Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite





eine Taube, eine Gans keinen Euter? Und warum
hat eine Sau mehr Milch-Gefässe als ein ander
Thier? Solte man nicht Ursach finden zu muth-
maßen: es muß sich jemand diese Dinge vorher
vorgestellet u. gesehen haben, daß ein Vogel keine
Milch-Gefässe brauche, die andern aber selbiger
nach der Anzahl ihrer Jungen nöthig haben. Besie-
he nur den Unterschied zwischen den Füßen eines
Vogels der auf dem Wasser und zwischen den Füs-
sen eines Vogels so auf den Bäumen sich aufzu-
halten pfleget, und sie werden dich auf einen wei-
sen Schöpffer führen. Hätte eine Gans und eine
Ante keine breite Lappen zwischen ihren Klauen,
so würden sie nicht wohl schwimmen können, und
wäre ein Rabe, ein Häger, ein Krammets-Vo-
gel und ein Sperling damit versehen, so würde
er mit seinen Klauen die Zweige der Bäume nicht
wohl umfassen, und sich auf denselben halten kön-
nen. Wenn nun die Welt von keinem weisen Bau-
meister eingerichtet worden, woher kommt denn
diese Ubereinstimmung und grosse Ordnung?
Gewiß betäubt nicht eine schläffrige und wollüsti-
ge Unachtsamkeit alle unsere Sinne, u. macht uns
ein unsinniger Hochmuth und verstockte Bosheit
nicht zu Narren, so werden wir auch bey dem ge-
ringsten Dinge dieser Welt auf die Gedancken
kommen müssen: Es ist ein GOtt. Eine kleine
Spinne, eine künstliche Biene und eine arbeitsame
Omeise ruffen uns zu: Es ist ein GOtt, der die-
ses Welt-Gebäude durch seine Macht herfür ge-
bracht, und mit unendlicher Weisheit eingerichtet.
Jch könte diesen Satz weitläufftiger aus den kurtz-
angeführten Gründen herleiten, auch die mehre-
sten Eigenschafften GOttes auf eine ähnliche Arth
darthun, wenn meine Absicht anjetzo weiter gien-
ge, als bloß einen solchen, der sich in gründlichen
Wissenschafften nicht ungesehen, auf die ersten
Spuhren der Erkänntniß GOttes zu bringen, und
dahin





eine Taube, eine Gans keinen Euter? Und warum
hat eine Sau mehr Milch-Gefaͤſſe als ein ander
Thier? Solte man nicht Urſach finden zu muth-
maßen: es muß ſich jemand dieſe Dinge vorher
vorgeſtellet u. geſehen haben, daß ein Vogel keine
Milch-Gefaͤſſe brauche, die andern aber ſelbiger
nach der Anzahl ihrer Jungen noͤthig haben. Beſie-
he nur den Unterſchied zwiſchen den Fuͤßen eines
Vogels der auf dem Waſſer und zwiſchen den Fuͤſ-
ſen eines Vogels ſo auf den Baͤumen ſich aufzu-
halten pfleget, und ſie werden dich auf einen wei-
ſen Schoͤpffer fuͤhren. Haͤtte eine Gans und eine
Ante keine breite Lappen zwiſchen ihren Klauen,
ſo wuͤrden ſie nicht wohl ſchwimmen koͤnnen, und
waͤre ein Rabe, ein Haͤger, ein Krammets-Vo-
gel und ein Sperling damit verſehen, ſo wuͤrde
er mit ſeinen Klauen die Zweige der Baͤume nicht
wohl umfaſſen, und ſich auf denſelben halten koͤn-
nen. Wenn nun die Welt von keinem weiſen Bau-
meiſter eingerichtet worden, woher kommt denn
dieſe Ubereinſtimmung und groſſe Ordnung?
