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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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den Freund in Stuttgart auf, that sie in die gol-
dene Kapsel und sagte: Es ist nicht wahr, daß
ich mich nicht vor dem Tode fürchte, aber ich habe
Ehre zwischen mich und meine Feigheit geschoben,
getrieben, gekeilt; Ehre steckt wie ein Pflock vor
der Feigheit und läßt sie nicht zum Herzen drin-
gen, Ehre ist etwas Großes und mehr werth als
Tugend, denn zur Ehre gehört kein Herz, ohne
welches Tugend sich nicht zu behelfen weiß.

Brav will ich sterben, wie ein Bräutigam!
rief er. -- Als Offizier sieht man selbst noch im Tode
besser aus, darum rasch meine Uniform angelegt,
meine rothe Phantasieuniform und hinweg ihr un-
angenehmen Erinnerungen, die Ihr Euch an den
Rock hängt! Sie ist todt! todt! todt! die Gans,
oder eingesperrt, oder verheirathet. O du meines
Lebens einzige Lüge, deren ich mich schäme und
die mir selbst diese Abschiedsstunde vergiften will,
hinweg!

Er legte die rothe Uniform an, setzte den Of-
fizierhut auf, der aus dem kleinen Klack entstan-
den war, sah sich mit einer Art von schmerzlichem
Wohlgefallen im Spiegel und philosophirte, ver-
muthlich um den Pflock vor seinem Herzen festzu-

den Freund in Stuttgart auf, that ſie in die gol-
dene Kapſel und ſagte: Es iſt nicht wahr, daß
ich mich nicht vor dem Tode fürchte, aber ich habe
Ehre zwiſchen mich und meine Feigheit geſchoben,
getrieben, gekeilt; Ehre ſteckt wie ein Pflock vor
der Feigheit und läßt ſie nicht zum Herzen drin-
gen, Ehre iſt etwas Großes und mehr werth als
Tugend, denn zur Ehre gehört kein Herz, ohne
welches Tugend ſich nicht zu behelfen weiß.

Brav will ich ſterben, wie ein Bräutigam!
rief er. — Als Offizier ſieht man ſelbſt noch im Tode
beſſer aus, darum raſch meine Uniform angelegt,
meine rothe Phantaſieuniform und hinweg ihr un-
angenehmen Erinnerungen, die Ihr Euch an den
Rock hängt! Sie iſt todt! todt! todt! die Gans,
oder eingeſperrt, oder verheirathet. O du meines
Lebens einzige Lüge, deren ich mich ſchäme und
die mir ſelbſt dieſe Abſchiedsſtunde vergiften will,
hinweg!

Er legte die rothe Uniform an, ſetzte den Of-
fizierhut auf, der aus dem kleinen Klack entſtan-
den war, ſah ſich mit einer Art von ſchmerzlichem
Wohlgefallen im Spiegel und philoſophirte, ver-
muthlich um den Pflock vor ſeinem Herzen feſtzu-

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[386/0400] den Freund in Stuttgart auf, that ſie in die gol- dene Kapſel und ſagte: Es iſt nicht wahr, daß ich mich nicht vor dem Tode fürchte, aber ich habe Ehre zwiſchen mich und meine Feigheit geſchoben, getrieben, gekeilt; Ehre ſteckt wie ein Pflock vor der Feigheit und läßt ſie nicht zum Herzen drin- gen, Ehre iſt etwas Großes und mehr werth als Tugend, denn zur Ehre gehört kein Herz, ohne welches Tugend ſich nicht zu behelfen weiß. Brav will ich ſterben, wie ein Bräutigam! rief er. — Als Offizier ſieht man ſelbſt noch im Tode beſſer aus, darum raſch meine Uniform angelegt, meine rothe Phantaſieuniform und hinweg ihr un- angenehmen Erinnerungen, die Ihr Euch an den Rock hängt! Sie iſt todt! todt! todt! die Gans, oder eingeſperrt, oder verheirathet. O du meines Lebens einzige Lüge, deren ich mich ſchäme und die mir ſelbſt dieſe Abſchiedsſtunde vergiften will, hinweg! Er legte die rothe Uniform an, ſetzte den Of- fizierhut auf, der aus dem kleinen Klack entſtan- den war, ſah ſich mit einer Art von ſchmerzlichem Wohlgefallen im Spiegel und philoſophirte, ver- muthlich um den Pflock vor ſeinem Herzen feſtzu-

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/400>, abgerufen am 29.04.2024.