verey nicht in der Seele allein verborgen, sondern sie brechen auch wie bey dem Ha- man in äusserliche Wercke aus, welche aber insgemein nichts als die Unruhe der Gesellschafft mit sich verknüpfft haben. Ein Haman durstet nach dem Blute der Jüden, eine Jesebel lässet den Naboth töd- ten, ein Cain nimmt seinem Bruder das Le- ben, ein Absalon treibt seinen Vater vom Throne, und ein Joab stösset dem Abner einen Dolch in den Leib. Und so macht ein Mensch, indem er seinen verderbten Nei- gungen folget, dem andern und sich selbst ein mühsames verdrießliches und Jammer- volles Leben. Man schilt und wird wieder gescholten, man neidet und wird wieder be- neidet, man hasset und wird wieder gehas- set, man betriegt und wird wieder betro- gen, man schlägt und wird wieder geschla- gen, man betrübet und wird wieder betrü- bet. Geschiehet aber dieses in dieser Welt, da noch Gute und Böse mit einander ver- mischt sind, und da die Blösse und Dürff- tigkeit unsers Leibes uns noch nöthiget, öff- ters wider unsern Willen mit andern in Ruhe zu leben, was soll man denn wol anders in der Hölle hoffen, wo die gantze Gesellschafft aus solchen Gliedern bestehet,
welche
verey nicht in der Seele allein verborgen, ſondern ſie brechen auch wie bey dem Ha- man in aͤuſſerliche Wercke aus, welche aber insgemein nichts als die Unruhe der Geſellſchafft mit ſich verknuͤpfft haben. Ein Haman durſtet nach dem Blute der Juͤden, eine Jeſebel laͤſſet den Naboth toͤd- ten, ein Cain nimmt ſeinem Bruder das Le- ben, ein Abſalon treibt ſeinen Vater vom Throne, und ein Joab ſtoͤſſet dem Abner einen Dolch in den Leib. Und ſo macht ein Menſch, indem er ſeinen verderbten Nei- gungen folget, dem andern und ſich ſelbſt ein muͤhſames verdrießliches und Jammer- volles Leben. Man ſchilt und wird wieder geſcholten, man neidet und wird wieder be- neidet, man haſſet und wird wieder gehaſ- ſet, man betriegt und wird wieder betro- gen, man ſchlaͤgt und wird wieder geſchla- gen, man betruͤbet und wird wieder betruͤ- bet. Geſchiehet aber dieſes in dieſer Welt, da noch Gute und Boͤſe mit einander ver- miſcht ſind, und da die Bloͤſſe und Duͤrff- tigkeit unſers Leibes uns noch noͤthiget, oͤff- ters wider unſern Willen mit andern in Ruhe zu leben, was ſoll man denn wol anders in der Hoͤlle hoffen, wo die gantze Geſellſchafft aus ſolchen Gliedern beſtehet,
welche
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[182[178]/0214]
verey nicht in der Seele allein verborgen,
ſondern ſie brechen auch wie bey dem Ha-
man in aͤuſſerliche Wercke aus, welche
aber insgemein nichts als die Unruhe der
Geſellſchafft mit ſich verknuͤpfft haben.
Ein Haman durſtet nach dem Blute der
Juͤden, eine Jeſebel laͤſſet den Naboth toͤd-
ten, ein Cain nimmt ſeinem Bruder das Le-
ben, ein Abſalon treibt ſeinen Vater vom
Throne, und ein Joab ſtoͤſſet dem Abner
einen Dolch in den Leib. Und ſo macht ein
Menſch, indem er ſeinen verderbten Nei-
gungen folget, dem andern und ſich ſelbſt
ein muͤhſames verdrießliches und Jammer-
volles Leben. Man ſchilt und wird wieder
geſcholten, man neidet und wird wieder be-
neidet, man haſſet und wird wieder gehaſ-
ſet, man betriegt und wird wieder betro-
gen, man ſchlaͤgt und wird wieder geſchla-
gen, man betruͤbet und wird wieder betruͤ-
bet. Geſchiehet aber dieſes in dieſer Welt,
da noch Gute und Boͤſe mit einander ver-
miſcht ſind, und da die Bloͤſſe und Duͤrff-
tigkeit unſers Leibes uns noch noͤthiget, oͤff-
ters wider unſern Willen mit andern in
Ruhe zu leben, was ſoll man denn wol
anders in der Hoͤlle hoffen, wo die gantze
Geſellſchafft aus ſolchen Gliedern beſtehet,
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 182[178]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/214>, abgerufen am 29.04.2024.
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