Gewiß betaͤubt nicht eine ſchlaͤffrige und wolluͤſti-
ge Unachtſamkeit alle unſere Sinne, u. macht uns
ein unſinniger Hochmuth und verſtockte Bosheit
nicht zu Narren, ſo werden wir auch bey dem ge-
ringſten Dinge dieſer Welt auf die Gedancken
kommen muͤſſen: Es iſt ein GOtt. Eine kleine
Spinne, eine kuͤnſtliche Biene und eine arbeitſame
Omeiſe ruffen uns zu: Es iſt ein GOtt, der die-
ſes Welt-Gebaͤude durch ſeine Macht herfuͤr ge-
bracht, und mit unendlicher Weisheit eingerichtet.
Jch koͤnte dieſen Satz weitlaͤufftiger aus den kurtz-
angefuͤhrten Gruͤnden herleiten, auch die mehre-
ſten Eigenſchafften GOttes auf eine aͤhnliche Arth
darthun, wenn meine Abſicht anjetzo weiter gien-
ge, als bloß einen ſolchen, der ſich in gruͤndlichen
Wiſſenſchafften nicht ungeſehen, auf die erſten
Spuhren der Erkaͤnntniß GOttes zu bringen, und
dahin
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <pb facs="#f0052" n="16"/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <note next="#a10" xml:id="a09" prev="#a08" place="foot" n="(*)">eine Taube, eine Gans keinen Euter? Und warum<lb/>
hat eine Sau mehr Milch-Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e als ein ander<lb/>
Thier? Solte man nicht Ur&#x017F;ach finden zu muth-<lb/>
maßen: es muß &#x017F;ich jemand die&#x017F;e Dinge vorher<lb/>
vorge&#x017F;tellet u. ge&#x017F;ehen haben, daß ein Vogel keine<lb/>
Milch-Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e brauche, die andern aber &#x017F;elbiger<lb/>
nach der Anzahl ihrer Jungen no&#x0364;thig haben. Be&#x017F;ie-<lb/>
he nur den Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen den Fu&#x0364;ßen eines<lb/>
Vogels der auf dem Wa&#x017F;&#x017F;er und zwi&#x017F;chen den Fu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en eines Vogels &#x017F;o auf den Ba&#x0364;umen &#x017F;ich aufzu-<lb/>
halten pfleget, und &#x017F;ie werden dich auf einen wei-<lb/>
&#x017F;en Scho&#x0364;pffer fu&#x0364;hren. Ha&#x0364;tte eine Gans und eine<lb/>
Ante keine breite Lappen zwi&#x017F;chen ihren Klauen,<lb/>
&#x017F;o wu&#x0364;rden &#x017F;ie nicht wohl &#x017F;chwimmen ko&#x0364;nnen, und<lb/>
wa&#x0364;re ein Rabe, ein Ha&#x0364;ger, ein Krammets-Vo-<lb/>
gel und ein Sperling damit ver&#x017F;ehen, &#x017F;o wu&#x0364;rde<lb/>
er mit &#x017F;einen Klauen die Zweige der Ba&#x0364;ume nicht<lb/>
wohl umfa&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;ich auf den&#x017F;elben halten ko&#x0364;n-<lb/>
nen. Wenn nun die Welt von keinem wei&#x017F;en Bau-<lb/>
mei&#x017F;ter eingerichtet worden, woher kommt denn<lb/>
die&#x017F;e Uberein&#x017F;timmung und gro&#x017F;&#x017F;e Ordnung?<lb/>
Gewiß beta&#x0364;ubt nicht eine &#x017F;chla&#x0364;ffrige und wollu&#x0364;&#x017F;ti-<lb/>
ge Unacht&#x017F;amkeit alle un&#x017F;ere Sinne, u. macht uns<lb/>
ein un&#x017F;inniger Hochmuth und ver&#x017F;tockte Bosheit<lb/>
nicht zu Narren, &#x017F;o werden wir auch bey dem ge-<lb/>
ring&#x017F;ten Dinge die&#x017F;er Welt auf die Gedancken<lb/>
