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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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dunckele
Vorstel-
lungen
Neigun-
gen und
Abnei-
gungen
verursa-
chen.
gar nicht zuwider war, unangenehm
machen, und dadurch bey uns eine
Abneigung vor derselben verursa-
chen: Hingegen aber kan sie uns auch
eine Sache angenehm machen, wel-
che uns sonst wenig vergnügen wür-
de.
Ja was noch mehr ist: die Exempel
der Leute, welche das Finstere scheuen, und
des jungen Menschen, welchem die Milch
eckelt, lehren, daß die Einbildungs-
kraft durch ihre Verbindung ver-
schiedener Bilder, welche ehemals
zugleich in der Seele gewesen, uns
einige Dinge angenehm, andere aber
zuwider machen könne, wenn auch
gleich die alte Vorstellung, welche
unsere Einbildung mit einer gegen-
wärtigen Sache verknüpfet, so dun-
ckel ist, daß wir selbige von andern
nicht einmahl unterscheiden, und
uns derselben nicht recht bewust
sind.
Der schon oft erwehnte junge
Mensch wuste nicht, was es eigentlich
vor ein Geschmack war, welcher bey Em-
pfindung der Milch durch seine Einbil-
dung hervor gebracht wurde, und ihm die
erste Nahrung seines Lebens zuwider
machte. Denn sein Gedächtniß reichte
nicht bis auf die Zeit, da sich der Geschmack
der Milch und des Knoblauchs auf seiner
Zunge vereiniget hatte. Es hieß bey ihm:

er





dunckele
Vorſtel-
lungen
Neigun-
gen und
Abnei-
gungen
verurſa-
chen.
gar nicht zuwider war, unangenehm
machen, und dadurch bey uns eine
Abneigung vor derſelben verurſa-
chen: Hingegen aber kan ſie uns auch
eine Sache angenehm machen, wel-
che uns ſonſt wenig vergnuͤgen wuͤr-
de.
Ja was noch mehr iſt: die Exempel
der Leute, welche das Finſtere ſcheuen, und
des jungen Menſchen, welchem die Milch
eckelt, lehren, daß die Einbildungs-
kraft durch ihre Verbindung ver-
ſchiedener Bilder, welche ehemals
zugleich in der Seele geweſen, uns
einige Dinge angenehm, andere aber
zuwider machen koͤnne, wenn auch
gleich die alte Vorſtellung, welche
unſere Einbildung mit einer gegen-
waͤrtigen Sache verknuͤpfet, ſo dun-
ckel iſt, daß wir ſelbige von andern
nicht einmahl unterſcheiden, und
uns derſelben nicht recht bewuſt
ſind.
Der ſchon oft erwehnte junge
Menſch wuſte nicht, was es eigentlich
vor ein Geſchmack war, welcher bey Em-
pfindung der Milch durch ſeine Einbil-
dung hervor gebracht wurde, und ihm die
erſte Nahrung ſeines Lebens zuwider
machte. Denn ſein Gedaͤchtniß reichte
nicht bis auf die Zeit, da ſich der Geſchmack
der Milch und des Knoblauchs auf ſeiner
Zunge vereiniget hatte. Es hieß bey ihm:

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[258[254]/0290] gar nicht zuwider war, unangenehm machen, und dadurch bey uns eine Abneigung vor derſelben verurſa- chen: Hingegen aber kan ſie uns auch eine Sache angenehm machen, wel- che uns ſonſt wenig vergnuͤgen wuͤr- de. Ja was noch mehr iſt: die Exempel der Leute, welche das Finſtere ſcheuen, und des jungen Menſchen, welchem die Milch eckelt, lehren, daß die Einbildungs- kraft durch ihre Verbindung ver- ſchiedener Bilder, welche ehemals zugleich in der Seele geweſen, uns einige Dinge angenehm, andere aber zuwider machen koͤnne, wenn auch gleich die alte Vorſtellung, welche unſere Einbildung mit einer gegen- waͤrtigen Sache verknuͤpfet, ſo dun- ckel iſt, daß wir ſelbige von andern nicht einmahl unterſcheiden, und uns derſelben nicht recht bewuſt ſind. Der ſchon oft erwehnte junge Menſch wuſte nicht, was es eigentlich vor ein Geſchmack war, welcher bey Em- pfindung der Milch durch ſeine Einbil- dung hervor gebracht wurde, und ihm die erſte Nahrung ſeines Lebens zuwider machte. Denn ſein Gedaͤchtniß reichte nicht bis auf die Zeit, da ſich der Geſchmack der Milch und des Knoblauchs auf ſeiner Zunge vereiniget hatte. Es hieß bey ihm: er dunckele Vorſtel- lungen Neigun- gen und Abnei- gungen verurſa- chen.

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 258[254]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/290>, abgerufen am 27.04.2024.