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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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Dinge giebet, nicht so starck und ein-
nehmend seyn, und die Vorstellungen
der Vernunft würden selbige ehender
besiegen und unterdrucken können, als
da wir von Eltern gebohren und unter
solchen erzogen werden, deren unordent-
liche Gemüthsbewegungen nicht alle-
zeit gehörigen Widerstand finden. Da
wir aber von solchen gezeuget werden,
welche sich viele Dinge, so in der That
gut sind, als etwas sehr unangenehmes
und verdriesliches; verschiedene andere
Dinge aber, welche das gröste Ver-
derben nach sich ziehen, als etwas an-
genehmes und schönes vorstellen, und
dabey in die stärcksten Gemüthsbewe-
gungen gerathen, so kan es, wenn die
oben angeführten Gründe ihre Richtig-
keit haben, nicht anders seyn, als daß
ein gleiches in die unschuldigen Seelen
der Kinder gepflantzet werde. Denn
da die lebhaften Vorstellungen der Mut-
ter, und ihre Leidenschaften, auch einiger-
massen in ihrem Kinde wegen der ge-
nauen Verbindung, die dasselbe wäh-
rend der Schwangerschaft mit ihr hat, er-
reget werden, (§. 16.) und die Einbil-
dungskraft selbige in den folgenden
Zeiten immer unvermerckt wieder mit
einander verknüpft, so muß das Kind
vermöge seiner Zeugung vieles Böse lie-

ben,





Dinge giebet, nicht ſo ſtarck und ein-
nehmend ſeyn, und die Vorſtellungen
der Vernunft wuͤrden ſelbige ehender
beſiegen und unterdrucken koͤnnen, als
da wir von Eltern gebohren und unter
ſolchen erzogen werden, deren unordent-
liche Gemuͤthsbewegungen nicht alle-
zeit gehoͤrigen Widerſtand finden. Da
wir aber von ſolchen gezeuget werden,
welche ſich viele Dinge, ſo in der That
gut ſind, als etwas ſehr unangenehmes
und verdriesliches; verſchiedene andere
Dinge aber, welche das groͤſte Ver-
derben nach ſich ziehen, als etwas an-
genehmes und ſchoͤnes vorſtellen, und
dabey in die ſtaͤrckſten Gemuͤthsbewe-
gungen gerathen, ſo kan es, wenn die
oben angefuͤhrten Gruͤnde ihre Richtig-
keit haben, nicht anders ſeyn, als daß
ein gleiches in die unſchuldigen Seelen
der Kinder gepflantzet werde. Denn
da die lebhaften Vorſtellungen der Mut-
ter, und ihre Leidenſchaften, auch einiger-
maſſen in ihrem Kinde wegen der ge-
nauen Verbindung, die daſſelbe waͤh-
rend der Schwangerſchaft mit ihr hat, er-
reget werden, (§. 16.) und die Einbil-
dungskraft ſelbige in den folgenden
Zeiten immer unvermerckt wieder mit
einander verknuͤpft, ſo muß das Kind
vermoͤge ſeiner Zeugung vieles Boͤſe lie-

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[272[268]/0304] Dinge giebet, nicht ſo ſtarck und ein- nehmend ſeyn, und die Vorſtellungen der Vernunft wuͤrden ſelbige ehender beſiegen und unterdrucken koͤnnen, als da wir von Eltern gebohren und unter ſolchen erzogen werden, deren unordent- liche Gemuͤthsbewegungen nicht alle- zeit gehoͤrigen Widerſtand finden. Da wir aber von ſolchen gezeuget werden, welche ſich viele Dinge, ſo in der That gut ſind, als etwas ſehr unangenehmes und verdriesliches; verſchiedene andere Dinge aber, welche das groͤſte Ver- derben nach ſich ziehen, als etwas an- genehmes und ſchoͤnes vorſtellen, und dabey in die ſtaͤrckſten Gemuͤthsbewe- gungen gerathen, ſo kan es, wenn die oben angefuͤhrten Gruͤnde ihre Richtig- keit haben, nicht anders ſeyn, als daß ein gleiches in die unſchuldigen Seelen der Kinder gepflantzet werde. Denn da die lebhaften Vorſtellungen der Mut- ter, und ihre Leidenſchaften, auch einiger- maſſen in ihrem Kinde wegen der ge- nauen Verbindung, die daſſelbe waͤh- rend der Schwangerſchaft mit ihr hat, er- reget werden, (§. 16.) und die Einbil- dungskraft ſelbige in den folgenden Zeiten immer unvermerckt wieder mit einander verknuͤpft, ſo muß das Kind vermoͤge ſeiner Zeugung vieles Boͤſe lie- ben,

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 272[268]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/304>, abgerufen am 28.04.2024.