kommen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en: Es i&#x017F;t ein GOtt. Eine kleine<lb/>
Spinne, eine ku&#x0364;n&#x017F;tliche Biene und eine arbeit&#x017F;ame<lb/>
Omei&#x017F;e ruffen uns zu: Es i&#x017F;t ein GOtt, der die-<lb/>
&#x017F;es Welt-Geba&#x0364;ude durch &#x017F;eine Macht herfu&#x0364;r ge-<lb/>
bracht, und mit unendlicher Weisheit eingerichtet.<lb/>
Jch ko&#x0364;nte die&#x017F;en Satz weitla&#x0364;ufftiger aus den kurtz-<lb/>
angefu&#x0364;hrten Gru&#x0364;nden herleiten, auch die mehre-<lb/>
&#x017F;ten Eigen&#x017F;chafften GOttes auf eine a&#x0364;hnliche Arth<lb/>
darthun, wenn meine Ab&#x017F;icht anjetzo weiter gien-<lb/>
ge, als bloß einen &#x017F;olchen, der &#x017F;ich in gru&#x0364;ndlichen<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften nicht unge&#x017F;ehen, auf die er&#x017F;ten<lb/>
Spuhren der Erka&#x0364;nntniß GOttes zu bringen, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dahin</fw></note><lb/>
            </p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0052] (*) (*) eine Taube, eine Gans keinen Euter? Und warum hat eine Sau mehr Milch-Gefaͤſſe als ein ander Thier? Solte man nicht Urſach finden zu muth- maßen: es muß ſich jemand dieſe Dinge vorher vorgeſtellet u. geſehen haben, daß ein Vogel keine Milch-Gefaͤſſe brauche, die andern aber ſelbiger nach der Anzahl ihrer Jungen noͤthig haben. Beſie- he nur den Unterſchied zwiſchen den Fuͤßen eines Vogels der auf dem Waſſer und zwiſchen den Fuͤſ- ſen eines Vogels ſo auf den Baͤumen ſich aufzu- halten pfleget, und ſie werden dich auf einen wei- ſen Schoͤpffer fuͤhren. Haͤtte eine Gans und eine Ante keine breite Lappen zwiſchen ihren Klauen, ſo wuͤrden ſie nicht wohl ſchwimmen koͤnnen, und waͤre ein Rabe, ein Haͤger, ein Krammets-Vo- gel und ein Sperling damit verſehen, ſo wuͤrde er mit ſeinen Klauen die Zweige der Baͤume nicht wohl umfaſſen, und ſich auf denſelben halten koͤn- nen. Wenn nun die Welt von keinem weiſen Bau- meiſter eingerichtet worden, woher kommt denn dieſe Ubereinſtimmung und groſſe Ordnung? Gewiß betaͤubt nicht eine ſchlaͤffrige und wolluͤſti- ge Unachtſamkeit alle unſere Sinne, u. macht uns ein unſinniger Hochmuth und verſtockte Bosheit nicht zu Narren, ſo werden wir auch bey dem ge- ringſten Dinge dieſer Welt auf die Gedancken kommen muͤſſen: Es iſt ein GOtt. Eine kleine Spinne, eine kuͤnſtliche Biene und eine arbeitſame Omeiſe ruffen uns zu: Es iſt ein GOtt, der die- ſes Welt-Gebaͤude durch ſeine Macht herfuͤr ge- bracht, und mit unendlicher Weisheit eingerichtet. Jch koͤnte dieſen Satz weitlaͤufftiger aus den kurtz- angefuͤhrten Gruͤnden herleiten, auch die mehre- ſten Eigenſchafften GOttes auf eine aͤhnliche Arth darthun, wenn meine Abſicht anjetzo weiter gien- ge, als bloß einen ſolchen, der ſich in gruͤndlichen Wiſſenſchafften nicht ungeſehen, auf die erſten Spuhren der Erkaͤnntniß GOttes zu bringen, und dahin

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/52
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/52>, abgerufen am 30.04.2024.