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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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habe ehemals eine Purgantz mit Wein
einnehmen müssen, welche mir sehr un-
angenehm schmeckte. Jch konte darauf
in langer Zeit keinen Wein trincken.
Denn so bald ich denselben auf der Zun-
ge fühlte; deuchte mir, ich schmeckte mei-
ne vorige Purgantz. Ferner ist mir ein-
mal übel worden, als ich Sallat mit
Baumöl gegessen hatte. Jch konte
in einiger Zeit hernach weder Baum-
öl riechen noch essen, indem mir alle-
zeit deuchte, meine Zunge fühlte den eckel-
haften Geschmack, den ich bey vorer-
wehnter Gelegenheit empfunden. Hier
ist nicht die geringste Wahrscheinlichkeit,
daß durch die erzählten Begebenheiten
meine Zunge dergestalt wäre geändert
worden, daß der Wein auf derselben eben
das Gefühl verursachet hätte, welches ehe-
mals die Purgantz mit dem Weine erre-
get hatte. Es ist auch nicht wahrscheinlich,
daß das Baumöl die Nerven der Zun-
ge auf eine andere Art, wie sonsten, bewe-
get: sondern es wird diese gantze Wür-
ckung der Einbildungskraft allein müs-
sen zugeschrieben werden, welche bey
Empfindung des Weins und Baum-
öls den vorigen unangenehmen Ge-
schmack so deutlich wieder hervor brach-
te, daß er gleichfals einer Empfindung
gantz ähnlich wurde. Und hierinne lag

denn





habe ehemals eine Purgantz mit Wein
einnehmen muͤſſen, welche mir ſehr un-
angenehm ſchmeckte. Jch konte darauf
in langer Zeit keinen Wein trincken.
Denn ſo bald ich denſelben auf der Zun-
ge fuͤhlte; deuchte mir, ich ſchmeckte mei-
ne vorige Purgantz. Ferner iſt mir ein-
mal uͤbel worden, als ich Sallat mit
Baumoͤl gegeſſen hatte. Jch konte
in einiger Zeit hernach weder Baum-
oͤl riechen noch eſſen, indem mir alle-
zeit deuchte, meine Zunge fuͤhlte den eckel-
haften Geſchmack, den ich bey vorer-
wehnter Gelegenheit empfunden. Hier
iſt nicht die geringſte Wahrſcheinlichkeit,
daß durch die erzaͤhlten Begebenheiten
meine Zunge dergeſtalt waͤre geaͤndert
worden, daß der Wein auf derſelben eben
das Gefuͤhl verurſachet haͤtte, welches ehe-
mals die Purgantz mit dem Weine erre-
get hatte. Es iſt auch nicht wahrſcheinlich,
daß das Baumoͤl die Nerven der Zun-
ge auf eine andere Art, wie ſonſten, bewe-
get: ſondern es wird dieſe gantze Wuͤr-
ckung der Einbildungskraft allein muͤſ-
ſen zugeſchrieben werden, welche bey
Empfindung des Weins und Baum-
oͤls den vorigen unangenehmen Ge-
ſchmack ſo deutlich wieder hervor brach-
te, daß er gleichfals einer Empfindung
gantz aͤhnlich wurde. Und hierinne lag

denn
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[255[251]/0287] habe ehemals eine Purgantz mit Wein einnehmen muͤſſen, welche mir ſehr un- angenehm ſchmeckte. Jch konte darauf in langer Zeit keinen Wein trincken. Denn ſo bald ich denſelben auf der Zun- ge fuͤhlte; deuchte mir, ich ſchmeckte mei- ne vorige Purgantz. Ferner iſt mir ein- mal uͤbel worden, als ich Sallat mit Baumoͤl gegeſſen hatte. Jch konte in einiger Zeit hernach weder Baum- oͤl riechen noch eſſen, indem mir alle- zeit deuchte, meine Zunge fuͤhlte den eckel- haften Geſchmack, den ich bey vorer- wehnter Gelegenheit empfunden. Hier iſt nicht die geringſte Wahrſcheinlichkeit, daß durch die erzaͤhlten Begebenheiten meine Zunge dergeſtalt waͤre geaͤndert worden, daß der Wein auf derſelben eben das Gefuͤhl verurſachet haͤtte, welches ehe- mals die Purgantz mit dem Weine erre- get hatte. Es iſt auch nicht wahrſcheinlich, daß das Baumoͤl die Nerven der Zun- ge auf eine andere Art, wie ſonſten, bewe- get: ſondern es wird dieſe gantze Wuͤr- ckung der Einbildungskraft allein muͤſ- ſen zugeſchrieben werden, welche bey Empfindung des Weins und Baum- oͤls den vorigen unangenehmen Ge- ſchmack ſo deutlich wieder hervor brach- te, daß er gleichfals einer Empfindung gantz aͤhnlich wurde. Und hierinne lag denn

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 255[251]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/287>, abgerufen am 28.04.2024.