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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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um. Ein dürrer, sonderbar mißfarbiger Stecken
lag in seiner Hand. Er stand zwischen Gestein,
welches sich zu einer Kluft wölbte, die aber nicht
eben mächtig war. In der Tiefe klangen schrillende,
pfeifende Töne, wie sie die großen Eulen von sich
zu geben pflegen. Die Gegend umher war wie
verwandelt. Es war eine mäßige Anhöhe, kahl
und ärmlich, mit unbedeutenden Steinen übersäet,
zwischen denen auf der einen Seite nach der Tiefe
zu durch feuchtes Erdreich der Weg hinableitete,
den er heraufgekommen war. Von den großen
Felsblöcken war keiner mehr zu erschauen. Ihn
fror, obgleich die Sonne hoch am Himmel schien.
Es bedünkte ihn, als habe sie denselben Stand,
wie damals, als er ausgegangen war, den Zweig
zu holen, der nun zum dürren Stecken in seiner
Hand geworden war. Er ging den Pfad über die
Steine hinab, das Wandern fiel ihm beschwerlich,
er mußte sich auf den Stecken stützen, das Haupt
hing auf die Brust hinab, er hörte seinen Othem, der
mühsam aus ihr hervordrang. An einer schlüpf-
richten Stelle des Pfades glitt er aus und mußte
sich am Gebüsch halten. Dabei kam ihm seine
Hand dicht vor das Auge, die sah grau und runz-

um. Ein dürrer, ſonderbar mißfarbiger Stecken
lag in ſeiner Hand. Er ſtand zwiſchen Geſtein,
welches ſich zu einer Kluft wölbte, die aber nicht
eben mächtig war. In der Tiefe klangen ſchrillende,
pfeifende Töne, wie ſie die großen Eulen von ſich
zu geben pflegen. Die Gegend umher war wie
verwandelt. Es war eine mäßige Anhöhe, kahl
und ärmlich, mit unbedeutenden Steinen überſäet,
zwiſchen denen auf der einen Seite nach der Tiefe
zu durch feuchtes Erdreich der Weg hinableitete,
den er heraufgekommen war. Von den großen
Felsblöcken war keiner mehr zu erſchauen. Ihn
fror, obgleich die Sonne hoch am Himmel ſchien.
Es bedünkte ihn, als habe ſie denſelben Stand,
wie damals, als er ausgegangen war, den Zweig
zu holen, der nun zum dürren Stecken in ſeiner
Hand geworden war. Er ging den Pfad über die
Steine hinab, das Wandern fiel ihm beſchwerlich,
er mußte ſich auf den Stecken ſtützen, das Haupt
hing auf die Bruſt hinab, er hörte ſeinen Othem, der
mühſam aus ihr hervordrang. An einer ſchlüpf-
richten Stelle des Pfades glitt er aus und mußte
ſich am Gebüſch halten. Dabei kam ihm ſeine
Hand dicht vor das Auge, die ſah grau und runz-

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[174/0188] um. Ein dürrer, ſonderbar mißfarbiger Stecken lag in ſeiner Hand. Er ſtand zwiſchen Geſtein, welches ſich zu einer Kluft wölbte, die aber nicht eben mächtig war. In der Tiefe klangen ſchrillende, pfeifende Töne, wie ſie die großen Eulen von ſich zu geben pflegen. Die Gegend umher war wie verwandelt. Es war eine mäßige Anhöhe, kahl und ärmlich, mit unbedeutenden Steinen überſäet, zwiſchen denen auf der einen Seite nach der Tiefe zu durch feuchtes Erdreich der Weg hinableitete, den er heraufgekommen war. Von den großen Felsblöcken war keiner mehr zu erſchauen. Ihn fror, obgleich die Sonne hoch am Himmel ſchien. Es bedünkte ihn, als habe ſie denſelben Stand, wie damals, als er ausgegangen war, den Zweig zu holen, der nun zum dürren Stecken in ſeiner Hand geworden war. Er ging den Pfad über die Steine hinab, das Wandern fiel ihm beſchwerlich, er mußte ſich auf den Stecken ſtützen, das Haupt hing auf die Bruſt hinab, er hörte ſeinen Othem, der mühſam aus ihr hervordrang. An einer ſchlüpf- richten Stelle des Pfades glitt er aus und mußte ſich am Gebüſch halten. Dabei kam ihm ſeine Hand dicht vor das Auge, die ſah grau und runz-

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/188>, abgerufen am 02.05.2024.