Dinge giebet, nicht so starck und ein- nehmend seyn, und die Vorstellungen der Vernunft würden selbige ehender besiegen und unterdrucken können, als da wir von Eltern gebohren und unter solchen erzogen werden, deren unordent- liche Gemüthsbewegungen nicht alle- zeit gehörigen Widerstand finden. Da wir aber von solchen gezeuget werden, welche sich viele Dinge, so in der That gut sind, als etwas sehr unangenehmes und verdriesliches; verschiedene andere Dinge aber, welche das gröste Ver- derben nach sich ziehen, als etwas an- genehmes und schönes vorstellen, und dabey in die stärcksten Gemüthsbewe- gungen gerathen, so kan es, wenn die oben angeführten Gründe ihre Richtig- keit haben, nicht anders seyn, als daß ein gleiches in die unschuldigen Seelen der Kinder gepflantzet werde. Denn da die lebhaften Vorstellungen der Mut- ter, und ihre Leidenschaften, auch einiger- massen in ihrem Kinde wegen der ge- nauen Verbindung, die dasselbe wäh- rend der Schwangerschaft mit ihr hat, er- reget werden, (§. 16.) und die Einbil- dungskraft selbige in den folgenden Zeiten immer unvermerckt wieder mit einander verknüpft, so muß das Kind vermöge seiner Zeugung vieles Böse lie-
ben,
Dinge giebet, nicht ſo ſtarck und ein- nehmend ſeyn, und die Vorſtellungen der Vernunft wuͤrden ſelbige ehender beſiegen und unterdrucken koͤnnen, als da wir von Eltern gebohren und unter ſolchen erzogen werden, deren unordent- liche Gemuͤthsbewegungen nicht alle- zeit gehoͤrigen Widerſtand finden. Da wir aber von ſolchen gezeuget werden, welche ſich viele Dinge, ſo in der That gut ſind, als etwas ſehr unangenehmes und verdriesliches; verſchiedene andere Dinge aber, welche das groͤſte Ver- derben nach ſich ziehen, als etwas an- genehmes und ſchoͤnes vorſtellen, und dabey in die ſtaͤrckſten Gemuͤthsbewe- gungen gerathen, ſo kan es, wenn die oben angefuͤhrten Gruͤnde ihre Richtig- keit haben, nicht anders ſeyn, als daß ein gleiches in die unſchuldigen Seelen der Kinder gepflantzet werde. Denn da die lebhaften Vorſtellungen der Mut- ter, und ihre Leidenſchaften, auch einiger- maſſen in ihrem Kinde wegen der ge- nauen Verbindung, die daſſelbe waͤh- rend der Schwangerſchaft mit ihr hat, er- reget werden, (§. 16.) und die Einbil- dungskraft ſelbige in den folgenden Zeiten immer unvermerckt wieder mit einander verknuͤpft, ſo muß das Kind vermoͤge ſeiner Zeugung vieles Boͤſe lie-
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[272[268]/0304]
Dinge giebet, nicht ſo ſtarck und ein-
nehmend ſeyn, und die Vorſtellungen
der Vernunft wuͤrden ſelbige ehender
beſiegen und unterdrucken koͤnnen, als
da wir von Eltern gebohren und unter
ſolchen erzogen werden, deren unordent-
liche Gemuͤthsbewegungen nicht alle-
zeit gehoͤrigen Widerſtand finden. Da
wir aber von ſolchen gezeuget werden,
welche ſich viele Dinge, ſo in der That
gut ſind, als etwas ſehr unangenehmes
und verdriesliches; verſchiedene andere
Dinge aber, welche das groͤſte Ver-
derben nach ſich ziehen, als etwas an-
genehmes und ſchoͤnes vorſtellen, und
dabey in die ſtaͤrckſten Gemuͤthsbewe-
gungen gerathen, ſo kan es, wenn die
oben angefuͤhrten Gruͤnde ihre Richtig-
keit haben, nicht anders ſeyn, als daß
ein gleiches in die unſchuldigen Seelen
der Kinder gepflantzet werde. Denn
da die lebhaften Vorſtellungen der Mut-
ter, und ihre Leidenſchaften, auch einiger-
maſſen in ihrem Kinde wegen der ge-
nauen Verbindung, die daſſelbe waͤh-
rend der Schwangerſchaft mit ihr hat, er-
reget werden, (§. 16.) und die Einbil-
dungskraft ſelbige in den folgenden
Zeiten immer unvermerckt wieder mit
einander verknuͤpft, ſo muß das Kind
vermoͤge ſeiner Zeugung vieles Boͤſe lie-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 272[268]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/304>, abgerufen am 28.04.2024.
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