Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

schirmen vor dem geistigen Tode. Sie sind fromm,
ich sehe Sie in die Kirche gehen, Sie im Gesang-
buche lesen. Gott wird ein Licht in Ihrer Seele
anzünden.

Gott ist bei mir in dieser Stunde, er legt
mir die Worte auf meine einfältigen Lippen, er-
wiederte Lisbeth. -- Ich weiß nicht ob ich fromm
bin, kümmerlich bin ich herangewachsen, aber zur
Kirche habe ich mich freilich immer gehalten und
an den Allmächtigen glaube ich. Jedoch, seit ich
Oswald liebe, habe ich nur ein Gebet und das
lautet: Vater sei mit ihm und mir! -- Ich bete
nicht für ihn allein und nicht für mich allein, son-
dern für uns Beide bete ich, und das, meine ich,
ist das Licht, welches Gott mir in der Seele ent-
zündet hat. Die Erde sehe ich unter mir, den
Himmel über mir, und wo wehet der Sturm, der
mich fortstürmt?

Leidenschaftlich rief Clelia: Bedenken Sie doch
nur seine Verhältnisse, bedenken Sie seine Ver-
wandten, von denen die Meisten so stolz sind, be-
denken Sie unseren König, bedenken Sie endlich
Oswald's eigenes Herz, das von äußeren Um-
ständen, vom Widerspruch mit den Forderungen

ſchirmen vor dem geiſtigen Tode. Sie ſind fromm,
ich ſehe Sie in die Kirche gehen, Sie im Geſang-
buche leſen. Gott wird ein Licht in Ihrer Seele
anzünden.

Gott iſt bei mir in dieſer Stunde, er legt
mir die Worte auf meine einfältigen Lippen, er-
wiederte Lisbeth. — Ich weiß nicht ob ich fromm
bin, kümmerlich bin ich herangewachſen, aber zur
Kirche habe ich mich freilich immer gehalten und
an den Allmächtigen glaube ich. Jedoch, ſeit ich
Oswald liebe, habe ich nur ein Gebet und das
lautet: Vater ſei mit ihm und mir! — Ich bete
nicht für ihn allein und nicht für mich allein, ſon-
dern für uns Beide bete ich, und das, meine ich,
iſt das Licht, welches Gott mir in der Seele ent-
zündet hat. Die Erde ſehe ich unter mir, den
Himmel über mir, und wo wehet der Sturm, der
mich fortſtürmt?

Leidenſchaftlich rief Clelia: Bedenken Sie doch
nur ſeine Verhältniſſe, bedenken Sie ſeine Ver-
wandten, von denen die Meiſten ſo ſtolz ſind, be-
denken Sie unſeren König, bedenken Sie endlich
Oswald’s eigenes Herz, das von äußeren Um-
ſtänden, vom Widerſpruch mit den Forderungen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0284" n="272"/>
&#x017F;chirmen vor dem gei&#x017F;tigen Tode. Sie &#x017F;ind fromm,<lb/>
ich &#x017F;ehe Sie in die Kirche gehen, Sie im Ge&#x017F;ang-<lb/>
buche le&#x017F;en. Gott wird ein Licht in Ihrer Seele<lb/>
anzünden.</p><lb/>
          <p>Gott i&#x017F;t bei mir in die&#x017F;er Stunde, er legt<lb/>
mir die Worte auf meine einfältigen Lippen, er-<lb/>
wiederte Lisbeth. &#x2014; Ich weiß nicht ob ich fromm<lb/>
bin, kümmerlich bin ich herangewach&#x017F;en, aber zur<lb/>
Kirche habe ich mich freilich immer gehalten und<lb/>
an den Allmächtigen glaube ich. Jedoch, &#x017F;eit ich<lb/>
Oswald liebe, habe ich nur <hi rendition="#g">ein</hi> Gebet und das<lb/>
lautet: Vater &#x017F;ei mit ihm und mir! &#x2014; Ich bete<lb/>
nicht für ihn allein und nicht für mich allein, &#x017F;on-<lb/>
dern für uns Beide bete ich, und das, meine ich,<lb/>
i&#x017F;t das Licht, welches Gott mir in der Seele ent-<lb/>
zündet hat. Die Erde &#x017F;ehe ich unter mir, den<lb/>
Himmel über mir, und wo wehet der Sturm, der<lb/>
mich fort&#x017F;türmt?</p><lb/>
          <p>Leiden&#x017F;chaftlich rief Clelia: Bedenken Sie doch<lb/>
nur &#x017F;eine Verhältni&#x017F;&#x017F;e, bedenken Sie &#x017F;eine Ver-<lb/>
wandten, von denen die Mei&#x017F;ten &#x017F;o &#x017F;tolz &#x017F;ind, be-<lb/>
denken Sie un&#x017F;eren König, bedenken Sie endlich<lb/>
Oswald&#x2019;s eigenes Herz, das von äußeren Um-<lb/>
&#x017F;tänden, vom Wider&#x017F;pruch mit den Forderungen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[272/0284] ſchirmen vor dem geiſtigen Tode. Sie ſind fromm, ich ſehe Sie in die Kirche gehen, Sie im Geſang- buche leſen. Gott wird ein Licht in Ihrer Seele anzünden. Gott iſt bei mir in dieſer Stunde, er legt mir die Worte auf meine einfältigen Lippen, er- wiederte Lisbeth. — Ich weiß nicht ob ich fromm bin, kümmerlich bin ich herangewachſen, aber zur Kirche habe ich mich freilich immer gehalten und an den Allmächtigen glaube ich. Jedoch, ſeit ich Oswald liebe, habe ich nur ein Gebet und das lautet: Vater ſei mit ihm und mir! — Ich bete nicht für ihn allein und nicht für mich allein, ſon- dern für uns Beide bete ich, und das, meine ich, iſt das Licht, welches Gott mir in der Seele ent- zündet hat. Die Erde ſehe ich unter mir, den Himmel über mir, und wo wehet der Sturm, der mich fortſtürmt? Leidenſchaftlich rief Clelia: Bedenken Sie doch nur ſeine Verhältniſſe, bedenken Sie ſeine Ver- wandten, von denen die Meiſten ſo ſtolz ſind, be- denken Sie unſeren König, bedenken Sie endlich Oswald’s eigenes Herz, das von äußeren Um- ſtänden, vom Widerſpruch mit den Forderungen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/284
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/284>, abgerufen am 29.05.2024.