Du fragst mich nicht nach den komischen Leuten, obgleich du, lustig wie ein Knabe, an ihnen dein Ergötzen hattest und dich selbst nicht scheutest, über "den gemeinsten aller gemeinen Bedienten" wie du ihn nanntest, zu lachen. Du fragst mich nach Os- wald und Lisbeth. Ihre Geschichte sei ja noch nicht aus, sagst du.
Nein, ihre Geschichte ist auch nicht aus, sie hat erst begonnen. Ich hätte nicht solchen Antheil Beiden gewidmet, wenn sie zu denen gehörten, deren Blüthe das Läuten der Hochzeitglocken zu Grabe läutet. Die Geschichte ihres Herzens und innersten Geistes nahm von dem Segen des Prie- sters den Ausgang.
Ein zu frühes Beieinanderseyn der Liebenden hat etwas Ungeschicktes. Das Leben ist nun einmal roh, es trennt mehr, als daß es ver- binde. Der Tag wirft viel Schaum und trübe Fluth zwischen zwei Herzen, die noch nicht gelernt
II.
Du fragſt mich nicht nach den komiſchen Leuten, obgleich du, luſtig wie ein Knabe, an ihnen dein Ergötzen hatteſt und dich ſelbſt nicht ſcheuteſt, über „den gemeinſten aller gemeinen Bedienten“ wie du ihn nannteſt, zu lachen. Du fragſt mich nach Os- wald und Lisbeth. Ihre Geſchichte ſei ja noch nicht aus, ſagſt du.
Nein, ihre Geſchichte iſt auch nicht aus, ſie hat erſt begonnen. Ich hätte nicht ſolchen Antheil Beiden gewidmet, wenn ſie zu denen gehörten, deren Blüthe das Läuten der Hochzeitglocken zu Grabe läutet. Die Geſchichte ihres Herzens und innerſten Geiſtes nahm von dem Segen des Prie- ſters den Ausgang.
Ein zu frühes Beieinanderſeyn der Liebenden hat etwas Ungeſchicktes. Das Leben iſt nun einmal roh, es trennt mehr, als daß es ver- binde. Der Tag wirft viel Schaum und trübe Fluth zwiſchen zwei Herzen, die noch nicht gelernt
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II.
Du fragſt mich nicht nach den komiſchen Leuten,
obgleich du, luſtig wie ein Knabe, an ihnen dein
Ergötzen hatteſt und dich ſelbſt nicht ſcheuteſt, über
„den gemeinſten aller gemeinen Bedienten“ wie du
ihn nannteſt, zu lachen. Du fragſt mich nach Os-
wald und Lisbeth. Ihre Geſchichte ſei ja noch
nicht aus, ſagſt du.
Nein, ihre Geſchichte iſt auch nicht aus, ſie
hat erſt begonnen. Ich hätte nicht ſolchen Antheil
Beiden gewidmet, wenn ſie zu denen gehörten,
deren Blüthe das Läuten der Hochzeitglocken zu
Grabe läutet. Die Geſchichte ihres Herzens und
innerſten Geiſtes nahm von dem Segen des Prie-
ſters den Ausgang.
Ein zu frühes Beieinanderſeyn der Liebenden
hat etwas Ungeſchicktes. Das Leben iſt nun
einmal roh, es trennt mehr, als daß es ver-
binde. Der Tag wirft viel Schaum und trübe
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/316>, abgerufen am 15.10.2024.
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