Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

den ganz verschiedene Schicht. Bauer aber und hoher
Aristocrat stimmen darin überein, daß Ersterer so-
wohl als Letzterer weniger sich, als ihrer Gattung
angehören, zuvörderst Bauer sind und Aristocrat
und erst nachher Mensch.

Der mythische Cavalier, welcher diese uner-
wartete Parallele zu hören bekam, schwieg einige
Zeit tiefsinnig. Dann versetzte er: Sie haben,
Herr Prediger, dieses mehr aus Büchern. Ich ver-
sichere Sie, daß wir mit der Zeit fortgeschritten
sind. Wir heirathen sogar Jüdinnen.

Excellenz, fuhr der Diaconus mit aller Ver-
gessenheit eines deutschen Gelehrten heraus, der
Adel, den Sie meinen, ist ein reines Garnichts
und kommt mir höchstens vor wie der Schwamm
im Hause.

Hierauf wollte die Excellenz ein Gesicht machen,
welches erhaben aussehen sollte; es ließ sich jedoch
nur vornehm an. In diesem Augenblicke kam sein
Privatsecretair und meldete, daß der Wagen, zur
Weiterreise fertig, vor dem Hofe halte. Er ging
hierauf, sehr höflich von dem Hofschulzen und dem
Diaconus geleitet, zur Pforte, wo er Beide ent-
ließ. Gedanken hatte er nicht über das Vorge-

den ganz verſchiedene Schicht. Bauer aber und hoher
Ariſtocrat ſtimmen darin überein, daß Erſterer ſo-
wohl als Letzterer weniger ſich, als ihrer Gattung
angehören, zuvörderſt Bauer ſind und Ariſtocrat
und erſt nachher Menſch.

Der mythiſche Cavalier, welcher dieſe uner-
wartete Parallele zu hören bekam, ſchwieg einige
Zeit tiefſinnig. Dann verſetzte er: Sie haben,
Herr Prediger, dieſes mehr aus Büchern. Ich ver-
ſichere Sie, daß wir mit der Zeit fortgeſchritten
ſind. Wir heirathen ſogar Jüdinnen.

Excellenz, fuhr der Diaconus mit aller Ver-
geſſenheit eines deutſchen Gelehrten heraus, der
Adel, den Sie meinen, iſt ein reines Garnichts
und kommt mir höchſtens vor wie der Schwamm
im Hauſe.

Hierauf wollte die Excellenz ein Geſicht machen,
welches erhaben ausſehen ſollte; es ließ ſich jedoch
nur vornehm an. In dieſem Augenblicke kam ſein
Privatſecretair und meldete, daß der Wagen, zur
Weiterreiſe fertig, vor dem Hofe halte. Er ging
hierauf, ſehr höflich von dem Hofſchulzen und dem
Diaconus geleitet, zur Pforte, wo er Beide ent-
ließ. Gedanken hatte er nicht über das Vorge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0125" n="111"/>
den ganz ver&#x017F;chiedene Schicht. Bauer aber und hoher<lb/>
Ari&#x017F;tocrat &#x017F;timmen darin überein, daß Er&#x017F;terer &#x017F;o-<lb/>
wohl als Letzterer weniger &#x017F;ich, als ihrer Gattung<lb/>
angehören, zuvörder&#x017F;t Bauer &#x017F;ind und Ari&#x017F;tocrat<lb/>
und er&#x017F;t nachher Men&#x017F;ch.</p><lb/>
          <p>Der mythi&#x017F;che Cavalier, welcher die&#x017F;e uner-<lb/>
wartete Parallele zu hören bekam, &#x017F;chwieg einige<lb/>
Zeit tief&#x017F;innig. Dann ver&#x017F;etzte er: Sie haben,<lb/>
Herr Prediger, die&#x017F;es mehr aus Büchern. Ich ver-<lb/>
&#x017F;ichere Sie, daß wir mit der Zeit fortge&#x017F;chritten<lb/>
&#x017F;ind. Wir heirathen &#x017F;ogar Jüdinnen.</p><lb/>
          <p>Excellenz, fuhr der Diaconus mit aller Ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;enheit eines deut&#x017F;chen Gelehrten heraus, der<lb/>
Adel, den Sie meinen, i&#x017F;t ein reines Garnichts<lb/>
und kommt mir höch&#x017F;tens vor wie der Schwamm<lb/>
im Hau&#x017F;e.</p><lb/>
          <p>Hierauf wollte die <choice><sic>Ercellenz</sic><corr>Excellenz</corr></choice> ein Ge&#x017F;icht machen,<lb/>
welches erhaben aus&#x017F;ehen &#x017F;ollte; es ließ &#x017F;ich jedoch<lb/>
nur vornehm an. In die&#x017F;em Augenblicke kam &#x017F;ein<lb/>
Privat&#x017F;ecretair und meldete, daß der Wagen, zur<lb/>
Weiterrei&#x017F;e fertig, vor dem Hofe halte. Er ging<lb/>
hierauf, &#x017F;ehr höflich von dem Hof&#x017F;chulzen und dem<lb/>
Diaconus geleitet, zur Pforte, wo er Beide ent-<lb/>
ließ. Gedanken hatte er nicht über das Vorge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0125] den ganz verſchiedene Schicht. Bauer aber und hoher Ariſtocrat ſtimmen darin überein, daß Erſterer ſo- wohl als Letzterer weniger ſich, als ihrer Gattung angehören, zuvörderſt Bauer ſind und Ariſtocrat und erſt nachher Menſch. Der mythiſche Cavalier, welcher dieſe uner- wartete Parallele zu hören bekam, ſchwieg einige Zeit tiefſinnig. Dann verſetzte er: Sie haben, Herr Prediger, dieſes mehr aus Büchern. Ich ver- ſichere Sie, daß wir mit der Zeit fortgeſchritten ſind. Wir heirathen ſogar Jüdinnen. Excellenz, fuhr der Diaconus mit aller Ver- geſſenheit eines deutſchen Gelehrten heraus, der Adel, den Sie meinen, iſt ein reines Garnichts und kommt mir höchſtens vor wie der Schwamm im Hauſe. Hierauf wollte die Excellenz ein Geſicht machen, welches erhaben ausſehen ſollte; es ließ ſich jedoch nur vornehm an. In dieſem Augenblicke kam ſein Privatſecretair und meldete, daß der Wagen, zur Weiterreiſe fertig, vor dem Hofe halte. Er ging hierauf, ſehr höflich von dem Hofſchulzen und dem Diaconus geleitet, zur Pforte, wo er Beide ent- ließ. Gedanken hatte er nicht über das Vorge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/125
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/125>, abgerufen am 30.04.2024.