehr
zuzuhören wünſche, ſo iſt dieſes Letztere eine Lieb-
haberei von mir, die ſonder Zweifel zu den völlig
unſchuldigen gehört.


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[332/0350] zunächſt der Thüre ſtand. Da ich etwas neugierig bin, benutzte ich einen Augenblick, in welchem ich mich für unbeachtet halten durfte, um mich auch hinter der ſpaniſchen Wand umzuſehen. Zu meinem allergrößten Erſtaunen aber fand ich hinter der- ſelben einen Bekannten, den ich auf der Stelle mir erinnerlich zu machen wußte, nämlich — den Ge- hülfen aus dem Würzburger Juliusſpital, mit dem ich mich über die Seherin von Prevorſt und die beiden entlaufenen alten Weiber unterhalten hatte. Ich wollte meiner Verwunderung durch einen Aus- ruf Luft machen, der Gehülfe hielt mir aber den Mund zu und ſagte: Erregen Sie kein Aufſehen, die vorſeiende heilige Handlung darf nicht geſtört werden, ein Zufall führt mich auf dieſer meiner Reiſe durch Weinſperg, und es war wohl natür- lich, daß ich ein Zeuge des merkwürdigen Ereig- niſſes zu werden wünſchte, von welchem ich, ſobald ich im Wirthshauſe abgetreten war, zu hören be- kam. Was den Umſtand betrifft, daß ich hier hinter der ſpaniſchen Wand zuzuſehen, oder vielmehr zuzuhören wünſche, ſo iſt dieſes Letztere eine Lieb- haberei von mir, die ſonder Zweifel zu den völlig unſchuldigen gehört.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/350>, abgerufen am 27.04.2024.