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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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Er richtete sich empor und schüttelte sich wie
vor Fieberfrost in dem häßlichen kalten Dunst da
droben auf der Bergeshalde. Seine dunkelen Lo-
cken hingen ihm tief wie Wolken in das Gesicht.
Dumpf sagte er: Nimm dieses Geld, Jochem,
bezahle damit, was du etwa schuldig bist und deine
Zehrung. Erwarte mich in der Stadt bei dem
Diaconus. Morgen, oder vielleicht noch heute
Abend komme ich hin. Jetzt gehe ich nach dem
Oberhofe, um dem Mädchen Adieu zu sagen.

Adieu? fragte der Alte, der aus dem Himmel
seiner Freude gestürzt war.

Ich werde das Mädchen, mit welchem ich mich
verlobte, nicht heirathen, sagte Oswald, bemüht,
seiner Stimme Festigkeit zu geben. Sie ging aber
bei den letzten Worten in ein gebrochenes Zittern
über. Er schritt schnell über den Abhang des Ber-
ges nach der Börde hinunter.

Der alte Jochem sah ihm nach. Er beschaute
das Geld, welches ihm der Graf gegeben hatte,
dann sah er die Stelle an, wo die Klagen seines
Herrn erschollen waren, dann nahm er seinen Hut
in die Hand und drehte ihn, Kopf und Krämpe
achtsam betrachtend, hin und her. Er setzte den

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Er richtete ſich empor und ſchüttelte ſich wie
vor Fieberfroſt in dem häßlichen kalten Dunſt da
droben auf der Bergeshalde. Seine dunkelen Lo-
cken hingen ihm tief wie Wolken in das Geſicht.
Dumpf ſagte er: Nimm dieſes Geld, Jochem,
bezahle damit, was du etwa ſchuldig biſt und deine
Zehrung. Erwarte mich in der Stadt bei dem
Diaconus. Morgen, oder vielleicht noch heute
Abend komme ich hin. Jetzt gehe ich nach dem
Oberhofe, um dem Mädchen Adieu zu ſagen.

Adieu? fragte der Alte, der aus dem Himmel
ſeiner Freude geſtürzt war.

Ich werde das Mädchen, mit welchem ich mich
verlobte, nicht heirathen, ſagte Oswald, bemüht,
ſeiner Stimme Feſtigkeit zu geben. Sie ging aber
bei den letzten Worten in ein gebrochenes Zittern
über. Er ſchritt ſchnell über den Abhang des Ber-
ges nach der Börde hinunter.

Der alte Jochem ſah ihm nach. Er beſchaute
das Geld, welches ihm der Graf gegeben hatte,
dann ſah er die Stelle an, wo die Klagen ſeines
Herrn erſchollen waren, dann nahm er ſeinen Hut
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[435/0449] Er richtete ſich empor und ſchüttelte ſich wie vor Fieberfroſt in dem häßlichen kalten Dunſt da droben auf der Bergeshalde. Seine dunkelen Lo- cken hingen ihm tief wie Wolken in das Geſicht. Dumpf ſagte er: Nimm dieſes Geld, Jochem, bezahle damit, was du etwa ſchuldig biſt und deine Zehrung. Erwarte mich in der Stadt bei dem Diaconus. Morgen, oder vielleicht noch heute Abend komme ich hin. Jetzt gehe ich nach dem Oberhofe, um dem Mädchen Adieu zu ſagen. Adieu? fragte der Alte, der aus dem Himmel ſeiner Freude geſtürzt war. Ich werde das Mädchen, mit welchem ich mich verlobte, nicht heirathen, ſagte Oswald, bemüht, ſeiner Stimme Feſtigkeit zu geben. Sie ging aber bei den letzten Worten in ein gebrochenes Zittern über. Er ſchritt ſchnell über den Abhang des Ber- ges nach der Börde hinunter. Der alte Jochem ſah ihm nach. Er beſchaute das Geld, welches ihm der Graf gegeben hatte, dann ſah er die Stelle an, wo die Klagen ſeines Herrn erſchollen waren, dann nahm er ſeinen Hut in die Hand und drehte ihn, Kopf und Krämpe achtſam betrachtend, hin und her. Er ſetzte den 28*

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/449>, abgerufen am 15.06.2024.