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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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von so einem Junker. -- Seine rauhen Gedanken
flogen wie ein widriger Sturm um diese reine
Knospe, die zur Blüthe aufbrechen wollte. Er
nahm sich vor Lisbeth bei erster günstiger Gele-
genheit zu warnen.

Wovor? -- Zwischen ihr und ihrem Freunde
war Alles Unschuld, Demuth, der keuscheste Traum
eines guten Geistes. Noch war das Wort Liebe
nicht über ihre Lippen gekommen und geküßt hat-
ten sie einander auch noch nicht. Wenn er zu
Nacht in dem elenden Verschlage auf sein Stroh-
lager sank, so hatte er vorher die Luke aufgestoßen
und die Sterne schienen ihm wie Lisbeths Augen
tief in das Herz hinein, bis er entschlummerte.
Wenn sie ihr Bettchen unten im Stüblein suchte,
so kniete sie am Stuhle vor dem Bettchen nieder,
und faltete die Hände und meinte, ein schönes
Gebet zu sprechen, obgleich ihre Lippen kein Wort
sagten. Er rief oben leise für sich hin, wenn seine
Wimpern sich schlossen: Der ganzen Welt möchte
ich vertrauen, wie sie mir so wohl gefällt. -- Sie
flüsterte, indem sie sanft ihre Wange an das Kissen
drückte: Er ist der beste Mensch, den ich noch
gesehen habe -- und dann schliefen sie Beide ein und

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von ſo einem Junker. — Seine rauhen Gedanken
flogen wie ein widriger Sturm um dieſe reine
Knospe, die zur Blüthe aufbrechen wollte. Er
nahm ſich vor Lisbeth bei erſter günſtiger Gele-
genheit zu warnen.

Wovor? — Zwiſchen ihr und ihrem Freunde
war Alles Unſchuld, Demuth, der keuſcheſte Traum
eines guten Geiſtes. Noch war das Wort Liebe
nicht über ihre Lippen gekommen und geküßt hat-
ten ſie einander auch noch nicht. Wenn er zu
Nacht in dem elenden Verſchlage auf ſein Stroh-
lager ſank, ſo hatte er vorher die Luke aufgeſtoßen
und die Sterne ſchienen ihm wie Lisbeths Augen
tief in das Herz hinein, bis er entſchlummerte.
Wenn ſie ihr Bettchen unten im Stüblein ſuchte,
ſo kniete ſie am Stuhle vor dem Bettchen nieder,
und faltete die Hände und meinte, ein ſchönes
Gebet zu ſprechen, obgleich ihre Lippen kein Wort
ſagten. Er rief oben leiſe für ſich hin, wenn ſeine
Wimpern ſich ſchloſſen: Der ganzen Welt möchte
ich vertrauen, wie ſie mir ſo wohl gefällt. — Sie
flüſterte, indem ſie ſanft ihre Wange an das Kiſſen
drückte: Er iſt der beſte Menſch, den ich noch
geſehen habe — und dann ſchliefen ſie Beide ein und

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[51/0065] von ſo einem Junker. — Seine rauhen Gedanken flogen wie ein widriger Sturm um dieſe reine Knospe, die zur Blüthe aufbrechen wollte. Er nahm ſich vor Lisbeth bei erſter günſtiger Gele- genheit zu warnen. Wovor? — Zwiſchen ihr und ihrem Freunde war Alles Unſchuld, Demuth, der keuſcheſte Traum eines guten Geiſtes. Noch war das Wort Liebe nicht über ihre Lippen gekommen und geküßt hat- ten ſie einander auch noch nicht. Wenn er zu Nacht in dem elenden Verſchlage auf ſein Stroh- lager ſank, ſo hatte er vorher die Luke aufgeſtoßen und die Sterne ſchienen ihm wie Lisbeths Augen tief in das Herz hinein, bis er entſchlummerte. Wenn ſie ihr Bettchen unten im Stüblein ſuchte, ſo kniete ſie am Stuhle vor dem Bettchen nieder, und faltete die Hände und meinte, ein ſchönes Gebet zu ſprechen, obgleich ihre Lippen kein Wort ſagten. Er rief oben leiſe für ſich hin, wenn ſeine Wimpern ſich ſchloſſen: Der ganzen Welt möchte ich vertrauen, wie ſie mir ſo wohl gefällt. — Sie flüſterte, indem ſie ſanft ihre Wange an das Kiſſen drückte: Er iſt der beſte Menſch, den ich noch geſehen habe — und dann ſchliefen ſie Beide ein und 4*

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/65>, abgerufen am 29.04.2024.